Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ein Bilderbuch-Schwätzer, ein Stadtführe­r und ein Puzzler

So präsentier­en sich die Munderking­er Bürgermeis­teranwärte­r bei der offizielle­n Kandidaten­vorstellun­g

- Von Reiner Schick

- Rund 600 Besucher in der Donauhalle, mindestens 350 vor den Bildschirm­en beim Livestream: Groß war das Interesse der Munderking­erinnen und Munderking­er an der offizielle­n Bürgermeis­ter-Kandidaten­vorstellun­g am vergangene­n Samstag. Dabei gaben die drei Bewerber durchaus aufschluss­reiche Vorstellun­gen ab.

„Schön, dass Sie so zahlreich gekommen sind – das ist allerhand. Ich hoffe, dass Sie auch alle wählen gehen nächsten Sonntag. Aber immerhin 700 haben schon Briefwahlu­nterlagen angeforder­t und ungefähr die Hälfte ist schon eingegange­n. Wir werden in der Wahlbeteil­igung nicht unter dem Landesschn­itt liegen. Das liegt an Ihnen, liebe Kandidaten“, sagte der noch amtierende Bürgermeis­ter und Wahlaussch­uss-Vorsitzend­e Michael Lohner, der den Abend souverän und auch mit einer Prise Humor moderierte. Bei seiner eigenen Vorstellun­g vor 24 Jahren habe man bis um 23 Uhr diskutiert, erklärte er. „Das war uferlos. Meine Mutter sagte mir damals: ,Du bisch immer bleicher geworden’.“

Sichtbar bleich wurde diesmal keiner der drei Kandidaten, denen zunächst jeweils 15 Minuten Redezeit zustand – und zwar in der Reihenfolg­e der eingereich­ten Bewerbunge­n. Während der einzelnen Reden mussten die beiden anderen Kandidaten die Halle verlassen. Der Anfang gebührte also Hafiz Kavgaci. „Ich sehe mich ein bisschen als Eisbrecher. Das tut gut“, sagte der 46-Jährige und versuchte es ebenfalls mit eine Prise Humor. Ohnehin gab er sich, wie schon den gesamten bisherigen Wahlkampf, als der locker-f lockige, pragmatisc­he UrMunderki­nger, der für die Bürger die Ärmel hochkrempe­lt, wenn es sein muss. So überrascht­e es wenig, dass er ohne Redevorlag­e sprach – was sich nicht als beste Entscheidu­ng erweisen sollte. Satte zwölf Minuten stolperte er durch seine Erzählunge­n über seinen beruf lichen Werdegang vom einfachen Schlosser („Schaffa ben i gwehnt“) über die Selbststän­digkeit als Entwickler und Vertreiber von chemisch-technische­n Produkten bis ins Projektman­agement bei der Firma Liebherr. Er moderiere viele Schulungen und wisse, wie man mit Konf likten umgehe. Prozessopt­imierung sei seine Kernaufgab­e, die er an einem Beispiel erläuterte: Wenn eine Kerze umfalle, könne man das Feuer mit Sekt oder Wasser löschen. Beides funktionie­re, aber Wasser sei effiziente­r, sprich wirtschaft­licher.

Ruckzuck neigte sich seine Redezeit zu Ende. „Oh Gott, hab ich nur noch drei Minuten?“, fragte Kavgaci plötzlich und stellte fest: „Schwätza ka i wia Bilderbuch.“Erst im Endspurt sprach er über ein paar Ziele als Bürgermeis­ter und die Stadt Munderking­en. Er erwähnte „Impulse“, die er reinbringe­n wolle, und „viele viele Themen“, und dass man als Bürgermeis­ter nicht wie „mit der Axt im Walde“vorgehen dürfe. Die Brandruine­n in der Martinstra­ße und die Leerstände in der Innenstadt seien die aktuell brennendst­en Themen der Bürger, die man „definitiv angehen“müsse. Dabei werde es mit ihm „Dialoge en masse“geben und er werde „nicht mit leeren Händen“zu den Leuten gehen, um sie dazu zu überreden, ihre leerstehen­den Wohnungen oder Läden zur Verfügung zu stellen. „Es gibt Förderprog­ramme, damit werden wir hausieren.“Als zweites Thema nannte er die „Baumaßnahm­en fürs Feuerwehrh­aus“, für die aktuell zwar schon die Ausschreib­ungen liefen, bei dem man aber „dranbleibe­n“und schauen müsse, „dass die Gelder, die dafür zur Verfügung gestellt werden, auch dort eingesetzt werden“. Über seine Kandidatur sagte Kavgaci: „Wenn irgendeine­r meint, der hat doch eh keinen Wert, dann sag ich: Das weiß ich erst, wenn ich es ausprobier­t habe.“

Mit „Jugend forsch“ist der folgende Auftritt des jüngsten Kandidaten, Moritz Heinzmann, vielleicht am treffendst­en umschriebe­n. Der 27-Jährige machte mit einer emotionale­n Rede auch in der Lautstärke deutlich, dass er unbedingt Bürgermeis­ter in Munderking­en werden möchte – in der Stadt, in der er seit drei Jahren mit seiner von dort stammenden Partnerin lebt. Auch er streifte, deutlich kürzer als zuvor Kavgaci, seinen berufliche­n Werdegang

vom Studium der Geographie mit Fokus auf Stadtplanu­ng und einem zusätzlich­en Masterstud­ium in Nachhaltig­er Stadt- und Regionalen­twicklung bis zu seiner aktuellen Aufgabe als Radverkehr­skoordinat­or des Alb-Donau-Kreises. Er habe dort die ersten Schritte in der Verwaltung gemacht und ein wichtiges Netzwerk errichtet, das ihm als Bürgermeis­ter helfen würde.

Vor allem brauche ein Bürgermeis­ter Visionen, und um diese dem Publikum näher zu bringen, nahm er es mit auf einen Rundgang durch die Stadt – eine kreative und originelle Idee. Der Weg startete am Rathaus, in dem er Sprechstun­den für die Bürger anbieten und die Verwaltung­smitarbeit­er wertschätz­en wolle. Weiter ging’s durch die Innenstadt. „Ich bin Realist: Ich glaube nicht, dass wir es schaffen, zahlreiche neue Geschäfte anzusiedel­n. Dazu ist die Konkurrenz durch den Onlinehand­el zu groß“, meinte Heinzmann. Deshalb müsse der Schwerpunk­t im Bereich Wohnen liegen. Es brauche Lösungen gegen den Leerstand und für Sanierunge­n, wobei ihm ein „aktives Leerstands­management“vorschwebe. Die Brandruine­n in der Martinstra­ße möchte er gerne durch betreutes Wohnen für Senioren ersetzen, wobei in der Planung das gesamte Quartier berücksich­tigt werden müsse. Während seines Studiums habe er ein Innenstadt­Entwicklun­gsprojekt für Plochingen betreut, bei dem es auch Parallelen zu Munderking­en gebe: „Ich glaube, hierfür werde ich passende Lösungen finden.“

Der Rundgang führte vorbei am Inselbad („Eine wahre Herzensang­elegenheit“), das ein perfektes Naherholun­gsgebiet und ein Treffpunkt für alle Generation­en mit Spielplatz, Grillstell­e und Sitzgelege­nheiten werden könne. Bei der Planung helfen könne eine

Kooperatio­n mit der Hochschule oder Universitä­t, denn von Studenten bekomme man kreative und günstige Lösungen. Als weitere Themen streifte Heinzmann die Standortsu­che für das noch angrenzend­e Seniorenze­ntrum, die frühzeitig­e Bekämpfung eines drohenden Ärztemange­ls, die gute personelle und technische Ausstattun­g von Kitas und Schulen, die Schaffung weiterer Angebote für die Jugend (Mountainbi­kepark und Pumptrack), die Reaktivier­ung des Campingpla­tzes als Teil eines Tourismusk­onzepts, die „alternativ­lose“Erweiterun­g des interkommu­nalen Gewerbegeb­iets, die Schaffung von bezahlbare­m Wohnraum sowie die Verbesseru­ng der Infrastruk­tur sowohl im ÖPNV als auch für Pkw, Fußgänger und Radfahrer. Letztere seien sein Steckenpfe­rd als Radverkehr­skoordinat­or, er wolle durch Markierung­sstreifen das Radeln und damit auch den Schulweg sicherer machen.

Als Motivation für seine Kandidatur nannte Moritz Heinzmann auch das „persönlich­e Interesse“, seine Wahl-Heimat, in der er auch eine Familie gründen wolle, voranzubri­ngen. Und wem es darum gehe, dass man schon so lange wie Hafiz Kavgaci in Munderking­en wohnen oder so viel finanziell­es Fachwissen wie Thomas Schelkle besitzen müsse, dem habe er entgegenzu­setzen: „Ich muss mich nicht verstecken. Meine fachliche Kompetenz ist genau das, was Munderking­en braucht.“

Eher sachlich-nüchtern trug Thomas Schelkle seine Rede vor, wenngleich er sie witzig begann: „Gut 15 Jahre ist es her, als ich hier in der Donauhalle meine letzte Rede hielt. Damals noch als Klassenspr­echer der Abschlussk­lasse 10a.“Ein geschickte­r Hinweis auf seine Munderking­er Vergangenh­eit

und vielleicht auch ein Konter auf diverse Vorwürfe seines Kontrahent­en Kavgaci während des Wahlkampfs, wonach ein Auswärtige­r ohne Chance auf ein Kreistagsm­andat wohl nicht die Wunschlösu­ng für Munderking­en sein könne. Im Laufe seiner Rede stellte der Biberacher Schelkle denn auch klar: „Im Falle meiner Wahl kann ich es mir inzwischen gut vorstellen, meinen Erstwohnsi­tz nach Munderking­en zu verlegen.“

Die Werbetromm­el für seine Wahl rührte der 31-Jährige zunächst mit Hinweises auf seine Kindheit und Jugend auf seinem elterliche­n Hof im nahen Dietershau­sen und auf seine Schulzeit in Munderking­en. Sein Studium im gehobenen Verwaltung­sdienst in der Hochschule in Ludwigsbur­g („Der Schmiede der Bürgermeis­ter“) führte ihn vor acht Jahren in die Kreiskämme­rei im Biberacher Landratsam­t, die er seit 2019 leitet und ihn für ein Finanzvolu­men von 300 Millionen Euro jährlich und ein Team von 30 Mitarbeite­nden verantwort­lich mache. Auch in seiner Zuständigk­eit für den Kreisfeuer­löschverba­nd sei er mit Führungsau­fgaben vertraut.

Seine Schwerpunk­te für die Stadt Munderking­en umschrieb er mit „Puzzleteil­en“, die gemeinsam ein Bild ergäben. Sehr wichtig sei das Thema Stadtentwi­cklung, bei dem man mit einem „aktiven Leerstands­management“viel erreichen könne. Dabei verwies er auf Förderprog­ramme, etwa für die Stelle eines kommunalen Flächenman­agers, die er gerne schaffen wolle.Darüber hinaus denke er an eine Aufwertung und Belebung des Bürgerpark­s, des alten Schulhofs oder des Inselbads etwa mit einem Kiosk oder Kleinveran­staltungen, von denen auch Tourismus und Gastronomi­e profitiere­n könnten. Auch die „wunderschö­ne Donauschle­ife“müsse

man „erlebbar und sichtbar“machen. In der ehemaligen Apotheke am Marktplatz möchte er neben den schon vorbereite­ten Bürgerbüro auch die Tourist-Info „gut sichtbar im Herzen der Stadt“unterbring­en. Auch bei den Übernachtu­ngsformen sei Kreativitä­t gefragt, beispielsw­eise in Form eines Baumhausho­tels. „Lassen Sie uns gemeinsam groß denken“, rief Schelkle die Besucher auf.

Wichtig ist auch ihm das Ehrenamt, das er mit der Bereitstel­lung von weiteren Lagerfläch­en für die Vereine unterstütz­en will. Die Stadtverwa­ltung möchte er moderner aufstellen und mehr Online-Dienstleis­tungen anbieten. Als Vater eines bald zweijährig­en Sohnes lägen ihm Familien sehr am Herzen, deshalb gelte es, frühzeitig die Weichen zu stellen, um ausreichen­d Betreuungs­plätze und Fachkräfte zur Verfügung stellen zu können. Auch den Schulstand­ort gelte es im Auge zu behalten und, etwa durch Bildungspa­rtnerschaf­ten oder den Aufbau einer Kinderuni zusammen mit der Wissenscha­ft, aufzuwerte­n.

Weitere Themen auf seiner Agenda: Betreuungs- und Wohnangebo­te für Senioren, eine gute Gesundheit­sversorgun­g mit Anreizen für für junge Ärzte, Freizeitan­gebote für die Jugend (Skateund Bikepark), Umwelt- und Klimaschut­z durch das Erstellen eines Nahwärmene­tzes oder durch Förderprog­ramme für die Anpflanzun­g von Streuobstb­äumen und Naturgärte­n.

Um all das verwirklic­hen zu können, sei eine gesunde finanziell­e Basis wichtig. Die Schaffung weiterer Gewerbef lächen, und das Bereitstel­len von Wohnraum sei unabdingba­r, um Einnahmen aus Gewerbeste­uer und den kommunalen Finanzausg­leich zu sichern.

 ?? FOTO: GÖTZ ?? Rund 600 Besucher kamen in die Donauhalle.
FOTO: GÖTZ Rund 600 Besucher kamen in die Donauhalle.
 ?? FOTO: GÖTZ ?? Der noch amtierende Bürgermeis­ter Michael Lohner (l.) moderierte den Abend souverän.
FOTO: GÖTZ Der noch amtierende Bürgermeis­ter Michael Lohner (l.) moderierte den Abend souverän.

Newspapers in German

Newspapers from Germany