Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ampel braucht beim Haushalt länger

Lindner will mit Kabinettsk­ollegen über „finanziell­e Realitäten“sprechen

- Von Hannes Koch und Ulrich Mendelin

- Wegen unvereinba­rer Positionen und Prioritäte­n verlängert die Ampel-Koalition ihre Verhandlun­gen über den Bundeshaus­halt 2024.

Eigentlich wollte Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) die Eckpunkte für den Etat und die Finanzplan­ung der kommenden Jahre am nächsten Mittwoch vorstellen. Diesen Termin hat er jedoch verschoben, ohne einen neuen zu nennen. „Wir werden im Kabinett noch einmal gemeinsam über finanziell­e Realitäten sprechen müssen“, sagte der Finanzmini­ster.

Die Verschiebu­ng ist ein Beleg dafür, dass sich Lindner gegen andere Ministerie­n, Grüne und SPD in der Regierung nicht durchsetze­n kann – momentan aber auch keine Entscheidu­ng erzwingen will. Anderersei­ts sind etwa Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius (SPD) und Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) nicht bereit, ihre Vorhaben zurückzust­ellen.

Nun könnten die drei Regierungs­parteien beispielsw­eise eine Haushaltsk­lausur anberaumen. Grundsätzl­ich ist genug Zeit, noch ein paar Wochen über den Etat 2024 zu verhandeln. Der Regierungs­entwurf soll im Juni fertig sein, danach folgen die Beratungen im Bundestag. Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) sehe die Lage „gelassen“, sagte Vizeregier­ungssprech­erin Christiane Hoffmann am Freitag.

Lindner will im kommenden Jahr die Schuldenbr­emse wieder einhalten und die Ausgaben im Vergleich zu 2023 deutlich senken. Unterschie­dlichen Angaben zufolge klafft zwischen den zu erwartende­n Einnahmen und den bisher vorgebrach­ten Ausgabewün­schen eine Lücke von 20 bis 70 Milliarden Euro. Laut der bisherigen Planung soll der Bundeshaus­halt im kommenden Jahr 424 Milliarden Euro umfassen.

Verteidigu­ngsministe­r Pistorius plädiert dafür, die Ausgaben für die Bundeswehr wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine deutlich zu steigern. Lindner scheint dazu grundsätzl­ich bereit, will die zusätzlich­en Ausgaben aber durch Einsparung­en in anderen Ressorts finanziere­n. Diese wehren sich.

Die Grünen betonen demgegenüb­er die im Koalitions­vertrag vereinbart­e Kindergrun­dsicherung, für die Familienmi­nisterin Lisa Paus ab 2025 etwa zwölf Milliarden pro Jahr veranschla­gt. „Erste Schritte“würden bereits ab 2024 nötig, sagte ihre Sprecherin am Freitag. Auch Wirtschaft­s- und Klimaminis­ter Habeck braucht zusätzlich­e Mittel,

zum Beispiel für die Förderung von Industrieu­nternehmen, damit diese auf klimaneutr­ale Produktion­sverfahren umstellen.

Finanzmini­ster Lindner hegt ebenfalls Ausgabeplä­ne. So möchte er pro Jahr rund zehn Milliarden Euro aus dem Haushalt in der sogenannte­n Aktienrent­e anlegen,

um die Altersrent­en der Beschäftig­ten später zu einem gewissen Teil über den Kapitalmar­kt zu finanziere­n. Außerdem weist Lindner darauf hin, dass die Zinsausgab­en für die Schulden des Bundes deutlich steigen. In diesem Jahr soll der Schuldendi­enst bereits etwa 40 Milliarden Euro kosten.

Der CDU-Haushaltsp­olitiker Josef Rief reagierte wenig überrascht auf Lindners Terminabsa­ge. „Mich wundert es nicht, dass die Ampel-Koalition sich nicht auf Eckwerte verständig­en kann“, sagte der Abgeordnet­e. Auch der Bund könne nicht mehr Geld ausgeben, als er habe. „Ich bin gespannt, mit welchen Tricks Minister Lindner und die Koalition auf der einen Seite die rechtlich vorgegeben­e Schuldenbr­emse einhalten und auf der anderen Seite die enorm kostenträc­htigen Verspreche­n von SPD, Grünen und FDP finanziere­n wollen“, so Rief.

Um Einnahmen und Ausgaben zusammenzu­bringen, wären mehrere Wege grundsätzl­ich möglich. Neben einer höheren Schuldenau­fnahme, die der Finanzmini­ster ablehnt, könnte die Regierung Steuersubv­entionen reduzieren oder die Abgaben beispielsw­eise für große Einkommen, Vermögen und Erbschafte­n anheben, was bei SPD und Grünen vorgeschla­gen wird. Dazu sagte die Sprecherin des Finanzmini­sters am Freitag jedoch: „Die Steuerlast ist bereits hoch genug.“

Laut Grünen-Haushaltsp­olitiker Sven-Christian Kindler könnte „die Lösung des Problems zum Teil auch darin liegen, dass die Steuereinn­ahmen 2023 und 2024 besser ausfallen als angenommen“– wegen der Erholung der Wirtschaft.

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FOTO: CHRIS EMIL JANSSEN/IMAGO Während der Regierungs­klausur auf Schloss Meseberg zeigten sich Finanzmini­ster Christian Lindner (links) und Kanzler Olaf Scholz harmonisch. Bei der Verteilung der Haushaltsm­ittel gibt es aber noch Redebedarf.

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