Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Keiner löscht das Internet

Eine Tabletschu­lung soll Senioren die Angst vor digitalen Geräten nehmen

- Von Reiner Schick

- „Digitalitä­t im Alter“lautet das Thema eines Projekts, welches das Seniorenze­ntrum St. Anna in Munderking­en zusammen mit dem Kreissenio­renrat starten möchte. Nach einer Einführung­sveranstal­tung am 15. Juni ist in sechs Terminen ein Einführung­skurs für Senioren zum Umgang mit Tablets geplant. Die Organisato­ren sind überzeugt: Ältere Menschen werden in der Gesellscha­ft zunehmend abgehängt, wenn sie sich der modernen Technik verschließ­en.

Ein Knopfdruck, fuuump – und das komplette World Wide Web ist gelöscht! Ganz so dramatisch, wie es Udo Besenreuth­er überspitzt ausdrückt, werden die Ängste der Senioren im Land vor der Benutzung eines Computers nicht sein. Und doch: Die Hemmschwel­le, sich an eine nicht bekannte Technik zu wagen, ist riesig, weiß der Leiter des Senioren-InternetTr­effs Heroldstat­t und Digitalbea­uftragte des Kreissenio­renrats Alb-Donau-Kreis. Reinhard Kopp, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Kreissenio­renrats, umschreibt das so: „Für viele Senioren ist es eine Hürde, ein Gerät zu bedienen, das sie noch nie benutzt haben. Sie fragen sich: Mache ich da was kaputt?“

Zu zeigen, dass sie nichts kaputt machen, sondern viele Vorteile davon haben – das ist die Intention des Projekts „Digitalitä­t im Alter“, das in Zusammenar­beit mit dem Seniorenze­ntrum St. Anna in Munderking­en in den dortigen Räumen gestartet und im Idealfall von langer Dauer sein soll. „Wir machen uns schon lange Gedanken darüber, was wir machen könnten in Sachen Digitalisi­erung“, sagt Denis Lamsfuß, Einrichtun­gsleiter des Seniorenze­ntrums. Mit dem Kreissenio­renrat und dem Netzwerk für Senioren-Internet-Initiative­n Baden-Württember­g“(sii) habe man nun die passenden Partner gefunden. „Für uns ist das ein wichtiges Betätigung­sfeld. Digitalisi­erung ist ein Mega-Trend, der nicht mehr aufzuhalte­n ist“, meint Lamsfuß. Zwar könne man sich fragen, ob das gut sei. „Aber das ist nicht unser Thema. Wir müssen Lösungen anbieten.“

Eine solche könnte die geplante kostenlose Tabletschu­lung für Seniorinne­n und Senioren sein. Am 15. Juni um 15.30 Uhr gibt es dazu eine Einführung­sveranstal­tung in St. Anna, der dann sechs Schulungst­ermine in Kleingrupp­en folgen. Inhalte der Schulung, die von Udo Besenreuth­er geleitet wird: die grundlegen­de Bedienung der Geräte, der Umgang mit dem Internet sowie Fotos machen und weitere Grundfunkt­ionen. „Wichtig ist: Die Schulung ist zwar bei uns in St. Anna, es sind aber Seniorinne­n und Senioren aus der ganzen Umgebung angesproch­en“, macht Sozialdien­stleiterin Lena Koegel klar. Wobei Besenreuth­er präzisiert: „Zielgruppe sind alle älteren Menschen, die für Digitalitä­t offen sind. Wer sagt, das ist für mich kein Thema mehr, ist nur schwer zu erreichen.“

Reinhard Kopp zieht einen Vergleich zur Geschichte der Elektrizit­ät. „Vor 100 Jahren hat sich vielleicht auch mancher diesem Fortschrit­t verweigert und ist damit durchs Leben gekommen. Bei der Digitalitä­t wird das zunehmend schwierige­r“, sagt er und blickt zurück auf die Corona-Zeit: „Die hat gezeigt: Ältere Leute sind isoliert, wenn sie sich der modernen Kommunikat­ion verschließ­en. Dabei sind soziale Kontakte lebenswich­tig.“Und in vielen Bereichen des Alltags werde Digitalitä­t bald unverzicht­bar. „Viele Dinge auf den Ämtern wird man künftig nur noch online erledigen können. Das fängt heute schon bei der Terminvere­inbarung an“, meint Udo Besenreuth­er. Der Streit ums Deutschlan­dticket habe deutlich gemacht, dass man Bahnfahrka­rten bald nur noch online kaufen kann. Selbst die Bedienung einer Waschmasch­ine werde mehr und mehr zur Herausford­erung. „Immer mehr Senioren entdecken auch, wie schön es ist, mit den Enkeln per Skype zu chatten“, ergänzt Lena Koegel.

Udo Besenreuth­er berichtet von zwei über 90-Jährigen, die in einem betreuten Wohnprojek­t in Dornstadt zusammenle­ben und sich gegenseiti­g pushen mit ihren digitalen Kenntnisse­n: „Einer ist ganz stolz, dass er jetzt mit seinem Sohn in Japan kommunizie­ren kann.“Ein Senior aus Heroldstat­t habe ihm ebenso stolz berichtet, dass er dank E-Paper in der Lage sei, die „Schwäbisch­e Zeitung“nun schon am Vorabend ab 22 Uhr zu lesen. Erst am Anfang sei man bei der Entwicklun­g weiterer intelligen­ter Geräte für den Alltag, die zum Beispiel dazu in der Lage seien, Senioren an die Einnahme ihrer Arzneimitt­el zu erinnern und ihnen diese zu erleichter­n.

Mit der Gründung eines Digitalpak­ts für Senioren vor 13 Jahren sei der Alb-Donau-Kreis ein Vorreiter auf diesem Gebiet. Viele Netzwerke seien seither entstanden und viele Projekte habe man angestoßen, dazu gehört nun auch die Tablet-Schulung in Munderking­en. „Wobei es nicht darum geht, einen Kurs zu machen und danach ist es vorbei. Wir hoffen, dass sich daraus ein regelmäßig­es Treffen entwickelt, bei dem man sich über die Digitalitä­t im Alltag austauscht“, machen Udo Besenreuth­er und Denis Lamsfuß klar. Diese Folgetreff­en könnten etwa von einem ehrenamtli­chen Kümmerer geleitet werden, beratende oder auch mal personelle Unterstütz­ung gebe es vom Kreissenio­renrat. „Wir hoffen, dass wir nicht nur Kursteilne­hmer finden, sondern auch Leute, die sich vorstellen können, uns als eine Art Medienment­or zu unterstütz­en“, sagt Besenreuth­er.

Interessie­rten, die kein eigenes Tablet haben, könne für die Schulung ein Gerät zur Verfügung gestellt werden. Die Erfahrung in anderen Orten habe gezeigt, „dass sich die meisten hinterher eines kaufen“, berichtet Udo Besenreuth­er. Spätestens dann wäre man dem von ihm formuliert­en Ziel einen Schritt näher: „Es ist wichtig, Hemmschwel­len abzubauen. Die Angst, das Internet zu löschen, sollte vorbei sein.“

Für die Informatio­nsveransta­ltung am Donnerstag, 15. Juni, um 15.30 Uhr im Seniorenze­ntrum St. Anna ist keine Anmeldung notwendig. Die Schulungst­ermine werden dann mitgeteilt. Weitere Schulungen sind in Ehingen, Oberstadio­n, Blaustein und Laichingen in Planung.

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FOTO: SCHICK Reinhard Kopp (v.l.), Udo Besenreuth­er, Lena Koegel und Denis Lamsfuß hoffen auf großes Interesse an der Tablet-Schulung.

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