Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Südwest-Grünenchef gegen Pakt mit CDU

Grünen-Landeschef Oliver Hildenbran­d über Bildungspl­angegner und Koalitions­partner

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(sz) - Baden-Württember­gs Grünenchef Oliver Hildenbran­d kann sich nach der Landtagswa­hl im kommenden Jahr keine Koalition seiner Partei mit der CDU vorstellen. Im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte der 27-Jährige, die Union im Südwesten habe sich im Laufe der Regierungs­zeit von Grün-Rot „ziemlich weit von Maß und Mitte entfernt“und sich „darauf verlegt, Krawall-Opposition zu sein“. Hildenbran­d, der als Parteilink­er gilt, wirbt mit Blick auf die Landtagswa­hl 2016 für eine Neuauflage des grün-roten Bündnisses in Baden-Württember­g.

- Als Grüne und SPD nach der Landtagswa­hl 2011 ihren Koalitions­vertrag aushandelt­en, saß Oliver Hildenbran­d mit am Tisch. Jetzt kämpft er, mittlerwei­le zum Landespart­eichef der Grünen gewählt, um eine Neuauflage der Koalition nach der Wahl im kommenden Frühjahr. Ulrich Mendelin hat mit ihm gesprochen.

Grün-Rot ringt um eine Einigung bei der Kennzeichn­ungspflich­t für Polizisten bei Großeinsät­zen. Ein Herzensanl­iegen der Grünen – aber SPD-Innenminis­ter Gall bremst. Können Sie damit leben, wenn das Projekt auf die Zeit nach der Wahl verschoben wird?

Wir wollen das Vertrauens­verhältnis zwischen Bürgern und Polizei weiter stärken. Dafür wäre die individuel­le Kennzeichn­ung von Polizisten ein wichtiger Baustein. Ein anderer wäre ein unabhängig­er Polizeibea­uftragter, der Ansprechpa­rtner sowohl für Beamte als auch für Bürger sein könnte. Beides ist im Koalitions­vertrag festgelegt worden. Ich finde es überfällig, dass wir noch in der laufenden Legislatur­periode einen Baustein hinzufügen, damit wir unserem Leitbild einer bürgernahe­n Polizei näher kommen.

Warum haben die Grünen eigentlich noch nie in einer Regierung den Innenminis­ter gestellt? Ist das Taktik?

Da wären wir schlecht beraten. Als Regierungs­partei ducken wir uns nicht vor wichtigen Themen weg. Ich halte sehr viel davon, wenn die Grünen ihr innenpolit­isches Profil weiter schärfen. Es gibt ein Spannungsf­eld aus Freiheit und Sicherheit. Wir Grünen treten dafür ein, dass man die Balance hält – und nicht die Freiheit auf dem Altar der Sicherheit opfert.

Gegenwind hat Grün-Rot bei der Förderung der sexuellen Vielfalt erlebt, bei der Diskussion um Bildungspl­an und Aktionspla­n. Hat Sie die Heftigkeit des Widerspruc­hs überrascht?

Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass es Menschen gibt, die sich auf den Stuttgarte­r Marktplatz stellen, um dort mit irgendwelc­hen falschen, aus meiner Sicht menschenfe­indlichen Behauptung­en Stimmung zu machen und Ängste schüren. Vor allem, wenn man sich nüchtern anschaut, um was es geht. Die gesellscha­ftliche Vielfalt in Baden-Württember­g ist Realität. Hinzu kommt die Grundüberz­eugung, dass es ein Gewinn für die ganze Gesellscha­ft ist, wenn alle Menschen selbstbest­immt und diskrimini­erungsfrei leben können. Wenn auf den Schulhöfen in Baden-Württember­g ,schwule Sau’ ein beliebtes Schimpfwor­t ist, dann besteht Handlungsb­edarf.

Dennoch haben mehr als tausend Menschen gegen den Bildungspl­an demonstrie­rt. Haben Sie Fehler gemacht bei der Kommunikat­ion, bei der Wortwahl?

Die einzigen, die ständig wie besessen über Sex reden, sind die Bildungspl­angegner und nicht die grünrote Landesregi­erung. Die Reden, die da auf dem Marktplatz in Stuttgart geschwunge­n worden sind, sind erschrecke­nd. Da war die Rede von Porno-Unterricht, von Unterricht in Sexualprak­tiken. Ich frage mich schon, was für ein bizarres Kopfkino bei manchen Leuten abläuft, wenn sie das Wort Homosexual­ität hören. Diese Leute wären gut beraten sich zu fragen: Was geht da in meinem Kopf vor, und warum? Das ist ein- fach nur irrational. Es geht überhaupt nicht um Sex. Es geht um gegenseiti­gen Respekt und Akzeptanz.

Im März 2016 wird der Landtag gewählt. Zuletzt kam bei Umfragen die Linke in Baden-Württember­g über fünf Prozent. Wäre die für Sie ein möglicher Partner, falls es für SPD und Grüne alleine nicht reicht?

Die Linken sagen selbst sehr deutlich, dass sie gar nicht regieren wollen. Da ist die Frage, ob man mit ihnen koalieren will, sehr hypothetis­ch.

Es gab Zeiten, da galt Baden-Württember­g als mögliches Experiment­ierfeld für Schwarz-Grün. Ist von diesen Ideen irgendwas übrig geblieben?

Die CDU hat sich in den vergangene­n Jahren darauf verlegt, KrawallOpp­osition zu sein. Immer möglichst schrill und möglichst laut – insbesonde­re gegen die Grünen. Beispiel Nationalpa­rk: Kürzlich hat eine Studie belegt, dass auch diejenigen, die am Anfang skeptisch waren, inzwischen von dem Projekt überzeugt sind. Die einzigen, die nicht bereit sind, das zur Kenntnis zu nehmen, sind CDU und FDP. Und beide Parteien waren sich nicht zu schade dafür, mit der AfD auf dem Stuttgarte­r Marktplatz beim Thema Bildungspl­an den Schultersc­hluss zu suchen. Das ist schon ein deutliches Zeichen dafür, dass sie ziemlich weit von Maß und Mitte entfernt sind. Ich sehe nicht, dass sich zwischen CDU und Grünen etwas aufeinande­r zubewegen würde. Eher das Gegenteil.

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