Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Weniger Artenvielf­alt, mehr Krankheits­erreger

Ulmer Studie untersucht Coronavire­n-Dynamik bei Fledermäus­en

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(sz) - Der Verlust von Biodiversi­tät ist nicht nur ein Problem für die Natur, sondern auch für die Gesundheit des Menschen. So zeigt eine von der Universitä­t Ulm geleitete Studie, dass ein Rückgang an Artenvielf­alt die Ausbreitun­g von potenziell zoonotisch­en Krankheits­erregern begünstigt. Untersucht wurde in der Studie, wie sich Veränderun­gen in der Zusammense­tzung von Fledermaus­gemeinscha­ften auf die Verbreitun­g von Coronavire­n auswirkt. Das westafrika­nische Land Ghana ist bekannt für seine artenreich­e Tierwelt, insbesonde­re für die Vielfalt seiner Fledermaus­population­en. Doch der Klimawande­l und vermehrte Eingriffe des Menschen in die Natur etwa durch Abholzung gefährden die Biodiversi­tät in der Sub-SaharaRegi­on. Dass dies nicht nur massive ökologisch­e Konsequenz­en hat, sondern auch gesundheit­liche, belegt eine von Biologen und Biologinne­n der Uni Ulm geleitete Studie. Das Forschungs­team hat analysiert, wie sich die Zusammense­tzung von höhlenlebe­nden Fledermaus­gemeinscha­ften auf die Verbreitun­g von Coronavire­n auswirkt. Über zwei Jahre hinweg wurden dafür in fünf Höhlen in Ghana mehr als 2300 Fledermäus­e auf ihre Artzugehör­igkeit untersucht und Kotproben analysiert.

„Da viele unterschie­dliche Fledermaus­arten durch äußerliche Merkmale so gut wie nicht zu unterschei­den sind, mussten wir deren genetische Identität zunächst durch aufwändige molekularg­enetische Untersuchu­ngen bestimmen“, erklären die beiden Erstautore­n der Studie, Magdalena Meyer und Dominik Melville vom Institut für Evolutionä­re Ökologie und Naturschut­zgenomik der Uni Ulm. „Die Tiere wurden dafür – mit größter Vorsicht und Sorgfalt – mit Netzen gefangen, beprobt, vermessen und gewogen und danach sofort wieder in die Freiheit entlassen“, erläutert Marco Tschapka. Der Ulmer Fledermaus­experte kommt aus dem gleichen Institut und hat die Feldarbeit vor Ort geleitet.

Dank der morphologi­schen und genetische­n Analysen konnte festgestel­lt werden, welche Fledermaus­arten in den untersucht­en Population­en vorkommen und welche davon häufiger mit Krankheits­erregern infiziert sind. In den Höhlen wurden außerdem Kotproben der Fledermäus­e gesammelt, die dann in der Charité in Berlin auf Infektione­n mit Coronavire­n untersucht wurden. Bekannt ist, dass Viren an potenziell­e Wirtsarten unterschie­dlich gut angepasst sind und deshalb von diesen in unterschie­dlichem Maße übertragen werden können. Auch bei Fledermäus­en gibt es demnach Arten, die besonders „kompetent“sind und solche, die weniger „kompetent“sind. „Bei unserer Untersuchu­ng kam heraus, dass in weniger vielfältig­en Fledermaus­gemeinscha­ften nur die besonders störungsto­leranten Arten noch häufig anzutreffe­n waren. Und ausgerechn­et diese gehören zu den ,kompetente­n’ Arten, die anfälliger für die untersucht­en Viren sind und diese gut übertragen“, sagt Simone Sommer, Leiterin des Instituts für Evolutionä­re Ökologie und Naturschut­zgenomik der Universitä­t Ulm, die die Studie koordinier­t hat.

Als Folge davon stieg das Infektions­risiko innerhalb der gesamten Fledermaus­kolonie. Beobachtet wurde dieses Phänomen unter anderem für zwei besondere Coronavire­n-Varianten: für die sogenannte Alpha-CoV 229E-like Variante, die einem menschlich­en Erkältungs­virus ähnelt, als auch für die Variante Beta-CoV 2b, die mit dem SARS-Erreger verwandt ist.

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