Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Hitlergruß-Video: Queen erwägt Klage
Video erinnert Briten an die peinliche Sympathie ihrer Königsfamilie für die Nazis
(dpa) - Der BuckinghamPalast prüft rechtliche Schritte wegen der Veröffentlichung eines Videos, das Queen Elizabeth II. als Kind beim Hitlergruß zeigt. Der Palast habe bereits eine Untersuchung dazu in die Wege geleitet, wie der Film aus den 1930er-Jahren in die Hände der „Sun“gekommen sei, berichtete die Nachrichtenagentur PA. Die britische Boulevardzeitung hatte das Dokument am Wochenende im Internet veröffentlicht.
- Die Briten sind stolz auf ihre Rolle als Gegner Hitlers. Dass es auch Sympathien für den Faschismus gab, wird gern verschwiegen. Ein acht Jahrzehnte altes Familienvideo der Windsors erregt deshalb die Gemüter: Es zeigt Queen Elizabeth II. als Kind beim Nazigruß, auch ihr Onkel ist bei der Geste zu sehen.
Das 17 Sekunden lange, mehr als 80 Jahre alte Filmchen hat in Großbritannien eine Debatte über die Vergangenheit der Königsfamilie in Gang gebracht. Das Boulevardblatt „The Sun“veröffentlichte den Streifen am Samstag im Internet. Der Buckingham-Palast erwägt rechtliche Schritte gegen die Veröffentlichung.
Die Anregung für die Geste kam offenbar vom Kurzzeit-König und Nazi-Sympathisanten Edward VIII., dessen Abdankung das Königshaus 1936 in eine tiefe Krise stürzte. Der Buckingham-Palast zeigte sich zunächst „enttäuscht” über die Veröffentlichung. Zeitgeschichtler fordern indes die längst überfällige Öffnung des streng geheimen Königsarchivs. Das Millionenblatt des als Royal-Kritiker bekannten Medienunternehmers Rupert Murdoch veröffentlichte die Story auf der Titelseite unter der Überschrift “Their Royal Heilnesses”, ein Wortspiel mit “Royal Highness”, also Königliche Hoheit. Expertenmeinungen zufolge ist die Szene im Park des Sommerpalastes im schottischen Balmoral aufgenommen. Das Aussehen der beiden Prinzessinnen Elizabeth und Margaret lässt auf den Sommer 1933 oder 1934 schließen, die heutige Königin war also sieben oder acht Jahre alt. Auch die damalige Herzogin Elizabeth von York und spätere Queen Mother hebt den Arm zum Faschistengruß. Im Hintergrund ist der spätere König Edward VIII. zu sehen, damals noch Prinz von Wales. Als Kameramann dürfte der bekanntermassen Film-begeisterte Mann und Vater der beiden Elizabeths agiert haben, der 1936 als Georg VI. seinem älteren Bruder auf den Thron nachfolgte.
Britische Medien berichteten am Wochenende ausführlich über den Coup der „Sun“. Darunter waren rührende Versuche der Boulevard-Kon- kurrenz, den Hitlergruß umzudeuten – übten die Prinzessinnen nur ein fröhliches Winken, versuchten sie ihren Hunden neue Tricks beizubringen? Ausgerechnet die „Mail“des Medienhauses Rothermere warf der Murdoch-Postille vor, sie habe einen „neuen Tiefpunkt ihres Niveaus” erreicht. Der erste Graf Rothermere schrieb in den 1930er-Jahren für sein Blatt begeisterte Leitartikel über die britischen Faschisten und gratulierte dem „großartigen und übermenschlichen” Diktator Deutschlands zum Einmarsch ins Sudetenland 1938 und in die Rest-Tschechoslowakei ein halbes Jahr später.
Historiker sehen sich ausgebremst
Hinter vorgehaltener Hand berichten Hofschranzen, die 89-jährige Königin sei „wütend” über die Veröffentlichung. Anwälte des Palastes suchen fieberhaft nach der Quelle und nach Möglichkeiten, das Filmchen der Öffentlichkeit zu entziehen. Sollte der spätere König gefilmt haben, könnte das Copyright bei seiner Tochter und Erbin liegen. Möglicherweise gehörte die Kamera aber Ed- ward VIII.; dessen Hinterlassenschaft kaufte nach dem Tod von Wallis Simpson 1986 der Kaufmann Mohammed al-Fayed. Nach dem gemeinsamen Unfalltod seines Playboy-Sohnes Dodi und der Prinzessin Diana 1997 bezichtigte der frühere Harrods-Besitzer das Königshaus, den Crash in Paris herbeigeführt zu haben.
Die Kontroverse um die Filmszene bietet Historikern die Gelegenheit, auf die andauernde Behinderung ihrer Arbeit durch das Königshaus hinzuweisen. Sie habe für ein Buch über Königin Victoria (18371901) hervorragende Hilfe durch das Königsarchiv auf Schloss Windsor erhalten, berichtet die in London lebende deutsche Wissenschaftlerin Karina Urbach. Als sie aber über die zwielichtigen Verbindungen zwischen deutschen und britischen Adeligen zwischen den Weltkriegen forschte, blieb Windsor verschlossen. „Das ist ein Skandal”, glaubt Urbach. Die Royals seien damals und bis heute viel politischer, als man denkt. „Die Königsfamilie muss ihrer Vergangenheit ins Auge sehen.”