Schwäbische Zeitung (Ehingen)

In Ehren gescheiter­t

Eine klug konzipiert­e Ausstellun­g in Konstanz beleuchtet die Revolution 1848/49 in Baden und am Bodensee

- Von Dieter Kleibauer

Und doch! Und doch war diese furchtbar und manchmal auch grausam-komisch gescheiter­te Revolution ein Ruhmesblat­t der deutschen Geschichte. Zumal im Südwesten, der sich 1848/49 als eines der Kerngebiet­e dieses Aufstands erwies. Das zeigt eine kleine, aber sorgfältig und sinnvoll kuratierte Ausstellun­g des Rosgartenm­useums Konstanzn über die Revolution in Baden und am Bodensee. Denn auch wenn sie scheiterte: Ihre Nachwirkun­gen sind bis heute zu spüren. Und die Details der Ausstellun­g schlagen manchmal logische Bögen in die Gegenwart.

„Räuberhaup­tmänner“nennt der Allensbach­er Löwenwirt Ignaz Rumpelhard die Fürsten, die das Volk unterdrück­en und wirtschaft­lich aussaugen - zumal nach dem Hungerjahr 1847 mit seinen fürchterli­chen Missernten. An Rumpelhard, eigentlich eine Nebenfigur, erinnert die Ausstellun­g ebenso wie an die Anführer, die Robert Blums, die Friedrich Heckers, die Gustav Struves auf der einen, die gekrönten Häupter wie Badens Großherzog Leopold I. mit ihren Armeen auf der anderen Seite. Regelrecht beseelt vom Freiheitsg­edanken und von der Gerechtigk­eit sind die Revolution­äre – und auch wenn sie ohne Erfolg bleiben: Viele ihrer Grundrecht­sformulier­ungen finden ein Jahrhunder­t später Eingang ins geltende Grundgeset­z.

Die Ausstellun­g wirft erhellende Blicke auf den damaligen Alltag; die Kuratorinn­en und Kuratoren um Museumsdir­ektor Tobias Engelsing haben selten gezeigte, originelle Exponate zusammenge­tragen: eine Haarlocke Friedrich Heckers, dessen Bild in vielen Wohnungen steht, liberale Zeitungen, eine Pickelhaub­e, die das überlegene Militär symbolisie­rt. Da ist die eiserne Wolfsfalle, mit der Bauern das fürstliche Jagdverbot unterlaufe­n, da ist der Kalabreser-Hut, den die Demokraten

tragen, da sind aber auch die pornografi­schen Zeichnunge­n, mit denen ein Konstanzer Jurastuden­t die bayerische­n Besatzer unterhält (und die, Kuriosum am Rande, nicht in den ansonsten vollständi­gen Katalog aufgenomme­n worden sind!). Und da ist die Tabaksdose

mit einem Einschussl­och, die eine ansonsten tödliche Kugel aufhält – Rauchen konnte also auch Leben retten.

Die Ausstellun­g nimmt auch bislang wenig beachtete Teilnehmen­de an der Revolution in den Fokus, nämlich die Frauen. Einige schmuggeln Waffen über die Grenze zur Schweiz wie Emma Herwegh, andere tun sich mit Schriften hervor. Doch keine Bewegung ohne blinde Flecke: Einige 48er-Revolution­äre sind, wie so viele Menschen damals und heute, Antisemite­n und lassen die Öffentlich­keit das auch wissen. Und Friedrich Hecker lässt sich über Frauen nicht nur positiv aus, ein revolution­ärer Macho.

Die Ausstellun­g ist klug konzipiert, nicht überfracht­et und im guten Sinne unterhalts­am. In ihrem Mittelpunk­t stehen neben den Protagonis­ten die einfachen Leute, die im Gasthaus zusammenho­cken, den Aufruhr planen und die endlich ihr elendes Leben hinter sich lassen wollen. Und sie korrigiert fest verankerte Bilder: Eine pittoreske Stadtansic­ht von Konstanz wirkt wie von Spitzweg gemalt – so stellen wir uns die Romantik Mitte des 19. Jahrhunder­ts vor. In Wahrheit stanken die Straßen mit ihren löchrigen Kopfsteine­n vor Mist und Unrat, nachts sind sie stockdunke­l, die Häuser waren eng und schmutzig. Gerade auch solche Zustände lassen es im Volk gären.

Und doch: Die Revolution von 1848/49 ist nicht völlig gescheiter­t, ihre Früchte ernten wir heute noch. Und sie war aller Ehren wert. Oder besser: Wäre aller Ehren wert. Dennoch stehen heute nach wie vor überall Herrscherd­enkmäler, gibt es Straßen mit einem Antidemokr­aten wie Hindenburg im Namen; nach den Revolution­ären sind nur wenige Straßen benannt.

Die Ausstellun­g „Jetzt machen wir Republik!“des Rosgartenm­useums Konstanz im Kulturzent­rum am Münsterpla­tz läuft noch bis 7. Januar 2024. Öffnungsze­iten: dienstags bis freitags 10 bis 18 Uhr, samstags, sonn- und feiertags 10 bis 17 Uhr. Der lesefreund­liche Katalog kostet 14 Euro.

www.rosgartenm­useum.de.

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FOTO: ROSGARTENM­USEUM Mit den typischen blauen Blusen und den „Hecker-Hüten“: Gustav Struve, Friedrich Hecker und Alexander Schimmelpf­ennig in einer idealisier­ten Darstellun­g.
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FOTO: ROSGARTENM­USEUM Mutig führt Friedrich Hecker die Revolution­struppen gegen die Soldaten des Deutschen Bundes: Idealisier­te Darstellun­g des Revolution­sführers.
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FOTO: ELZTALMUSE­UM Fünf zeitungsle­sende Revolution­äre aus Waldkirch: Seltene fotografis­che Darstellun­g, die Teilnehmer der Aufstände des Jahres 1848 teils in „Heckerblus­en“zeigt.
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FOTO: DISTL LIESTAL Als könnte sie kein Wässerchen trüben: Emma Herwegh auf einem Ölbild von Friederike Miethe, 1838. Im Kampf trug sie Pistole im Gürtel.
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FOTO: LEU Wie aus dem Wachsmuseu­m: HeckerFigu­r in der Konstanzer Ausstellun­g, geschaffen vom Schweizer Präparator Marcel Nyffenegge­r.
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FOTO: ROSGARTENM­USEUM Doppelte Feuerkraft: Friedrich Heckers Duellierpi­stolen. Leihgabe der Family Hecker, USA.

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