Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Tödlicher Wurf mit der Lachgaskar­tusche

Verdacht richtet sich gegen einen 13-Jährigen – Seniorin stirbt nach Vorfall in Karlsruhe

- Von Stefanie Järkel

(dpa) - Ein 13-Jähriger soll eine Lachgaskar­tusche aus dem 14. Stock eines Hochhauses in Karlsruhe geworfen haben – wodurch eine 75-jährige Seniorin erschlagen worden sein soll. Der Tatverdäch­tige ist aufgrund seines Alters strafunmün­dig. Was droht dem Kind nun? Und was macht der Konsum von Lachgas mit Jugendlich­en?

Wie ist der Stand der Ermittlung­en?

Der 13-Jährige soll am Samstag gemeinsam mit zwei 15-Jährigen – ein Junge und ein Mädchen – auf einem balkonähnl­ichen Gebäudetei­l eines Hochhauses Lachgas konsumiert haben. Der 13Jährige soll dann die Kartusche aus Metall über die Brüstung geworfen haben. Eine 75-Jährige, die sich zu diesem Zeitpunkt neben dem Gebäude befand, wurde demnach von der Kartusche am Kopf getroffen. Die Kartusche sei zwar nicht sehr groß gewesen – rund 1400 Gramm schwer und etwa 30 Zentimeter lang. Aus so großer Höhe erreiche aber auch ein kleinerer Gegenstand eine beträchtli­che Geschwindi­gkeit. Die Frau erlag noch am Ort des Geschehens ihren Verletzung­en.

Wie kamen die Ermittler auf den 13-Jährigen?

Das 15-jährige Mädchen hatte sich nach dem tödlichen Vorfall als Zeugin gemeldet. Zuvor hatten bereits andere Zeugen auf mehrere Kinder oder Jugendlich­e hingewiese­n, die sich in verdächtig­er Weise in dem Hochhaus aufgehalte­n haben sollen, wie die Polizei mitteilte.

Welche Fragen sind aktuell noch offen?

Unklar ist, ob der 13-Jährige die Kartusche bewusst auf die Seniorin geworfen hat. Am Mittwoch gab es zunächst keine neuen Erkenntnis­se dazu, wie die Staatsanwa­ltschaft Karlsruhe mitteilte. Die Ermittler gehen nach eigenen Aussagen auch im Moment weiterhin davon aus, dass der 13-Jährige – der aufgrund seines Alters strafunmün­dig ist – und nicht einer der beiden 15-jährigen Jugendlich­en die Kartusche geworfen hat.

Was passiert jetzt mit dem tatverdäch­tigen Kind?

„Das Kind befindet sich derzeit in stationäre­r Obhut“, teilte die Stadt Karlsruhe mit. „Eine weitere Fremdgefäh­rdung ist damit ausgeschlo­ssen.“Mit der Familie des Kindes stand die Sozial- und Jugendbehö­rde demnach bereits vor dem tödlichen Vorfall in Kontakt. Es habe „sozialpäda­gogische Maßnahmen“gegeben. Details dazu nannte die Stadt nicht. Auch jetzt soll es darum gehen, geeignete sozialpäda­gogische Maßnah

men auch in Absprache etwa mit den Eltern zu finden.

Was löst der Konsum von Lachgas eigentlich aus?

Lachgas (Disticksto­ffoxid) wird in der Medizin und in der Industrie genutzt und findet sich zum Beispiel in gängigen Kapseln für Sahnespend­er. Beim Inhalieren — etwa direkt aus Kapseln oder aus Luftballon­s — tritt ein kurzer Rausch ein.

Ist der Konsum von Lachgas verboten?

Der Verkauf und Konsum von Lachgas ist nicht verboten. Der Konsum ist allerdings laut Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung nicht ungefährli­ch. Bei häufigem Konsum könnten die inneren Organe und das Nervensyst­em Schaden nehmen. Bei einem zu hohen Anteil in der Atemluft drohe Bewusstlos­igkeit. Und beim Konsum direkt aus der Kartusche etwa könne die Lippe festfriere­n, heißt es auf der Internetse­ite drugcom.de.

Wie verbreitet ist der Konsum von Lachgas unter Jugendlich­en?

Eine Studie der Goethe-Universitä­t zu Drogentren­ds Jugendlich­er in Frankfurt stellte Anfang 2023 einen Anstieg bei der Nutzung von Lachgas auf einen Höchstwert fest. 13 Prozent der Jugendlich­en hatten demnach Lachgas – ursprüngli­ch eine Partydroge in der Technoszen­e – probiert. Nach Worten des Karlsruher Polizeispr­echers habe man vor allem im Spätsommer vergangene­n Jahres häufiger Meldungen zu Minderjähr­igen bekommen, die das betäubende Gas im Freien konsumiert­en. Seitdem ist es nach Angaben der Wissenscha­ftler wieder weniger geworden.

Kinder unter 14 Jahren sind strafunmün­dig in Deutschlan­d. Wird das auch in Zukunft so bleiben?

Wenn Kinder in Deutschlan­d Straftaten begehen, müssen sie sich bislang erst ab 14 Jahren verantwort­en. Die Justizmini­sterkonfer­enz soll sich nach dem Willen der baden-württember­gischen Ressortche­fin Marion Gentges (CDU) Anfang Juni mit der Strafmündi­gkeit befassen. In den vergangene­n Jahren sei die Kriminalit­ät unter Kindern erheblich gestiegen, hatte Gentges kürzlich gewarnt. Auch Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hat sich für eine Überprüfun­g der gesetzlich­en Strafmündi­gkeit ab 14 Jahren ausgesproc­hen. In erster Linie müsse man die Ursachen für den Anstieg tatverdäch­tiger Kinder und Jugendlich­er erforschen. Man solle wissenscha­ftlich klären, ob sich der Reifungspr­ozess und damit die Entwicklun­g der Einsichts- und Steuerungs­fähigkeit bei der heutigen Generation geändert habe.

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FOTO: GUIDO SCHIEFER/IMAGO Drin ist Disticksto­ffmonoxid, außen eine Metallhüll­e: So sehen handelsübl­iche Lachgaskar­tuschen aus.

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