Wo sich Asbest überall versteckt
Durch die Sanierung älterer Häuser steigt das Risiko, dass Asbest freigesetzt wird – Betroffen sind rund ein Viertel aller Häuser, die vor 1993 gebaut wurden
Endlich hat es geklappt mit dem Kauf eines Hauses. Gut, es ist etwas in die Jahre gekommen. Aber unmoderne Fliesen, störende Wände und alte Wasserleitungen lassen sich ja entfernen – vieles davon sogar in Eigenleistung. Was den meisten privaten Haussanierern nicht bewusst ist: Sie setzen sich dabei eventuell einem großen gesundheitlichen Risiko aus.
„In etwa 25 Prozent aller in Deutschland vor 1993 errichteten Gebäuden wurden asbesthaltige Putze, Spachtelmassen und Fliesenkleber verbaut“, sagt Dirk Zickmantel, der im Umweltschutzamt des Landratsamtes Bodenseekreis arbeitet. Durch eine in diesen Gebäuden anstehende Sanierungswelle, welche zusätzlich durch gesetzliche Vorgaben wie das Gebäudeenergiegesetz und die angestrebten Emissionsminderungsziele der EU getrieben wird, steigt das Risiko, dass sich der Schadstoff Asbest freisetzen kann.
Gleichzeitig fehlt das Bewusstsein in der Bevölkerung für einen richtigen Umgang damit. So kann das Umweltschutzamt am Bodensee beispielsweise keine signifikante Zunahme an Anfragen zum Umgang mit asbesthaltigen Materialien feststellen, Ähnliches berichten Baubiologen aus der Region. Einer, der nicht namentlich zitiert werden möchte, sagt zudem: „Kommt ein entsprechender Hinweis vom Handwerkerbetrieb, wird eben in Eigenregie abgerissen, um Kosten zu sparen.“Was Asbest so gefährlich macht und wie man damit bei einer geplanten Haussanierung umgeht – die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist Asbest überhaupt? Asbest ist ein natürlicher Stoff, der sich in Gesteinen bildet und daraus gewonnen werden kann. Die Asbestfasern sind aufgrund ihrer vielfältigen Eigenschaften ideal, um sie in verschiedenen Baumaterialien zu verwenden. Bis zum Verbot im Jahr 1993 waren rund 3000 verschiedene asbesthaltige Produkte in Deutschland auf dem Markt. In Dach- oder Fassadenplatten schützen Asbestfasern beispielsweise vor Feuchtigkeit und Hitze. Durch ihre Zugfestigkeit können die Fasern lange hohen Druck – wie etwa in Wasserrohren – aushalten. Und mischt man Asbest in Spachtelmasse, Parkett- oder Fliesenkleber,
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haften diese besser. „Asbest funktioniert aber auch als Brandhemmer und wurde deshalb in Brandschutztüren oder in der Außenfassade verwendet“, sagt Sandra Giern, Geschäftsführerin des Gesamtverbandes Schadstoffsanierungen.
Was macht Asbest eigentlich so gefährlich?
Solange Asbest in den Baumaterialien unangetastet bleibt, geht davon in der Regel keine Gefahr aus. Wird jedoch ein Haus aus der Zeit vor 1993 saniert, können Asbestfasern durch Abrissarbeiten freigesetzt werden. Asbest hat die Eigenschaft, sich in immer dünnere Fasern zu zersplittern. Werden die Fasern in größeren Mengen eingeatmet, können sie bis in die tiefsten Lungenwinkel hinein gelangen, sich dort anlagern und zu Entzündungen führen. Dadurch kann sich unter anderem Lungenkrebs entwickeln. Diese gesundheitlichen Folgen treten erst Jahrzehnte nach dem Kontakt ein. Asbest wurde deshalb 1993 in Deutschland verboten. Bis heute sind rund 40.000 Menschen durch Asbest gestorben, darunter viele Handwerker.
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Wie geht man am besten vor, wenn man ein älteres Haus sanieren möchte?
Das Umweltschutzamt Bodenseekreis empfiehlt, bei Eingriffen in die Bausubstanz von vor 1993 gebauten oder umgebauten Gebäuden ein Gutachterbüro hinzuzuziehen. Aufgrund der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Asbest in mehr als 3000 Produkten ist es für Laien nicht möglich, dieses zu erkennen. Gutachter sichten dann Bau- und Renovierungsunterlagen und suchen im Haus nach Verdachtsstellen, nehmen gezielt Proben und schicken diese in ein Fachlabor. Eine einfache Materialprobe von beispielsweise einem Stück Bodenbelag kostet hier etwa 100 bis 200 Euro, für Raumluftproben fallen 500 bis 1000 Euro an. Für ihre eigene Arbeit
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berechnen Bausachverständige zwischen 90 und 120 Euro in der Stunde.
Muss man einen solchen Gutachter hinzuziehen?
Nein, bislang ist dies lediglich eine Empfehlung. Allerdings hat die Bundesregierung schon im Jahr 2022 einen Referentenentwurf zur Verordnung zur Änderung der Gefahrstoffverordnung und anderer Arbeitsschutzverordnungen angestoßen. Darin ist unter anderem geregelt, dass alle Gebäude, deren Bau vor dem 31. Oktober 1993 anfing, pauschal als asbestbelastete Gebäude einzustufen sind. Bevor Handwerker beauftragt werden, muss der Bauherr demnach abklären, ob an den Materialien, an denen gearbeitet werden soll, Gefahrenstoffe, insbesondere Asbest, vorliegen. Derzeit wird noch geklärt, ob überhaupt genügend Kapazitäten bei Gutachtern und Laboren dafür vorliegen und wie die Mehrkosten für Hausbesitzer geregelt werden sollen.
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Was passiert, wenn Asbest entdeckt wird?
Es gibt Firmen, die sich auf Asbestsanierungen spezialisiert
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haben. Bevor diese mit den Sanierungsarbeiten beginnen, werden unter anderem sämtliche Fensterschlitze und Ritze abgeklebt, damit dort keine Asbestfasern hineingelangen, es wird eine Materialund Personalschleuse eingerichtet und die Arbeiter mit entsprechender Schutzkleidung ausgestattet. Die Preise für eine solche Sanierung liegen in der Regel bei 30 bis 45 Euro pro Quadratmeter. Hinzu kommen die Kosten für die fachgerechte Entsorgung – von rund 100 bis 300 Euro je Tonne. Eine finanzielle Förderung für eine Asbestsanierung gibt es bislang nicht, allerdings können die Handwerkerkosten steuerlich geltend gemacht werden.
Es gibt auch Asbest-Test-Kits für Privatpersonen. Was ist davon zu halten?
Anbieter wie Stella Lab, Ivario oder CRB Analyse Service werben mit Test-Kits für Privatpersonen. Besteht Verdacht auf Asbest, kann man dann beispielsweise eine Staubprobe mithilfe eines Klebestreifens an ein Labor schicken. Von Bodenbelägen oder Leichtbauplatten gibt man kleine Materialproben in die Post. Kostenpunkt:
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Etwa 50 bis 150 Euro. Experten warnen davor, solche Proben leichtfertig und unprofessionell zu entnehmen, da sich auch dabei Asbest freisetzen könnte. Ein weiteres Problem mit den Selbst-Tests: Fällt das Ergebnis positiv aus, muss trotzdem ein Experte ran.