Der Grend und seine Ableger
Die einen behaupten, der Grend (hier gemeint als Kopf) komme vom Wort Grind (hier gemeint als Ausschlag, Schorf; hochdeutsch –in wird schwäbisch –en gesprochen, z.B. in Ingerkingen > en Engerkenga), althochdeutsch/mittelhochdeutsch grind, grint (Grind, Kopf).
Grind als Schorf habe zum Wort
Kopfgrind (Ausschlag auf dem Kopf) geführt. Wer mit solchem Kopfgrind befallen war, habe einen
Grindkopf gehabt, und aus letzterem Wort sei dann gekürzt Grind für Kopf hervorgegangen, schwäbisch Grend. Andere wiederum behaupten, der Grind/Grend gehöre aufgrund seiner Konsonanten/Mitlaute am Wortanfang zu jenen Wörtern der indogermanischen Sprachfamilie, die kr, cr, gr, hr usw. am Worteingang haben, z.B. griechisch akra (Spitze), Akropolis(eigentlich: Spitze der Stadt), griechisch krania (Schädel; wer chronische Schmerzen im Halbschädel, in der hemi-crania/mi-crania hat, leidet unter Migräne), franz. crâne (Schädel), grand (groß), deutsch (Hornis-) Grinde, Grendel (beim Pflug), Hirn, Horn usw., also alles Wörter, die ein Oberes, ein ObenGelagertes, Oben-Angesiedeltes, nach oben Orientiertes bezeichnen; und der Grend ist ja oben angesiedelt. Der Leser, natürlich auch die Leserin, kann und möge nun selber entscheiden, ob sein/ihr Kopf sprachlich zum Schorf und zur Schuppenflechte oder eher zur altehrwürdigen Akropolis in Bezug stehe. Das Schicksal des einst hehren, -hehr, weil wir uns intuitiv für die zweite Herkunftsmöglichkeit entschieden haben-, Grendes ist uns allen bekannt: er, der Grend, hat das Rennen gegen den Kopf mit Kopf und Kragen verloren; trotzdem unzeitgemäß: ein Klaps gegen den Kopf gilt heute als perverser Missbrauch; oina an da Grend na war einst und noch in unserer Jugend meist verdient und hat wohl kaum jemanden in seiner Entwicklung wesentlich beeinträchtigt. Nun ist für den Schwaben sein Grend immer noch ein angesehener und wertvoller Körperteil, weil für den Schwäbisch-Sprechenden, -somit für den Schwaben-, das Denken
sich seit eh und je unbezweifelt und unbestritten im Kopf/Grend vollzieht, wohingegen ein mancher Hochdeutsch-Sprechender seine Logik und sein Denkvermögen aus dem Bauch heraus holt: bei Quiz-sendungen kann konstant gehört werden: Aus dem/meinem Bauch heraus glaube ich, schließen zu können, dass …; oder: Mein Bauchgefühl sagt mir, dass….. In unserer von den Massenmedien geleiteten Spaß-Gesellschaft drängt sich dem wackren Schwaben der Eindruck auf, der Kopf, -nicht der Grend-, sei bei manchem standard-deutschsprechenden Zeitgenossen im Wesentlichen zum Fernsehen, Essen und Trinken gedacht, hingegen sein Bauch und dessen Verdauungsapparat zum Denken. Wir müssen uns also nicht sonderlich wundern, wenn das im Bauch und somit auch im Darm angesiedelte Denken sein ganz spezielles Erzeugnis produziert.
Je nachdem, wie man den Grend sieht und beurteilt, bietet er verschiedene Aspekte und Perspektiven, somit sprachlich eine Reihe von anscheinend gleichbedeutenden Bezeichnungen (Synonyma). Diese dem Alphabet nach, damit keine unnützen Eifersüchteleiungen aufkommen:
1) Dätz, Dätze, Täts, Deez, Deetze (der): Entweder wie franz. tête (Kopf) aus lat. testa (Scherbe) oder aus altpersischem tast (Becken, Untertasse), das zu arabischem tas (Schälchen) wurde, welch letzteres im Mittelalter in die romanischen Sprachen, z.B. ital. tazza (Trinkschale) gelangte, das im Frühneuhochdeutschen zu tatse/tatze wird, woraus dann einerseits die neuhochdeutsche Tasse entsteht, andererseits im 16. Jahrhundert und heute noch im Dialekt, -auch im Schwäbischen-, erhaltenes Täts, Tätse, Dätz, Dätze usw. in der Bedeutung Kopf wird.
2) Eher in der Jugendsprache: Wenn einer einen eckigen, kannisterähnlichen Kopf hat, so hat er einen Kannistergrend, ist er selber a Kannistergrend, was denjenigen, der das Wort benutzt, kühn und prompt auf die territoriale Herkunft des betreffenden Kopfträgers schließen lässt.
3) Keeks (der): Jiddisch gag (Dach) ergibt den hochdt./schwäb. Gocks (Hut, Zylinder), aber auch den
Keeks (Kopf), oft und in Anlehnung an das Gebäck auch als
Käcks ausgesprochen: ein mancher Zeitgenosse geht einem auf den Keeks/Käcks (goot oim uf da Keeks/Käcks).
Fortsetzung nächsten Samstag.