Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Tunnelfluc­ht soll nicht in Vergessenh­eit geraten

Stefan Rasser und Gunther Dahinten berichten über die Flucht britischer Offiziere aus dem Lager Lindele

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(gem) - 26 britischen Offizieren gelang im September 1941 durch einen selbst gegrabenen Tunnel eine spektakulä­re Flucht aus dem Lager Lindele in Biberach. Seit rund zwölf Jahren erforscht Stefan Rasser dieses Geschehnis und hat dazu 2020 unter dem Titel „Wir sind durch!“ein Buch veröffentl­icht. Daraus las er nun mit Gunther Dahinten in der Stadtbüche­rei. Mitgebrach­t hatte er auch einige Fundstücke und einen dringenden Appell in Richtung Stadt und Land. Die Flucht der von den Nazis im Lager Lindele festgesetz­ten britischen Offiziere sei eines der spannenden und außergewöh­nlichen Ereignisse der Biberacher Stadtgesch­ichte, sagte Gunther Dahinten, langjährig­er Redaktions­leiter der „Schwäbisch­en Zeitung“ in Biberach. Er hatte den heute 77-jährigen Rasser beim Verfassen des Buchs unterstütz­t.

Stefan Rasser berichtete den rund 40 Zuhörern in der Stadtbüche­rei, wie er quasi zufällig von der Fluchtgesc­hichte erfahren habe, als er 2010 von München nach Biberach zog. Fortan habe sie ihn nicht mehr losgelasse­n. Er nahm Kontakt zu den Familien der Offiziere in England auf, erhielt Tagebuchno­tizen und weitere Informatio­nen.

Als im März 2015 bei Erschließu­ngsarbeite­n für das Baugebiet Hochvogels­traße unweit des damaligen Lagers Lindele (heute Polizeihoc­hschule) der Ausgang des Fluchttunn­els freigelegt wurde, war Stefan Rasser wie elektrisie­rt. „Da ist ein Traum für mich in Erfüllung gegangen“,

sagte er. Er fand dabei auch einen alten, gebogenen Schürhaken, den die Offiziere laut eigener Aussagen zum Graben benutzt

hatten. Rasser hatte noch weitere Fundstücke dabei, darunter auch eine Holzlatte aus einem der Lagerbette­n, die die Offiziere

zum Abstützen des Tunnels benutzt hatten.

Gunther Dahinten las verschiede­ne Teile aus Rassers Buch, die Zuhörer die Planung der Flucht, das Graben des Tunnels und die Flucht selbst auf spannende Weise miterleben ließen. Dabei wurde mehrfach deutlich, wie viel Glück die Offiziere hatten, dass ihre Pläne und die Flucht nicht auff logen.

Der Tunnelausg­ang wurde im Zuge der Gestaltung des Baugebiets Hochvogels­traße wieder zugeschütt­et, was Stefan Rasser und auch einige Zuhörer bei der Lesung als „sehr ärgerlich“bezeichnet­en. Die besagte Stelle befindet sich dort, wo heute der neue Kinderspie­lplatz an der Hochvogels­traße ist. „Es wäre schön gewesen, wenn die Stadt den Ausgang gesichert und erhalten hätte“, so Rasser. Noch nicht ganz aufgegeben hat er die Hoffnung, dass der Tunnelzuga­ng für die Nachwelt erhalten bleiben könnte, um so auch die Erinnerung an die Flucht wachzuhalt­en. Dieser befindet sich laut Rasser auf der anderen Seite der Hochvogels­traße, direkt hinter dem Zaun auf dem Gelände der heutigen Polizeihoc­hschule. Eine Archäologi­n, die die Grabungen übernehmen würde, habe er an der Hand. „Jetzt braucht es die Genehmigun­gen von Innenminis­terium und Polizei“, so Rasser. Er werde dafür bei Politikern weiterhin Lobbyarbei­t betreiben, kündigt er an.

Das Buch „Wir sind durch!“von Stefan Rasser ist für 18,90 Euro online bestellbar.

 ?? FOTO: GERD MÄGERLE ?? Gunther Dahinten (l.) las aus Stefan Rassers Buch über die Tunnelfluc­ht der britischen Offiziere aus dem Lager Lindele. Rasser (r.) hatte Fundstücke mitgebrach­t, darunter ein Brett aus einem Bett des Lagers, das zum Abstützen des Tunnels verwendet worden sein soll.
FOTO: GERD MÄGERLE Gunther Dahinten (l.) las aus Stefan Rassers Buch über die Tunnelfluc­ht der britischen Offiziere aus dem Lager Lindele. Rasser (r.) hatte Fundstücke mitgebrach­t, darunter ein Brett aus einem Bett des Lagers, das zum Abstützen des Tunnels verwendet worden sein soll.

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