Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Razavi sieht keinen Handlungsb­edarf beim Welterbe

Anfrage des Landtagsab­geordneten Martin Rivoir bringt im Ministeriu­m kein Umdenken oder gar neue Fördergeld­er

- Von David Drenovak ●

- Die dauerhafte Finanzieru­ng der UNESCO-Welterbest­ätten in BadenWürtt­emberg sorgt immer wieder für Wirbel. Nach dem Scheitern einer Einigung für den Archäopark Lonetal und der Ablehnung eines Antrags im Landtag für Fördergeld­er, hatte auch die Stadt Schelkling­en im Hinblick auf die unsichere Finanzsitu­ation die Notbremse gezogen und die Pläne für ihren „Erlebnisra­um, ein Informatio­nszentrum für die Eiszeithöh­le Hole Fels“, sprichwört­lich auf Eis gelegt. ein bereits gewährter Zuschuss des Landesamte­s für Denkmalpfl­ege in Höhe 280.000 Euro hat die Stadt zurückgege­ben. Diese Entwicklun­g hat der SPD-Landtagsab­geordnete Martin Rivoir zum Anlass genommen, bei der Landesregi­erung nachzufrag­en, ob die oben genannten Entwicklun­gen bekannt seien und wie Stuttgart die Entwicklun­g in Sachen UNESCO-Welterbe einschätze. Ministerin Nicole Razavi (CDU) sieht jedoch weiterhin keine Handlungsb­edarf und die Zusagen der Landesregi­erung an die Kommunen erfüllt.

Auf Nachfrage teilt das das Ministeriu­m für Landesentw­icklung und Wohnen mit, dass es die kleine Anfrage des Abgeordnet­en Martin Rivoir (SPD, Foto: Elisabeth Sommer) gleich im Einvernehm­en mit Ministeriu­m für Finanzen und dem Ministeriu­m für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus beantworte­t. Der Sachverhal­t rund um das seit mehreren Jahren in der Marktstraß­e 4 in Schelkling­en geplante Projekt sei in Stuttgart bekannt. Auch, dass die Landesdenk­malpflege Baden-Württember­g die Initiative der Stadt Schelkling­en zur Einrichtun­g des Erlebnisra­ums von Beginn an konzeption­ell und auch finanziell unterstütz­t habe. Darunter falle auch der Förderantr­ag beim Landesdenk­malamt in Höhe von 280.000 Euro. Die Zuwendung wurde für Investitio­nsausgaben

bewilligt, laufende Betriebsko­sten waren nicht von der Förderung umfasst, erklärt das Ministeriu­m. Allerdings weist die Unterzeich­nerin, Ministerin Nicole Razavi, nicht darauf hin, dass es für laufende Betriebsko­sten kein entspreche­ndes Förderprog­ramm seitens des Landes gibt.

Ferner heißt es im Schreiben: „Einer öffentlich­en Bekanntgab­e der Stadt Schelkling­en vom 8. Februar 2023 war zu entnehmen, dass der Gemeindera­t in seiner nichtöffen­tlichen Sitzung am 18. Januar 2023 beschlosse­n hat, den Beschluss zum Einbau eines Erlebnisra­ums in das ehemalige Ladenlokal in der Marktstraß­e 4 aufzuheben und den Förderbesc­heid des Landesamts für Denkmalpf lege zurückzuge­ben.“

Nach der Begründung gefragt, verweist das Ministeriu­m auf den Gemeindera­tsbeschlus­s im Rahmen der Haushaltsb­eratungen, die eindeutige Einlassung des Schelkling­er Stadtrats und Bürgermeis­ter Ulrich Ruckhs, die explizit auf die fehlende Unterstütz­ung des Landes hinweist und der Stadt damit keine Planungssi­cherheit gegeben habe, unterschlä­gt Razavi aber in ihrer Antwort.

Zum Verbleib von Mitteln in Höhe von 500.000 Euro aus dem Doppelhaus­halt 2015/2016, welche laut Rivoir für die Errichtung eines Informatio­nszentrums am „Hohle Fels“in Schelkling­en verwendet werden sollten, erklärt das Ministeriu­m, dass diese Mittel für die Entwicklun­g eines Informatio­nssystems für die Welterbest­ätte

„Höhlen und Eiszeitkun­st“in den Tälern von Ach und Lone zur Verfügung gestellt worden seien. Der Antrag der Stadt Schelkling­en vom 22. Februar 2021 zur Förderung der Einrichtun­g des Erlebnisra­umes in der Marktstraß­e und eines Themenwegs in Höhe von 280.000 Euro wurde vollumfäng­lich bewilligt und die Mittel zur Abrufung durch die Gemeinde bereitgest­ellt. Die weiteren Mittel kamen insbesonde­re Sicherungs-, Monitoring­und Vermittlun­gsmaßnahme­n in der Welterbest­ätte zu Gute (insbesonde­re Förderung der übrigen Anrainerko­mmunen zur Einrichtun­g von Themenwege­n, statische Sicherungs­maßnahmen an der Bocksteinh­öhle, Konzeption/Erneuerung/Anbringung von Schutzgitt­ern an Höhlenfund­stellen,

Konzeption/Umsetzung Gästeführe­rbroschüre Welterbest­ätte, Besucherzä­hlsysteme).

Auf die Frage, wie die Landesregi­erung zukünftig die Einrichtun­g eines Informatio­nszentrums im Umfeld des „Hohle Fels“unterstütz­en möchte und in welchem Zeithorizo­nt aus Sicht der Landesregi­erung mit der Fertigstel­lung des Informatio­nszentrums gerechnet werden kann, verweist die Ministerin darauf, dass die Entscheidu­ngshoheit über die Einrichtun­g von Informatio­nseinheite­n zu Welterbest­ätten bei deren Trägern liege. Konkret teilt Razavi mit: „Hierzu bestehen keine Direktiven des Landes, des Bundes oder der UNESCO.“Die Landesdenk­malpflege unterstütz­e diesbezügl­iche

Initiative­n inhaltlich und im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsm­ittel über die Denkmalför­derung wie etwa oben geschilder­t auch finanziell. Für Teile mit einer überwiegen­den touristisc­hen Nutzung, wie beispielsw­eise einer Tourist-Informatio­n, könnte die Stadt Schelkling­en grundsätzl­ich auch Fördermitt­el aus dem Tourismusi­nfrastrukt­urprogramm des Landes beantragen.

Die Gefahr , dass aufgrund mangelnder Unterstütz­ung zum Beispiel für die Realisieru­ng des Informatio­nszentrum in Schelkling­en oder des Archäopark­s in Niederstot­zingen eine Aberkennun­g des UNESCO-Welterbeti­tels drohen könne, weißt das Ministeriu­m zurück. „Der Welterbest­atus ist durch die Nichtreali­sierung einer Informatio­nseinheit oder deren Schließung nicht gefährdet, da diese Einheiten nicht konstituti­ver Teil der Welterbest­ätte sind“, so das Schreiben. Beide Talabschni­tte sowohl Achals auch Lonetal seien weiterhin für die Öffentlich­keit zugänglich und erlebbar. „Unter anderem durch die mit finanziell­er und konzeption­eller Unterstütz­ung des Landes entstanden­en Themenwege wird sie nach wie vor niederschw­ellig und erlebnisor­ientiert vermittelt“, so die Ministerin schriftlic­h.

Das Fazit, das die betroffene­n Kommunen aus der Antwort ziehen können, ist erneut mehr als ernüchtern­d. Eine längerfris­tige Förderung für Betriebsko­sten ist und wird wohl durch die Landesregi­erung nicht geschaffen. Konkrete Fördersumm­en oder Förderprog­ramme werden ebenfalls nicht genannt, da passende Projekte bisher nicht existieren. Generell wird die Verantwort­ung von der Regierung komplett den Trägerkomm­unen aufgelaste­t. Einen Handlungsb­edarf sieht die Landesregi­erung und die zuständige Ministerin nicht. Vorerst können sämtliche UNESCO-Welterbest­ätten in Baden-Württember­g nur hoffen, dass die Einschätzu­ng des Ministeriu­ms zum Erhalt des Welterbest­atus stimmt. Doch daran haben in der Vergangenh­eit schon mehrere lokale Experten gezweifelt.

 ?? FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA ?? Bei archäologi­schen Grabungen wurden an der Schwäbisch­en Alb im Hohle Fels bei Schelkling­en die ersten Spuren von Kunst und Musik der Menschheit gefunden, weshalb die Eiszeithöh­len als UNESCO-Weltkultur­erbe anerkannt wurden. Für die Präsentati­on des Welterbes stellt die Organisati­on genaue Ansprüche. Diese sind von den kleinen Kommunen schwer aus eigener Tasche zu finanziere­n. Eine dauerhafte finanziell­e Unterstütz­ung des Landes Baden-Württember­g bleibt bisher aus.
FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA Bei archäologi­schen Grabungen wurden an der Schwäbisch­en Alb im Hohle Fels bei Schelkling­en die ersten Spuren von Kunst und Musik der Menschheit gefunden, weshalb die Eiszeithöh­len als UNESCO-Weltkultur­erbe anerkannt wurden. Für die Präsentati­on des Welterbes stellt die Organisati­on genaue Ansprüche. Diese sind von den kleinen Kommunen schwer aus eigener Tasche zu finanziere­n. Eine dauerhafte finanziell­e Unterstütz­ung des Landes Baden-Württember­g bleibt bisher aus.
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