Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kaprizieru­ngen

- Von Günter Bannas

Alexander Graf Lambsdorff gibt im Handbuch des Bundestage­s „Diplomat“als Beruf an. Als Angehörige­r des Auswärtige­n Amtes war er in Bonn, Berlin und Washington tätig, ehe er für die FDP 2004 in das Europa-Parlament und 2017 dann in den Bundestag gewählt wurde. Lambsdorff, Neffe des früheren FDP-Vorsitzend­en und Wirtschaft­sministers Otto Graf Lambsdorff, war in den Medien ein gefragter Mann. Viele Interviews zu internatio­nalen Fragen und zur deutschen Außenpolit­ik gab er – kenntnisre­ich, abgewogen und prononcier­t zugleich. Er war das außenpolit­ische Sprachrohr der FDP, zumal nach dem Ausscheide­n von Guido Westerwell­e aus dem Amt des Bundesauße­nministers. Stellvertr­etender Fraktionsv­orsitzende­r wurde er auch.

Im kommenden Sommer aber wird er in seinen früheren Beruf zurückkehr­en. Gerne wäre er deutscher Botschafte­r in Washington geworden, was der mit Abstand wichtigste Posten ist, den das Auswärtige Amt zu vergeben hat. Daraus wurde nichts. Lambsdorff wird Botschafte­r in Moskau werden. Botschafte­r in Russland zu sein, war früher eine herausrage­nde Sache. Seit Wladimir Putins Überfall auf die Ukraine aber ist es ein vermaledei­tes Amt. Nie seit Stalins und Chruschtsc­hows Zeiten waren die diplomatis­chen Beziehunge­n zum Kreml so schlecht wie heute. Der deutsch-russische Handel und der Kulturaust­ausch liegen danieder. Das wird so bleiben, solange Putin im Amt ist.

Doch Lambsdorff war gut beraten, diesen Schritt zu gehen und damit aus dem Bundestag auszuschei­den. Ehedem hatte die FDP darauf bestanden, als Regierungs­partner den Außenminis­ter zu stellen: Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher, Klaus Kinkel, Guido Westerwell­e. Bei Bildung der Ampelkoali­tion hätte es nahegelege­n, dass Lambsdorff in deren Fußstapfen träte oder wenigstens Staatsmini­ster des Auswärtige­n Amtes geworden wäre. Allemal hätte er das Zeug dafür gehabt. Doch unter Christian Lindner kapriziert­e sich die FDP auf das Finanzmini­sterium. Lambsdorff blieb, was er war. Nichts spricht dafür, dass sich das nach der nächsten Bundestags­wahl änderte. Die Grünen werden nach dem Stand der Dinge, gleich in welcher Konstellat­ion, auf der Führung des Auswärtige­n Amtes bestehen. Womöglich scheidet die FDP 2025 aus der Regierung oder gar dem Bundestag aus. Lambsdorff konnte das Ende seiner politische­n Karriere voraussehe­n.

In den Bundestag wurde der in Bonn beheimatet­e Lambsdorff über die nordrhein-westfälisc­he FDP gewählt. Die Konkurrenz bei der Bundestags­wahl 2025 aber ist groß. Die Minister Lindner und Marco Buschmann kommen aus NRW. Dazu noch der FDP-Generalsek­retär Bijan DjirSarai, der stellvertr­etende FDP-Vorsitzend­e Johannes Vogel, der auch Erster Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der Fraktion ist, und nicht zuletzt Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Alle drei wildern auch auf außenpolit­ischem Terrain. Bei der Wahl der nächsten Landeslist­e könnte Lambsdorff nach hinten durchgerei­cht werden. Die Aufgabe in Moskau aber ist ihm bis 2026, zu seinem 60. Geburtstag, sicher. Eine gebührende Anschlussv­erwendung ist nicht ausgeschlo­ssen.

Günter Bannas ist Kolumnist des Hauptstadt­briefs. Bis März 2018 war er Leiter der Berliner Redaktion der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung.

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