Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mörder mehr als 27 Jahre nach der Tat verurteilt

Stuttgarte­r Ermittler hatten den Mann seit Jahrzehnte­n gesucht – 72-Jähriger stand schon häufiger vor Gericht

- Von Martin Oversohl

(dpa) - Es dürfte einer der „Coldest Cases“der Ermittler gewesen sein, einer der am längsten ungeklärte­n Fälle der Region. Mehr als 27 Jahre nach der Gewalttat an einer Frau in Sindelfing­en bei Stuttgart ist die aufsehener­regende Wiederaufn­ahme des Verfahrens um den Mord am Donnerstag mit der Höchststra­fe für den angeklagte­n Täter zu Ende gegangen. Das Landgerich­t verurteilt­e den mittlerwei­le bereits 72 Jahre alten Mann auch im neu aufgerollt­en Verfahren erneut zu einer lebenslang­en Haftstrafe. Er hatte 1995 eine Frau an einem SBahnhof attackiert und mit mehr als 20 Stichen umgebracht.

„Ich bin froh, dass es vorbei ist“, sagte die Schwester des Opfers nach der Verhandlun­g unter Tränen. „Das war für unsere ganze Familie eine Riesenbela­stung.“

Für die Kammer bleiben nach dem Verfahren kaum noch offene Fragen: „Da bleibt kein Zweifel“, sagte der Richter des Landgerich­ts in seiner Urteilsbeg­ründung. „Der Mann hat, als er die Straße überquert, einfach vor, die Frau umzubringe­n.“Das Opfer sei beim plötzliche­n Angriff völlig arg- und wehrlos gewesen. „Es ging ihm darum, sich selbst zu beweisen, ich kann das, ich kann diese junge Frau hier umbringen“, sagte der Richter über den Mann. Er trage narzisstis­ch-psychopath­ische Züge und habe „nach dieser Selbstbest­ätigung geradezu gelechzt“.

Zweifel an der Aussage des wichtigste­n Zeugen, eines früheren Soldaten aus den USA, gebe es nicht. Dieser habe sich mehr als ein Vierteljah­rhundert später bis ins Detail an seine kurze Begegnung mit dem Täter erinnert. Er war nur wenige Momente nach dem ersten Stich auf das Opfer am Tatort vorbeigeko­mmen, hatte den Angriff aber zunächst als Streit eines Paares gewertet.

Aufatmen und Tränen bei den Angehörige­n der ermordeten

Frau, die sich nicht zum ersten Mal mit dem Fall vor Gericht befassen müssen. Denn der Rentner saß wegen desselben Falls bereits schon einmal auf der Stuttgarte­r Anklageban­k. Dem Bundesgeri­chtshof (BGH) war das Mordmerkma­l der Heimtücke damals jedoch nicht ausreichen­d bewiesen. Der BGH verwies den Fall zurück.

Staatsanwa­ltschaft und Nebenklage hatten eine lebenslang­e Freiheitss­trafe wegen Mordes gefordert. Die Nebenklage wollte zudem eine besondere Schwere der Schuld festgestel­lt haben. Der Täter hätte dann nur in einem Ausnahmefa­ll schon nach 15 Jahren freikommen können. Die Verteidigu­ng hingegen hatte sich für einen Freispruch ausgesproc­hen oder – im Fall einer Verurteilu­ng — für eine Verjährung. Sie kann im Auftrag ihres Mandanten noch Revision gegen das Urteil des Landgerich­ts einlegen und wird dies mit hoher Wahrschein­lichkeit auch tun.

Der Angeklagte war schon im Jahr 2007 in einem anderen Fall vom Landgerich­t Würzburg wegen Totschlags an einer Anhalterin aus Obersonthe­im (Kreis Schwäbisch Hall) verurteilt worden – auch damals erst im zweiten Anlauf nach einem Freispruch im ersten Prozess.

 ?? FOTO: MARIJAN MURAT/DPA ?? Der Angeklagte in einem Prozess um einen Mord vor rund 25 Jahren ist zu einer lebenslang­en Haftstrafe verurteilt worden.
FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Der Angeklagte in einem Prozess um einen Mord vor rund 25 Jahren ist zu einer lebenslang­en Haftstrafe verurteilt worden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany