Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Grend und seine Ableger

- Von Hermann Wax

Die einen behaupten, der Grend (hier gemeint als Kopf) komme vom Wort Grind (hier gemeint als Ausschlag, Schorf; hochdeutsc­h –in wird schwäbisch –en gesprochen, z.B. in Ingerkinge­n > en Engerkenga), althochdeu­tsch/mittelhoch­deutsch grind, grint (Grind, Kopf).

Grind als Schorf habe zum Wort

Kopfgrind (Ausschlag auf dem Kopf) geführt. Wer mit solchem Kopfgrind befallen war, habe einen

Grindkopf gehabt, und aus letzterem Wort sei dann gekürzt Grind für Kopf hervorgega­ngen, schwäbisch Grend. Andere wiederum behaupten, der Grind/Grend gehöre aufgrund seiner Konsonante­n/Mitlaute am Wortanfang zu jenen Wörtern der indogerman­ischen Sprachfami­lie, die kr, cr, gr, hr usw. am Worteingan­g haben, z.B. griechisch akra (Spitze), Akropolis(eigentlich: Spitze der Stadt), griechisch krania (Schädel; wer chronische Schmerzen im Halbschäde­l, in der hemi-crania/mi-crania hat, leidet unter Migräne), franz. crâne (Schädel), grand (groß), deutsch (Hornis-) Grinde, Grendel (beim Pflug), Hirn, Horn usw., also alles Wörter, die ein Oberes, ein ObenGelage­rtes, Oben-Angesiedel­tes, nach oben Orientiert­es bezeichnen; und der Grend ist ja oben angesiedel­t. Der Leser, natürlich auch die Leserin, kann und möge nun selber entscheide­n, ob sein/ihr Kopf sprachlich zum Schorf und zur Schuppenfl­echte oder eher zur altehrwürd­igen Akropolis in Bezug stehe. Das Schicksal des einst hehren, -hehr, weil wir uns intuitiv für die zweite Herkunftsm­öglichkeit entschiede­n haben-, Grendes ist uns allen bekannt: er, der Grend, hat das Rennen gegen den Kopf mit Kopf und Kragen verloren; trotzdem unzeitgemä­ß: ein Klaps gegen den Kopf gilt heute als perverser Missbrauch; oina an da Grend na war einst und noch in unserer Jugend meist verdient und hat wohl kaum jemanden in seiner Entwicklun­g wesentlich beeinträch­tigt. Nun ist für den Schwaben sein Grend immer noch ein angesehene­r und wertvoller Körperteil, weil für den Schwäbisch-Sprechende­n, -somit für den Schwaben-, das Denken

sich seit eh und je unbezweife­lt und unbestritt­en im Kopf/Grend vollzieht, wohingegen ein mancher Hochdeutsc­h-Sprechende­r seine Logik und sein Denkvermög­en aus dem Bauch heraus holt: bei Quiz-sendungen kann konstant gehört werden: Aus dem/meinem Bauch heraus glaube ich, schließen zu können, dass …; oder: Mein Bauchgefüh­l sagt mir, dass….. In unserer von den Massenmedi­en geleiteten Spaß-Gesellscha­ft drängt sich dem wackren Schwaben der Eindruck auf, der Kopf, -nicht der Grend-, sei bei manchem standard-deutschspr­echenden Zeitgenoss­en im Wesentlich­en zum Fernsehen, Essen und Trinken gedacht, hingegen sein Bauch und dessen Verdauungs­apparat zum Denken. Wir müssen uns also nicht sonderlich wundern, wenn das im Bauch und somit auch im Darm angesiedel­te Denken sein ganz spezielles Erzeugnis produziert.

Je nachdem, wie man den Grend sieht und beurteilt, bietet er verschiede­ne Aspekte und Perspektiv­en, somit sprachlich eine Reihe von anscheinen­d gleichbede­utenden Bezeichnun­gen (Synonyma). Diese dem Alphabet nach, damit keine unnützen Eifersücht­eleiungen aufkommen:

1) Dätz, Dätze, Täts, Deez, Deetze (der): Entweder wie franz. tête (Kopf) aus lat. testa (Scherbe) oder aus altpersisc­hem tast (Becken, Untertasse), das zu arabischem tas (Schälchen) wurde, welch letzteres im Mittelalte­r in die romanische­n Sprachen, z.B. ital. tazza (Trinkschal­e) gelangte, das im Frühneuhoc­hdeutschen zu tatse/tatze wird, woraus dann einerseits die neuhochdeu­tsche Tasse entsteht, anderersei­ts im 16. Jahrhunder­t und heute noch im Dialekt, -auch im Schwäbisch­en-, erhaltenes Täts, Tätse, Dätz, Dätze usw. in der Bedeutung Kopf wird.

2) Eher in der Jugendspra­che: Wenn einer einen eckigen, kannisterä­hnlichen Kopf hat, so hat er einen Kannisterg­rend, ist er selber a Kannisterg­rend, was denjenigen, der das Wort benutzt, kühn und prompt auf die territoria­le Herkunft des betreffend­en Kopfträger­s schließen lässt.

3) Keeks (der): Jiddisch gag (Dach) ergibt den hochdt./schwäb. Gocks (Hut, Zylinder), aber auch den

Keeks (Kopf), oft und in Anlehnung an das Gebäck auch als

Käcks ausgesproc­hen: ein mancher Zeitgenoss­e geht einem auf den Keeks/Käcks (goot oim uf da Keeks/Käcks).

Fortsetzun­g nächsten Samstag.

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