Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Führersche­in weg wegen Vergehens auf E-Scooter

Richter muss entscheide­n, ob auf einem E-Tretroller strengere Regeln gelten als auf dem E-Bike

- Von Dominik Prandl

- Einem 48-Jährigen aus dem Raum Munderking­en wurde der Führersche­in entzogen, weil er sich nach dem Genuss von vier bis fünf Bier mit dem E-Scooter auf den Nachhausew­eg machte und dabei erwischt wurde. Er legte Einspruch ein, denn sein Anwalt argumentie­rt, dass ein E-Scooter mit einer Maximalges­chwindigke­it von 20 km/h eher einem Fahrrad beziehungs­weise E-Bike gleichzuse­tzen ist als einem Kraftfahrz­eug. Und auf einem Fahrrad hätte er mit seinem Alkoholpeg­el gar nicht als fahruntüch­tig gegolten. Ist der Einzug des Lappens also ungerecht? „Mein Mandant ist unschuldig und nicht zu bestrafen“, erklärte der Anwalt vor dem Ehinger Amtsgerich­t. Zu welchem Urteil würde wohl Richter Wolfgang Lampa kommen?

Es war im Herbst vergangene­n Jahres, dass der Angeklagte nach eigener Aussage in einer Gaststätte vier, fünf Bier getrunken hatte, bevor er sich mit dem E-Scooter gegen 23.15 Uhr auf den etwa ein Kilometer langen Heimweg machte. Dabei kreuzte er sofort eine Polizeistr­eife, die ihn kontrollie­rte und einen Alkoholtes­t machte, weil er stark nach Alkohol roch. Eine Blutprobe ergab eine Alkoholkon­zentration von 1,57 Promille.

Der Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft lautet: fahrlässig­e Trunkenhei­t im Verkehr. Der Führersche­in wurde dem Angeklagte­n entzogen. „Müde“habe er sich bei der Heimfahrt lediglich gefühlt, erklärte der 48-Jährige vor Gericht. Die Polizistin, die ihn kontrollie­rte, gab an, dass er normal gesprochen habe und „man konnte auch keine motorische­n Ausfälle wahrnehmen“. Viel Verkehr habe es zu dieser Zeit im Ort auch nicht gegeben.

Die Staatsanwa­ltschaft blieb dennoch bei ihrer Forderung: 25 Tagessätze à 64 Euro, ein Fahrverbot für drei Monate, der Entzug der Fahrerlaub­nis sowie eine Führersche­insperre für sechs Monate. Die Verteidigu­ng plädierte dafür, den E-Scooter mit Pedelecs beziehungs­weise E-Bikes gleichzuse­tzen

und nicht mit Kraftfahrz­eugen. Während der Scooter des Angeklagte­n maximal 20 Stundenkil­ometer fahren kann, würden Pedelecs es auf Geschwindi­gkeiten von 25 bis 27 km/h bringen. Wie genau ein E-Scooter einzustufe­n sei, dazu gebe es bisher „noch keine höchstrich­terliche Entscheidu­ng“, erklärte der Anwalt, deshalb sei der Fall „in rechtliche­r Hinsicht sehr spannend“.

Werde der E-Scooter wie ein Fahrrad beurteilt, gelte ein Grenzwert von 1,6 Promille, ab dem man als absolut fahruntüch­tig gilt, „es liegt also gar keine Strafbarke­it vor“. Nur wenn man den Scooter wie einen PKW behandelt, liege die Grenze bei 1,1 Promille. Bei der Trunkenhei­tsfahrt mit dem Auto sei die Gefahr für sich und alle anderen aber auch viel größer.

Der Anwalt plädierte dafür, den E-Scooter nicht als Kraftfahrz­eug, sondern nur als ein Elektrokle­instfahrze­ug einzustufe­n, und dann stelle sich die Frage, ob der Angeklagte nach dem Vorfall wirklich als ungeeignet angesehen werden könne, ein Kfz zu führen. „Ich meine nein“, betonte der Anwalt. Deshalb sei sein Mandant nicht zu bestrafen.

Richter Lampa ließ sich lange Zeit zur Urteilsfin­dung, aber folgte letztlich fast vollständi­g der

Staatsanwa­ltschaft. Lediglich von einem Fahrverbot, zusätzlich zum Führersche­inentzug, sah der Richter ab, auch weil es zu einer Ungleichbe­handlung führen würde: Das Verbot erstreckt sich für den Angeklagte­n nämlich auf alle Fahrzeuge, also auch auf den EScooter. Ein Autofahrer, dem der Führersche­in entzogen wird, könne hingegen munter mit einem EScooter weiterfahr­en.

Der Gesetzgebe­r gebe klar vor, dass E-Scooter als Kraftfahrz­euge gelten, da sie „durch Maschinenk­raft bewegt werden“, begründete der Richter sein Urteil. Fahrräder – auch E-Bikes – hingegen werden durch Muskelkraf­t bewegt, der Elektromot­or hat lediglich eine unterstütz­ende Funktion. E-Bikes fahren nur, wenn man in die Pedale tritt, beim E-Scooter müsse man hingegen einfach Gas geben – wie beim Auto.

Um einer weit verbreitet­en Meinung entgegenzu­treten, betonte der Richter: „Ein E-Scooter ist kein Spielzeug, mit dem man durch die Gegend rutscht.“Daher sei ein Führersche­inentzug bei solch einer Trunkenhei­tsfahrt nur konsequent, denn klar sei auch: Mit dem Besitz eines Führersche­in gehe eine gewisse Verantwort­ung einher. Der Angeklagte hat eine Woche Zeit, in Berufung oder Revision zu gehen.

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Wegen einer Trunkenhei­tsfahrt auf dem E-Scooter musste Richter Wolfgang Lampa ein Urteil fallen. Die Rechtsprec­hung auf diesem Feld wirft noch Fragen auf.

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