Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Viele Gegentore und ein Schuldiger

Christian Streich übernimmt nach verheerend­er ersten Hälfte die Verantwort­ung – Union zieht an Freiburg vorbei

- Von Felix Alex ●

- Zurückblic­ken, analysiere­n und daraus lernen ist nicht nur im Fußball ein etablierte­s Mittel der Entwicklun­g. Doch ist Christian Streich nach der so schmerzvol­len 2:4 (0:3)-Niederlage des SC Freiburg beim 1. FC Union Berlin so gar nicht danach. Weder für den Trainer selbst noch für seine Spieler sei nun eine große Rückschau und Fehleranal­yse angesagt. „Nicht so tief. Ein bisschen, aber nicht so viel“, kündigte der 57-Jährige an und erspart damit sich und auch seinen Spielern in den kommenden Tagen das große Videostudi­um. Warum? „Damit sie nicht deprimiert sind“, sagte Streich.

Zudem wussten Kicker („zu viele Ballverlus­te“/Yannik Keitel) und auch Trainer direkt nach Abpfiff schon sehr gut, warum sie vor allem in der ersten Halbzeit an der Alten Försterei mit 0:3 unter die Räder gekommen waren. Den Hauptschul­digen dafür benannte Streich dann auch klar und direkt – sich selbst. „Ich habe einen Fehler gemacht“, sagte Streich mit Blick auf den Startelfei­nsatz von Lukas Kübler. Er habe den auf der rechten Mittelfeld­seite eingesetzt­en Kübler aufgestell­t, „obwohl der die Woche krank war“, erklärte der Übungsleit­er. „Ich habe gedacht, es ist alles ok, aber es war nichts ok.“Kübler, der in der 32. Minute durch Roland Sallai ersetzt wurde, habe während des Spiels Kreislaufp­robleme

bekommen. „Ich habe ihn aufgestell­t, das ist sehr schlecht gewesen für die Mannschaft und für uns“, so Streich: „Wir waren kräftemäßi­g einer weniger. Das war mein Fehler.“Bitter für den SC und die hochf liegenden Königsklas­sen-Ambitionen der Anhänger.

Denn so traf Kevin Behrens bereits in der 5. Minute zum 1:0 für die Berliner, der überragend­e Sheraldo Becker (36. und 38. Minute) erhöhte auf 3:0. Erst nach dem Seitenwech­sel kam der SC durch Tore von Manuel Gulde (56.) und Vincenzo Grifo (70./Foulelfmet­er) heran, ehe Aissa Laidouni (80.) den Endstand besorgte.

„Union hatte in der ersten Hälfte ordentlich Dampf drin. Sie haben die zweiten Bälle geholt. Eigentlich weiß man, wie sie spielen, aber sie sind eben effektiv und haben ihre Chancen genutzt, daher sah die erste Halbzeit so aus“, formuliert­e Keitel: „Dann sind wir rangekomme­n, haben zwei drei Chancen ausgelasse­n und das 4:2 war dann der Knackpunkt.“So einfach ist es manchmal im Fußball.

Kapitän Christian Günter, der an diesem Tag sein 300. Bundesliga­spiel für die Freiburger absolviert­e, verwies gleichzeit­ig auf die Klasse des Gegners. „Es ist hier schwer, sich Torchancen zu erarbeiten“, so der 30-Jährige, der anführte, dass sein Team auch in der ersten Halbzeit mehr Ballbesitz und mehr gewonnene Zweikämpfe aufwies als die Berliner. „Doch das hilft dir gegen Union nicht viel, weil sie auf die ein, zwei Momente lauern, bei denen man vorn den

Ball verliert, sie dann in ihr Umschaltsp­iel kommen und das eiskalt bestrafen. Dann sieht es eben so aus, als wären wir in der ersten Halbzeit chancenlos gewesen.“

Entspreche­nd war auch die Stimmung der Breisgauer, die in den Stadionkat­akomben ruhig das vorangegan­gene Spiel analysiert­en, während im Hintergrun­d gleichzeit­ig Partymusik aus der Union-Kabine wummerte – ein Sinnbild der Tabellensi­tuation.

Denn durch die herbe Niederlage beim Konkurrent­en im Kampf um die Champions League sind die Chancen der Freiburger auf die erstmalige Qualifikat­ion für den lukrativst­en der drei Europapoka­l-Wettbewerb­e massiv gesunken. Als Tabellenfü­nfter wäre der Sport-Club selbst bei maximaler eigener Ausbeute auf Ausrutsche­r der Konkurrent­en aus Leipzig und von Union Berlin angewiesen.

Die Unioner dagegen feierten nicht nur ihren Sieg im Duell der unverhofft­en Königsklas­sen-Anwärter, sondern generell weiter ihren Höhenflug. „Ich weiß, was wir heute geleistet haben: Wir haben uns für die Gruppenpha­se der Europa League qualifizie­rt. Das muss man erst einmal sacken lassen“, sagte Unions Trainer Urs Fischer einordnend. Dennoch kündigte er an: „Ich setzte mich nach der Pressekonf­erenz in meinen Stuhl und werde dieses Spiel nochmals genießen.“

Ein „Genuss“, auf den sein Kollege Streich gern verzichten wird.

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FOTO: UWE KOCH/IMAGO Die Freiburger um Ritsu Doan (vorn) wurden ausgebrems­t.

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