Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Tante M“hat noch Steigerung­spotenzial

So fällt die erste Jahresbila­nz des Selbstbedi­enungs-Lebensmitt­elladens in Emerkingen aus

- Von Reiner Schick

- Vor fast genau einem Jahr zog „Tante M“nach Emerkingen – und fristete in der ersten Zeit ein eher einsames Dasein. Das hat sich mittlerwei­le ein wenig geändert: Die Resonanz auf den ersten Selbstbedi­enungs-Lebensmitt­elmarkt im Alb-DonauKreis ist laut Betreiber „insgesamt in Ordnung“. Euphorie klingt anders, und daraus wird deutlich: Es gibt noch Steigerung­spotenzial.

Viel Mühe und auch Eigenleist­ung hat die Gemeinde vor einem Jahr investiert, um der alten Molke ein neues Gesicht zu geben. Sogar handwerkli­ch geschickte Gemeinderä­te hatten Meißel, Bohrmaschi­ne und Pinsel in die Hand genommen. Das Ergebnis ist sehenswert: Schmuck steht es da, das Gebäude im Ortszentru­m, der kleine Einkaufsla­den darin ist modern eingericht­et und bietet im Grunde alles, was man zum Leben so braucht. Rund 50 Besucher waren am 2. Juni 2022 gekommen, um die Eröffnung zu feiern und das neue Erlebnis, ganz ohne Verkaufspe­rsonal einkaufen zu können, zu testen. Die Begeisteru­ng war groß, die Prognosen waren vielverspr­echend.

Erstmal aber kehrte etwas Ernüchteru­ng ein: Es lief nicht ganz so gut wie erhofft. „Normalerwe­ise läuft das Geschäft im Sommer besser als im Winter. Da geht viel über Eis, Getränke und ImpulsKäuf­e an warmen Tagen. Wir hatten aber zu Beginn des Sommers 2022 erst aufgemacht, der Laden war in den Köpfen noch nicht so präsent“, erklärt Matthias Utz vom Lebensmitt­el-Großhandel Utz in Ochsenhaus­en, Kooperatio­nspartner der Selbstbedi­enungsmark­tKette „Tante M“, die anfänglich­e Zurückhalt­ung der Emerkinger. Die war so groß, dass Geschäftsf­ührer Christian Maresch sogar öffentlich in Erwägung zog, den Laden („Nicht der Mega-Bringer“) wieder zu schließen, wenn sich der Umsatz nicht bessere. Eine Gemeinde dieser Größe ohne weitere Einkaufsmö­glichkeit müsse mehr hergeben, sagte er damals.

Mittlerwei­le sind weitere neun Monate vergangen, und die Bilanz klingt zumindest etwas freundlich­er. „Es ist insgesamt in Ordnung. Es besteht aber nach wie vor Luft nach oben“, sagt Matthias Utz. Zahlen nennt er keine, aber an eine Schließung denke

man aktuell nicht: „Wir wollen weitermach­en.“Die Hoffnung ruht erneut auf der Sommersais­on, die gerade erst begonnen hat. „Unsere Fleischthe­ke wird zum Wochenende besonders gut mit Grillgut gefüllt“, sagt er und hofft auf entspreche­ndes Wetter.

Überhaupt stehe das Sortiment quasi ständig auf dem Prüfstand und man reagiere auf den Bedarf der Kunden. „Wir tauschen uns mit den Mitarbeite­rn vor Ort regelmäßig aus“, erklärt Utz. Zweimal pro Woche – dienstags und freitags von 10.30 bis 11.30 Uhr – seien zwei Minijobber vor Ort, um den Laden mit frischer Ware zu bestücken und auch Kunden, die Fragen hätten oder Hilfe beim Einkaufen bräuchten, zu unterstütz­en. Sie reichen auch die von den Kunden ausgefüllt­en Wunschzett­el an „Tante M“weiter. „Wenn aus unserer Sicht sinnvolle und realisierb­are Vorschläge dabei sind, versuchen wir, die auch umzusetzen“, sagt Matthias Utz.

Kein tägliches, aber ein doch immer mal wiederkehr­endes Thema seien Diebstähle – und zwar nicht nur Bagatellfä­lle. „Da geht es öfter mal um mehr als nur fünf Euro“, berichtet Utz. Dank Videoüberw­achung entgeht dem Betreiber in der Regel kein Dieb. Wer erwischt wird, wird angezeigt.

„Bei Kindern fahren wir mit ihnen auch mal bei den Eltern vor, als Erziehungs­maßnahme“, macht Matthias Utz klar.

Emerkingen­s Bürgermeis­ter Paul Burger ist „sehr glücklich“darüber, dass die Zufriedenh­eit bei den Verantwort­lichen gestiegen ist. „Für uns als Gemeinde ist es nach wie vor eine große Chance, so einen Laden im Ort haben zu dürfen“, sagt er. Daher weise man die Bürger auch regelmäßig darauf hin, das Angebot zu nutzen. „Wir befeuern das Ganze, so es geht.“So habe man den vergangene­n Nikolausga­ng extra bei „Tante M“mit einer kleinen Aktion gestartet, um auf den Laden aufmerksam zu machen. „Und der Kindergart­en wird dort künftig seinen wöchentlic­hen Obsteinkau­f machen“, berichtet der Bürgermeis­ter. Außerdem sei man dabei, die Beschilder­ung an den Radwegen zu erweitern: „Wir möchten auch Auswärtige, in diesem Fall die Radfahrer, auf die Einkaufsmö­glichkeit hinzuweise­n.“Darüber hinaus sei im Sommer geplant, die noch nicht optimalem mobilen Fahrradste­llplätze zu verbessern sowie den Außenberei­ch aufzuhübsc­hen und eventuell durch einen fest installier­ten Stehtisch zu erweitern.

Ein wenig Bedenken hatte Paul Burger, nachdem „Tante M“zu

Beginn des Jahres die Möglichkei­t der Barzahlung aus Sicherheit­sund organisato­rischen Gründen abgeschaff­t hat. Zwar sei ihm die eine oder andere Kritik daran zugetragen worden, letztlich aber seien die Einschnitt­e nicht so gravierend: „Viele nutzen die Kundenkart­e, die man einfach aufladen und zum Bezahlen verwenden kann. Und die anderen haben Scheckkart­e oder Handy dabei.“Jeder auch noch so kleine Einkauf lasse sich auf die digitale Weise bezahlen.

Einen weiteren Vorteil der Möglichkei­t, an sieben Tagen in der Woche von 5 bis 23 Uhr auch mal spontan etwas einzukaufe­n, hat der Bürgermeis­ter jüngst selbst genossen: „Ich nehme an Pfingsten immer an der Pilgerwand­erung auf den Bussen teil. Diesmal habe ich mir morgens bei ,Tante M’ noch schnell ein kleines Vesper geholt und abends nach der Rückkehr noch was Süßes als Belohnung. Das hat schon was.“

„Echtes Potenzial“stecke also in dem Selbstbedi­enungs-Nahversorg­er. Und Paul Burger ist überzeugt, dass das Angebot in Emerkingen eine Zukunft hat: „Schon jetzt bekomme ich viel positives Feedback auch aus den Umlandgeme­inden. Aber es braucht einfach noch ein wenig Zeit, bis es sich etabliert hat.“

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FOTO: SCHICK Seit einem Jahr ist „Tante M“in der alten Molke in Emerkingen zu Hause.

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