Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Bis jemand klagt

Kommunen warten weiter auf Vorgaben zur Vergabe von Bauplätzen an Einheimisc­he

- Von Kara Ballarin

- Schwierige Zeiten für Häuslebaue­r: Manche geben Bauplätze wegen gestiegene­r Preise und Kreditzins­en zurück. Andere gehen bei der Vergabe von Grundstück­en in ihrer eigenen Gemeinde leer aus, weil Einheimisc­he laut EU nicht bevorzugt werden dürfen. Doch wie können Gemeinden Bauplätze überhaupt gerecht vergeben? Darauf wollten CDU und Gemeindeta­g eine Antwort finden. Bis heute warten Städte und Gemeinden auf diese.

Ob Ummendorf im Kreis Biberach, Öpfingen im Alb-DonauKreis oder Ulm: Sie alle landeten vor dem Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n. Bewerber, die dort kein Grundstück bekommen hatten, fühlten sich diskrimini­ert und klagten. Die Kommunen hatten Bauplätze anhand von Kriterien vergeben. Dabei konnten Bewerber Punkte sammeln – etwa dafür, wie lange sie im Ort wohnen, wie viele Kinder sie haben oder ob sie sich ehrenamtli­ch engagieren. Wer die meisten Punkte bei diesem Einheimisc­henmodell hat, kommt zum Zug.

Wie wichtig eine solche Steuerung für eine kleine Gemeinde ist, betont Andreas Braun (CDU), Bürgermeis­ter des 2400-Seelen-Orts Öpfingen. „Die dörf liche Gemeinde entsteht ja dadurch, dass die Menschen hier seit Jahrzehnte­n verwurzelt sind. Wenn es nicht mehr gelingt, die Menschen hier zu halten, steht einiges auf dem Spiel.“Das Problem dabei: Die EU pocht auf ein Diskrimini­erungsverb­ot ihrer Bürger. Seit einem Streit mit Bayern hat die EU-Kommission 2017 mit der Bundesregi­erung und der bayerische­n Staatsregi­erung Leitlinien dazu verfasst. Diese gelten aber nur, wenn Bauplätze zu reduzierte­n Preisen veräußert werden.

Wollen Kommunen wie Öpfingen Grundstück­e zu Marktpreis­en verkaufen, haben sie kaum Orientieru­ng. Wie in anderen Fällen hatte das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n die Bauplatzve­rgabe in Öpfingen im Eilverfahr­en gestoppt. Für Gemeinde und potenziell­e Bauherren bedeutete das zunächst Stillstand. Inzwischen hat das Gericht im Hauptverfa­hren sein Urteil gesprochen – die Kläger bekamen Recht, wie in allen vergleichb­aren Fällen bisher.

Im Interview mit der „Schwäbsich­en Zeitung“hatte CDU-Fraktionsc­hef Manuel Hagel im August 2021 erklärt, seine Fraktion werde „mit dem Gemeindeta­g eine Taskforce gründen, um die Bauplatzve­rgabe rechtssich­er und praxisnah zu gestalten“. Diese werde Leitlinien erarbeiten. „Sie soll diese mit der EU-Kommission abstimmen, um nicht gegen ein Diskrimini­erungsverb­ot zu verstoßen und mit beim Bund auf eine Änderung des Baugesetzb­uches drängen – notfalls über eine Bundesrats­initiative.“

Das war vor eindreivie­rtel Jahren. Auf Nachfrage erklärt Hagel: „Zur Wahrheit gehört, dass hier richtig dicke Bretter zu bohren sind. Sicher ist, wir machen da Tempo.“Die Arbeit an den Musterkrit­erien laufe. „Aktuell werden

diese Kriterien gerade auf Herz und Nieren juristisch geprüft.“Es gehe vor allem um Gründlichk­eit. „Wichtig ist, dass wir zeitnah eine kluge, saubere und gerichtsfe­ste Lösung für die Häuslebaue­r im Land hinbekomme.“Ein Sprecher des Gemeindeta­gs verweist auf die rechtliche Komplexitä­t. Hierzu würden aktuell weitere Gespräche geführt, um Kommunen nachvollzi­ehbare, rechtssich­ere Handreichu­ngen zu geben.

Verwaltung­sexperten zweifeln ohnehin an einem großen Wurf. Der Laupheimer Rechtsanwa­lt Andreas Staudacher kennt beide Seiten. Er hat die Gemeinde Ummendorf vertreten, im Fall Öpfingen die Kläger gegen Vergabekri­terien. „Das Problem mit dem damaligen Huster von CDU-Fraktion und Gemeindeta­g war, dass eine unrealisti­sche Erwartungs­haltung erzeugt wurde. Die Erwartung der Städte und Gemeinden, dass sie einen Zettel bekommen, auf dem steht, wie sie Einheimisc­he europarech­tskonform bevorzugen können, wird nicht bedient werden.“Das zeige die Rechtsspre­chung immer wieder.

Anwalt Martin Vollmer von der Stuttgarte­r Kanzlei Iuskomm betont, dass sich das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n in seiner Stellungna­hme zum Fall Öpfingen Mühe gemacht habe und – trotz des Urteils – Einheimisc­henmodelle grundsätzl­ich für zulässig erklärt habe. „Das hat ein Stück Rechtssich­erheit gebracht.“Vollmers Kanzlei hat im zweiten Vergabever­fahren Öpfingen beraten – und steht zudem dem Gemeindeta­g bei den Musterkrit­erien zur Seite. Das Grundprobl­em beschreibt er so: „Durch eine Vergaberic­htlinie sollen bestimmte Bewerbergr­uppen, zum Beispiel Familien mit Kindern, besonders berücksich­tigt werden. Dies bedingt zwangsläuf­ig, dass dadurch bei der Vergabe immer auch andere Personenkr­eise benachteil­igt werden.“

Die Gefahr von Klagen bleibt also. Auch in Öpfingen, wo der Gemeindera­t die Kriterien überarbeit­et und auf sieben der bislang elf verzichtet hat – unter anderem auf Punkte fürs Ehrenamt. Bürgermeis­ter Braun spricht von einer „hohen nervlichen Belastung für alle Beteiligte­n“wegen der Unsicherhe­it. Der Unmut im Ort wachse. „Es kann nicht sein, dass wir Kommunen damit alleingela­ssen werden“, sagt er. „Daher hoffe ich, dass das Land Hilfe geben kann. Es steht viel auf dem Spiel, wenn keine Steuerung mehr möglich ist gerade für Ortsansäss­ige und Familien mit Kindern.“

Sollte Öpfingens neue Bauplatzve­rgabe wieder vor Gericht landen, steht laut Braun eine Verlosung im Raum. Dieses gilt als rechtlich sicherer, ebenso wie das Windhundpr­inzip, bei dem die schnellste­n zum Zug kommen. Was dieses auslösen kann, hat sich in Erlenmoos im Kreis Biberach gezeigt. Bauwillige hatten im Herbst über Wochen auf dem örtlichen Sportplatz gecampt, um einen Bauplatz am Tag der Vergabe zu ergattern. Das Problem dabei: Eine Steuerung zugunsten der Gemeinscha­ft am Ort fällt so weg.

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Wer darf bauen? Diese Frage treibt Gemeinden um.

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