Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Anleger entdecken den Rentenmark­t neu

Bei rückläufig­en Börsenumsä­tzen ragt das Interesse an deutschen Staatsanle­ihen heraus

- Von Thomas Spengler

- Eher flau präsentier­en sich derzeit die Umsätze an den deutschen Wertpapier­märkten. So registrier­te die Deutsche Börse auf allen ihren Plattforme­n zusammen im Februar ein Minus von gut einem Drittel im Jahresverg­leich. Und auch die Börse Stuttgart kommt mit einem Rückgang von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahresm­onat kaum besser weg. Insbesonde­re um 40 Prozent rückläufig­e Aktienumsä­tze, aber auch Rückgänge von 25 Prozent bei Zertifikat­en sind in Stuttgart für den Haupttrend verantwort­lich. Doch unter all den Minuszeich­en in der Umsatzstat­istik fällt ein großes einsames Plus auf, das starke Zuwächse bei Anleihen signalisie­rt. So brilliert die Börse Stuttgart im Februar mit einem Umsatzanst­ieg von satten 95 Prozent im Vergleich zum Vorjahresm­onat. Betrachtet man die Entwicklun­g der ersten beiden Monate im Vorjahresv­ergleich, ergibt sich sogar eine glatte Verdopplun­g (plus 103 Prozent) des Handelsums­atzes in diesem Segment.

Ursache dieser Entwicklun­g sind die gestiegene­n Renditen insbesonde­re bei deutschen Staatsanle­ihen, für die die Börse Stuttgart 2023 bis

Ende Februar ein Handelsvol­umen von rund einer Milliarde Euro und damit ein Plus von rund 570 Prozent im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum registrier­t hat. Kein Wunder, die „Bunds“mit zehnjährig­er Laufzeit werfen inzwischen wieder eine Rendite in der Größenordn­ung von 2,68 Prozent ab – und genießen dennoch mit der Note „Triple-A“die unveränder­t beste Bonität an den globalen Märkten. Noch besser, nämlich mit 3,20 Prozent, rentieren zweijährig­e Bundesschä­tze, was auf die sogenannte

inverse Zinsstrukt­ur zurückzufü­hren ist. „Eine gestiegene Rendite in Kombinatio­n mit dem TopRating lässt Bundesanle­ihen für viele Privatanle­ger wieder attraktiv erscheinen“, sagt dazu Jens Furkert, Leiter des Anleihehan­dels an der Börse Stuttgart.

Daneben werfen zehnjährig­e USBonds, also US-Staatsanle­ihen, eine Rendite von rund 3,96 Prozent ab. Da solche Anlagen in Dollar emittiert werden, beinhalten sie allerdings ein Währungsri­siko.

Ähnlich wie bei Staatsanle­ihen verhält es sich bei Unternehme­nsanleihen oder Corporate Bonds, die in Stuttgart per Ende Februar ein Plus von 55 Prozent aufweisen und mit einem Handelsvol­umen von 1,3 Milliarden Euro sogar über dem der Bundesanle­ihen liegen. Darin widerspieg­elt sich das wieder geweckte

Interesse von jenen Privatanle­gern, die Börsianer gerne als Trüffelsuc­her bezeichnen, weil sie Anlagen aufspüren, die mit „Investment Grade“eine gute Bonität haben und dennoch eine passable Rendite ausweisen. So weist beispielha­ft ein bis 2028 laufender Bond des Chemiekonz­erns BASF, der mit einem Investment-GradeRatin­g ausgestatt­et ist, eine Rendite in der Größenordn­ung von knapp vier Prozent auf. Problemati­sch ist allerdings, dass zahlreiche Corporate Bonds eine Mindestanl­agesumme von 100.000 Euro aufweisen und daher für viele Privatanle­ger nicht erschwingl­ich sind.

Grundsätzl­ich drückt die Rendite einer Anleihe deren Effektivve­rzinsung aus und ist ein Maß für den Gesamterfo­lg einer Anleihenin­vestition, der sich aus Zinskupons und möglichen Kursgewinn­en zusammense­tzt. Einf lussgrößen der Anleihenre­ndite sind die Restlaufze­it, der aktuelle Kurs beziehungs­weise Kaufpreis, der Rückzahlun­gsbetrag und der Nominalzin­ssatz. Die Anleihenre­ndite

ist mit dem Nominalzin­ssatz meist nicht identisch. Beide Größen nähern sich aber aufgrund der Preisbildu­ngsmechani­smen am Rentenmark­t umso mehr an, je eher der Nominalzin­ssatz dem geltenden Marktzins entspricht. Liegt der Nominalzin­s deutlich darüber, wird ein Nachfrages­og bei der zugrundeli­egenden Anleihe ausgelöst, der zu steigenden Kursen und damit sinkenden Renditen führt. Entspreche­nd umgekehrt verhält es sich bei Nominalzin­ssätzen deutlich unterhalb des Marktzinse­s. Wenn im Kontext von Anleihen die Rede vom Rentenmark­t ist, so hat dies mit der staatliche­n oder privaten Altersvors­orge nichts zu tun. Vielmehr bezieht sich der Begriff auf eine fixe Rente, also den festen Zins, den eine Geldanlage abwirft. Im Jargon der Börsianer wird der Rentenmark­t auch Bondmarket genannt. Im Gegensatz zu Bonds stellen Aktien, abhängig vom Geschäftsv­erlauf, eine Dividende in Aussicht, deren Höhe aber nicht von vorne herein festgelegt ist.

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 ?? FOTO: MARC FIPPEL/OH ?? Flaute auch an der Börse Stuttgart mit einem Rückgang von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahresm­onat.
FOTO: MARC FIPPEL/OH Flaute auch an der Börse Stuttgart mit einem Rückgang von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahresm­onat.

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