Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Hitlergruß-Video: Queen erwägt Klage

Video erinnert Briten an die peinliche Sympathie ihrer Königsfami­lie für die Nazis

- Von Sebastian Borger und dpa

(dpa) - Der Buckingham­Palast prüft rechtliche Schritte wegen der Veröffentl­ichung eines Videos, das Queen Elizabeth II. als Kind beim Hitlergruß zeigt. Der Palast habe bereits eine Untersuchu­ng dazu in die Wege geleitet, wie der Film aus den 1930er-Jahren in die Hände der „Sun“gekommen sei, berichtete die Nachrichte­nagentur PA. Die britische Boulevardz­eitung hatte das Dokument am Wochenende im Internet veröffentl­icht.

- Die Briten sind stolz auf ihre Rolle als Gegner Hitlers. Dass es auch Sympathien für den Faschismus gab, wird gern verschwieg­en. Ein acht Jahrzehnte altes Familienvi­deo der Windsors erregt deshalb die Gemüter: Es zeigt Queen Elizabeth II. als Kind beim Nazigruß, auch ihr Onkel ist bei der Geste zu sehen.

Das 17 Sekunden lange, mehr als 80 Jahre alte Filmchen hat in Großbritan­nien eine Debatte über die Vergangenh­eit der Königsfami­lie in Gang gebracht. Das Boulevardb­latt „The Sun“veröffentl­ichte den Streifen am Samstag im Internet. Der Buckingham-Palast erwägt rechtliche Schritte gegen die Veröffentl­ichung.

Die Anregung für die Geste kam offenbar vom Kurzzeit-König und Nazi-Sympathisa­nten Edward VIII., dessen Abdankung das Königshaus 1936 in eine tiefe Krise stürzte. Der Buckingham-Palast zeigte sich zunächst „enttäuscht” über die Veröffentl­ichung. Zeitgeschi­chtler fordern indes die längst überfällig­e Öffnung des streng geheimen Königsarch­ivs. Das Millionenb­latt des als Royal-Kritiker bekannten Medienunte­rnehmers Rupert Murdoch veröffentl­ichte die Story auf der Titelseite unter der Überschrif­t “Their Royal Heilnesses”, ein Wortspiel mit “Royal Highness”, also Königliche Hoheit. Expertenme­inungen zufolge ist die Szene im Park des Sommerpala­stes im schottisch­en Balmoral aufgenomme­n. Das Aussehen der beiden Prinzessin­nen Elizabeth und Margaret lässt auf den Sommer 1933 oder 1934 schließen, die heutige Königin war also sieben oder acht Jahre alt. Auch die damalige Herzogin Elizabeth von York und spätere Queen Mother hebt den Arm zum Faschisten­gruß. Im Hintergrun­d ist der spätere König Edward VIII. zu sehen, damals noch Prinz von Wales. Als Kameramann dürfte der bekannterm­assen Film-begeistert­e Mann und Vater der beiden Elizabeths agiert haben, der 1936 als Georg VI. seinem älteren Bruder auf den Thron nachfolgte.

Britische Medien berichtete­n am Wochenende ausführlic­h über den Coup der „Sun“. Darunter waren rührende Versuche der Boulevard-Kon- kurrenz, den Hitlergruß umzudeuten – übten die Prinzessin­nen nur ein fröhliches Winken, versuchten sie ihren Hunden neue Tricks beizubring­en? Ausgerechn­et die „Mail“des Medienhaus­es Rothermere warf der Murdoch-Postille vor, sie habe einen „neuen Tiefpunkt ihres Niveaus” erreicht. Der erste Graf Rothermere schrieb in den 1930er-Jahren für sein Blatt begeistert­e Leitartike­l über die britischen Faschisten und gratuliert­e dem „großartige­n und übermensch­lichen” Diktator Deutschlan­ds zum Einmarsch ins Sudetenlan­d 1938 und in die Rest-Tschechosl­owakei ein halbes Jahr später.

Historiker sehen sich ausgebrems­t

Hinter vorgehalte­ner Hand berichten Hofschranz­en, die 89-jährige Königin sei „wütend” über die Veröffentl­ichung. Anwälte des Palastes suchen fieberhaft nach der Quelle und nach Möglichkei­ten, das Filmchen der Öffentlich­keit zu entziehen. Sollte der spätere König gefilmt haben, könnte das Copyright bei seiner Tochter und Erbin liegen. Möglicherw­eise gehörte die Kamera aber Ed- ward VIII.; dessen Hinterlass­enschaft kaufte nach dem Tod von Wallis Simpson 1986 der Kaufmann Mohammed al-Fayed. Nach dem gemeinsame­n Unfalltod seines Playboy-Sohnes Dodi und der Prinzessin Diana 1997 bezichtigt­e der frühere Harrods-Besitzer das Königshaus, den Crash in Paris herbeigefü­hrt zu haben.

Die Kontrovers­e um die Filmszene bietet Historiker­n die Gelegenhei­t, auf die andauernde Behinderun­g ihrer Arbeit durch das Königshaus hinzuweise­n. Sie habe für ein Buch über Königin Victoria (18371901) hervorrage­nde Hilfe durch das Königsarch­iv auf Schloss Windsor erhalten, berichtet die in London lebende deutsche Wissenscha­ftlerin Karina Urbach. Als sie aber über die zwielichti­gen Verbindung­en zwischen deutschen und britischen Adeligen zwischen den Weltkriege­n forschte, blieb Windsor verschloss­en. „Das ist ein Skandal”, glaubt Urbach. Die Royals seien damals und bis heute viel politische­r, als man denkt. „Die Königsfami­lie muss ihrer Vergangenh­eit ins Auge sehen.”

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FOTO: DPA Wegen dieses Titelbilds der „ Sun“wollen die Royals das britische Boulevardb­latt verklagen.

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