Mit Atemschutz und Adrenalin
Feuerwehrmann Bastian Rodi aus Oberstadion verletzte sich bei der Brandkatastrophe in Allmendingen
- Die Videos kursierten schnell im Netz: Meterhohe Flammen und dunkler Rauch dringt aus dem Fabrikgebäude, das von Feuerwehrleuten umringt ist, Explosionen sind zu sehen und zu hören. Die Bilder lassen erahnen, in welche Gefahr sich Rettungskräfte bei einer Brandkatastrophe wie jener bei der Firma Burgmaier in Allmendingen begeben. Bastian Rodi aus Oberstadion ist einer von fünf Feuerwehrleuten, die sich bei dem Einsatz in der Nacht vom 6. auf 7. Februar verletzt haben. Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“erzählt er, unterstützt von seinem Kommandanten Jochen Steinle, wie er die Nacht erlebt hat, was ihn als junger Vater grundsätzlich bewegt, wenn der Piepser ertönt, und warum der rund zehnstündige Einsatz trotz der Dimension und seiner Verletzung nicht der schlimmste seiner jetzt sechsjährigen Aktiven-Laufbahn bei der Feuerwehr ist.
Ein Alarm zur Schlafenszeit ist für Bastian Rodi nichts Außergewöhnliches. Der 23-Jährige ist nicht nur Mitglied der Feuerwehr Oberstadion, sondern auch in Rottenacker, wo er im Bauhof arbeitet und sich daher auch der dortigen Wehr anschloss. 80 bis 90 Mal, rechnet Kommandant Jochen Steinle hoch, dürfte Rodi im vergangenen Jahr schon ausgerückt sein. „Es gab Zeiten, da ist der Melder zwei- bis dreimal pro Woche losgegangen“, bestätigt der junge Feuerwehrmann. Das ist auch kein Wunder, denn ausgeschaltet wird der Piepser so gut wie nie. „In der Regel sind unsere Leute rund um die Uhr einsatzbereit“, erklärt Steinle. „Auch im Urlaub.“Die ständige Bereitschaft ist zwar freiwillig, betont er, aber nur im Ausnahmefall schalte mal jemand sein Gerät aus.
Deshalb ist Bastian Rodi relativ gelassen, als es am 6. Februar gegen 22.30 Uhr piepst. Er liegt bereits im Bett. „Ich hab mich früh hingelegt, um jede Minute zu nutzen. Als frisch gebackener Papa bekommt man nicht so viel Schlaf“, erzählt er. Die Drohnenstaffel wird zu einem Brand bei der Firma Burgmaier in Allmendingen angefordert, erkennt er auf dem Melder. „Ich hab schnell gesehen, dass viele mitgehen, da hab ich verzichtet. Ich war zuvor oft genug dabei“, denkt er. Gut zwei Stunden später wird er aus dem Schlaf gerissen. Atemschutzalarm, immer noch Allmendingen. „Da hab ich gewusst: Jetzt gilt’s. Weil viele ja schon mit der Drohnenstaffel ausgerückt sind, braucht es jetzt jeden.“
Auch den jungen Vater. „Man ist ja in der Feuerwehr, um zu helfen, wo es geht“, sagt Bastian Rodi. Längst hat er Fotos erhalten vom Brand und erkannt: Das ist was Großes. Aus einer Stahlhalle lodern Flammen, drumherum starker Rauch. Ruckzuck steckt er im Jogginganzug, um dann im Feuerwehrhaus nur noch Hose und Jacke drüberziehen zu müssen. Dann der Abschied von Frau und Baby. „Meine Frau will mich immer gar nicht gehen lassen, weil sie Angst um mich hat“, erzählt Rodi. „Aber ich sag immer: Was soll schon passieren?“
Doch er räumt ein: „Ein mulmiges Gefühl hat man schon. Nur Angst darf man nicht haben.“Und Zeit für Sentimentalitäten hat man sowieso nicht. Die Hilfeleistungsfrist, innerhalb der ein Rettungsdienst nach dem Alarm ausrücken muss, beträgt sechs Minuten. Also: kurze Küsschen – und weg.
Drei Minuten nach dem Signal des Piepsers ist Bastian Rodi im Feuerwehrhaus, zieht Uniform, Schutzhelm und Sicherheitsschuhe an, dann geht’s los. Die Fahrt nach Allmendingen verläuft nicht reibungslos: Es schneit. „Wir mussten vorsichtig fahren und haben viel länger gebraucht als normal“, berichtet Rodi. Aber sie kommen letztlich sicher an am Brandort.
Dort schaut der Feuerwehrmann aus dem Fenster und denkt: „Wow – ganz schön am Lodern das Feuer.“Aber auch jetzt gilt: „Man darf keine Angst haben.“Das Gegenteil ist bei Bastian Rodi der Fall. „Man wird unruhig, man will endlich helfen.“Eine Dreiviertelstunde dauert es, bis der Trupp aus Oberstadion gebraucht wird. „Die Warterei war richtig übel“, sagt Rodi. Er und seine Kameraden lösen einen Teil der Feuerwehr Allmendingen ab, der seit Stunden damit beschäftigt ist, mittels „Riegelstellung“ein Übergreifen der Flammen auf die Nachbarhäuser zu verhindern. „Die haben bis dahin schon sehr gute Arbeit geleistet“, zollt Rodi seinen Allmendinger Kollegen Respekt. Nun geht es darum, diese Aufgabe nahtlos fortzusetzen und zusätzlich einen Löschkran zu unterstützen, der mit seinem Ausleger nur etwa drei Viertel der brennenden Werkshalle erreicht.
Erschwert wird der Job durch die Atemschutzmasken, ohne die ein Einsatz an dem von Rauch umgebenen
Firmengebäude nicht denkbar ist. Hinzu kommt die Kälte. „Wir hatten dauernd mit gefrorenen Schläuchen zu kämpfen, mit Kanthölzern drauf rumgeklopft, um das Eis zu brechen, manche sind aber zerplatzt“, erzählt Bastian Rodi. Bei alledem ist eines wichtig: der Eigenschutz. „Man muss immer das Brandgeschehen im Auge haben, vorausschauend handeln und darauf achten, wo könnte was passieren und wo habe ich im Notfall einen Fluchtweg. ,Vor die Lage kommen’ nennt man das im Fachjargon. Das ist ein wichtiger Teil der Ausbildung“, erklärt Kommandant Jochen Steinle. Immer wieder werden die Einsatzkräfte bei Burgmaier auch von Explosionen aufgeschreckt – bei aller Achtsamkeit bleibt ein Restrisiko.
Das bekommt Bastian Rodi am eigenen Leib zu spüren. Gegen 5 Uhr rutscht er auf gefrorenem Löschschaum aus, eine Glasscherbe bohrt sich durch seine Hose in die Wade. „Ich habe trotzdem weitergemacht, weil ich dachte: Ist nicht so schlimm. Ich wollte auch nicht so wehleidig sein als Feuerwehrmann. Bestimmt war auch Adrenalin im Spiel“, sagt der 23Jährige. Erst am Vormittag, als sich der Einsatz zu Ende neigt, schaut sich Rodi die Verletzung näher an – und erschrickt zunächst. „Der Stiefel und die Socken waren voller Blut“, erzählt er. Trotzdem sagt er zu seinen Kameraden: „Ein Pf lästerle wird reichen.“Die aber schicken ihn ins Krankenhaus nach Ehingen, wo die Wunde mit ein paar Stichen genäht wird.
Dann geht’s weiter zum Feuerwehrhaus nach Oberstadion, wo gerade auch die Kollegen eingetroffen sind und die „Nacharbeit“erledigen: Umziehen, Uniformen in die Wäsche geben, Fahrzeuge reinigen und die Ausrüstung für den nächsten Einsatz, der jeden Moment nötig sein kann, vorbereiten. Bastian Rodi darf zuschauen – denn er ist seit der Wundversorgung krankgeschrieben. Auf ihn wartet nach dem Kampf gegen Rauch und Feuer nun ein Papierkrieg. Denn jede Verletzung muss genau dokumentiert werden, damit die Feuerwehr-Unfallkasse entscheiden kann, wer die Behandlung und die Folgekosten übernimmt. „Da sind wir schon sehr gut abgesichert“, sagt Jochen Steinle.
Ob das beruhigend ist für Bastian Rodis Frau, ist eher fraglich. „Ich hab ihr erst am Abend von meiner Verletzung erzählt. Sie hätte sonst keine Ruhe gehabt“, sagt er. Für ihn selbst aber wird der Einsatz in Allmendingen irgendwann nicht viel mehr als einer von vielen sein. Nicht aufregender als jener im Dezember, als die Oberstadioner Feuerwehr im eigenen Dorf einen Garagenbrand löschte und ebenfalls das Übergreifen des Feuers auf das angrenzende Wohnhaus verhindern musste, was so gerade noch gelang. „Im Gegensatz zu unserem Einsatz in Allmendingen waren wir diejenigen, die zuerst da waren und für den Innenangriff ins Gebäude gingen“, erzählt Rodi. Viel schlimmer als das aber seien Verkehrsunfälle, in denen Verletzte oder gar Tote zu beklagen sind. „Das geht einem dann schon nahe.“
Mit der Brandnacht bei Burgmaier verknüpft Bastian Rodi letztlich sogar zwei positive Erfahrungen – die zeigen: Der Einsatz der Feuerwehr wird wertgeschätzt. „Von der Firma Burgmaier habe ich ein persönliches Geschenk und ein Dankeschön erhalten“, berichtet Rodi. „Und Allmendingens Bürgermeister Teichmann hat mir eine Postkarte mit Genesungswünschen geschickt. Das ist eine große Geste. Davor habe ich höchste Hochachtung.“