Anleger entdecken den Rentenmarkt neu
Bei rückläufigen Börsenumsätzen ragt das Interesse an deutschen Staatsanleihen heraus
- Eher flau präsentieren sich derzeit die Umsätze an den deutschen Wertpapiermärkten. So registrierte die Deutsche Börse auf allen ihren Plattformen zusammen im Februar ein Minus von gut einem Drittel im Jahresvergleich. Und auch die Börse Stuttgart kommt mit einem Rückgang von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat kaum besser weg. Insbesondere um 40 Prozent rückläufige Aktienumsätze, aber auch Rückgänge von 25 Prozent bei Zertifikaten sind in Stuttgart für den Haupttrend verantwortlich. Doch unter all den Minuszeichen in der Umsatzstatistik fällt ein großes einsames Plus auf, das starke Zuwächse bei Anleihen signalisiert. So brilliert die Börse Stuttgart im Februar mit einem Umsatzanstieg von satten 95 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Betrachtet man die Entwicklung der ersten beiden Monate im Vorjahresvergleich, ergibt sich sogar eine glatte Verdopplung (plus 103 Prozent) des Handelsumsatzes in diesem Segment.
Ursache dieser Entwicklung sind die gestiegenen Renditen insbesondere bei deutschen Staatsanleihen, für die die Börse Stuttgart 2023 bis
Ende Februar ein Handelsvolumen von rund einer Milliarde Euro und damit ein Plus von rund 570 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum registriert hat. Kein Wunder, die „Bunds“mit zehnjähriger Laufzeit werfen inzwischen wieder eine Rendite in der Größenordnung von 2,68 Prozent ab – und genießen dennoch mit der Note „Triple-A“die unverändert beste Bonität an den globalen Märkten. Noch besser, nämlich mit 3,20 Prozent, rentieren zweijährige Bundesschätze, was auf die sogenannte
inverse Zinsstruktur zurückzuführen ist. „Eine gestiegene Rendite in Kombination mit dem TopRating lässt Bundesanleihen für viele Privatanleger wieder attraktiv erscheinen“, sagt dazu Jens Furkert, Leiter des Anleihehandels an der Börse Stuttgart.
Daneben werfen zehnjährige USBonds, also US-Staatsanleihen, eine Rendite von rund 3,96 Prozent ab. Da solche Anlagen in Dollar emittiert werden, beinhalten sie allerdings ein Währungsrisiko.
Ähnlich wie bei Staatsanleihen verhält es sich bei Unternehmensanleihen oder Corporate Bonds, die in Stuttgart per Ende Februar ein Plus von 55 Prozent aufweisen und mit einem Handelsvolumen von 1,3 Milliarden Euro sogar über dem der Bundesanleihen liegen. Darin widerspiegelt sich das wieder geweckte
Interesse von jenen Privatanlegern, die Börsianer gerne als Trüffelsucher bezeichnen, weil sie Anlagen aufspüren, die mit „Investment Grade“eine gute Bonität haben und dennoch eine passable Rendite ausweisen. So weist beispielhaft ein bis 2028 laufender Bond des Chemiekonzerns BASF, der mit einem Investment-GradeRating ausgestattet ist, eine Rendite in der Größenordnung von knapp vier Prozent auf. Problematisch ist allerdings, dass zahlreiche Corporate Bonds eine Mindestanlagesumme von 100.000 Euro aufweisen und daher für viele Privatanleger nicht erschwinglich sind.
Grundsätzlich drückt die Rendite einer Anleihe deren Effektivverzinsung aus und ist ein Maß für den Gesamterfolg einer Anleiheninvestition, der sich aus Zinskupons und möglichen Kursgewinnen zusammensetzt. Einf lussgrößen der Anleihenrendite sind die Restlaufzeit, der aktuelle Kurs beziehungsweise Kaufpreis, der Rückzahlungsbetrag und der Nominalzinssatz. Die Anleihenrendite
ist mit dem Nominalzinssatz meist nicht identisch. Beide Größen nähern sich aber aufgrund der Preisbildungsmechanismen am Rentenmarkt umso mehr an, je eher der Nominalzinssatz dem geltenden Marktzins entspricht. Liegt der Nominalzins deutlich darüber, wird ein Nachfragesog bei der zugrundeliegenden Anleihe ausgelöst, der zu steigenden Kursen und damit sinkenden Renditen führt. Entsprechend umgekehrt verhält es sich bei Nominalzinssätzen deutlich unterhalb des Marktzinses. Wenn im Kontext von Anleihen die Rede vom Rentenmarkt ist, so hat dies mit der staatlichen oder privaten Altersvorsorge nichts zu tun. Vielmehr bezieht sich der Begriff auf eine fixe Rente, also den festen Zins, den eine Geldanlage abwirft. Im Jargon der Börsianer wird der Rentenmarkt auch Bondmarket genannt. Im Gegensatz zu Bonds stellen Aktien, abhängig vom Geschäftsverlauf, eine Dividende in Aussicht, deren Höhe aber nicht von vorne herein festgelegt ist.