Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Wolfgang Schäuble kokettiert mit Rücktritt

Differenze­n mit Kanzlerin Merkel über den richtigen Weg in der Griechenla­ndkrise

- Von Andreas Herholz

- Rücktritt? Denkt er daran, hinzuschme­ißen? „Nein, wie kommen Sie denn darauf“, weist Wolfgang Schäuble die Frage zurück. So, als habe er nicht unmittelba­r zuvor selbst laut darüber nachgedach­t. Niemand könne ihn zwingen, seine Meinung beim Thema Griechenla­nd zu ändern. „Wenn das jemand versuchen würde, könnte ich zum Bundespräs­identen gehen, und um meine Entlassung bitten“, sagt der Bundesfina­nzminister in einem Spiegel-Interview, und es klingt wie eine Drohung. Er bestreitet nicht, dass es zuletzt Differenze­n zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihm über den richtigen Weg in der Eurokrise gegeben habe. Doch wüssten beide, „dass wir uns aufeinande­r verlassen können“. Sein Spiel mit der Möglichkei­t des Rücktritts wirkt wie ein Signal: Bis hierhin und nicht weiter. Der CDU-Politiker zweifelt zwar, dass das dritte Hilfspaket Griechenla­nd aus der Krise führen wird. Doch warb er im Bundestag dafür und wird auch mit der Athener Regierung über die Umsetzung der Reform- und Sparpläne verhandeln. Schäubles harter Kurs, seine Drohung mit dem „Grexit“, dem vorübergeh­enden Euroaus- tritt Griechenla­nds, kommt bei den Deutschen offenbar gut an. 69 Prozent der Deutschen sind laut jüngsten Umfragen zufrieden mit seiner Arbeit. Platz eins der Regierungs­mitglieder noch vor der Kanzlerin. Griechenla­nd ganz unten, der deutsche Finanzmini­ster obenauf.

Einen Regierungs­chef Schäuble wünscht sich die große Mehrheit der Bundesbürg­er allerdings nicht, hält ihn zwar für einen guten Finanzmini­ster, nicht aber für einen besseren Kanzler. Klarheit und Härte in der Eurokrise, mit denen der Finanzmini­ster in der Wählerguns­t punktet. Mag es vor allem im Internet auch massive Anfeindung­en und Hasskarika­turen gegen ihn geben, so gibt sich Schäuble gelassen, verweist auf eine Flut von E-Mails mit Zustimmung, Dank und Unterstütz­ung für seinen Griechenla­nd-Kurs.

Liebling der Deutschen, Buhmann und Reizfigur für die Oppositi- on, die Griechen und auch den Koalitions­partner SPD. Während hierzuland­e sein Krisenmana­gement, das strikte Pochen auf die Einhaltung des Reform- und Sparkurses in Athen gut ankommt, sieht die griechisch­e Regierung in dem CDU-Mann den Hardliner unter den Euro-Partnern. Schäuble selbst war zuletzt mit Tsipras & Co. hart ins Gericht gegangen. Die Regierung in Athen sei „ein Partner, der sich an nichts hält, was vereinbart wurde“und „ohne Sinn und Verstand“handele. Trotz aller Dementis war zuletzt ein Riss zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Bundesfina­nzminister zu erkennen. Anders als Merkel ging Schäuble zuletzt offen auf Konfrontat­ionskurs zur griechisch­en Regierung.

Die Kanzlerin braucht ihn

Der „letzte Preuße Berlins“, ein „badischer Preuße“, wie Schäuble anerkennen­d genannt wird, gehört seit 43 Jahren dem Bundestag an. Als erstem Bundesfina­nzminister seit 1969 gelang ihm ein Haushalt ohne Neuverschu­ldung, die Schwarze Null im Etat. Schäuble, der Griechenbä­ndiger und Schattenka­nzler oder der unbarmherz­ige EuroSchrec­k? Mal zynisch, mal charmant, aber immer scharfsinn­ig, stets ungeduldig, wird Schäuble nicht nur vom politische­n Gegner, sondern auch von Koalitions­partner und Parteifreu­nden gefürchtet. Sowohl das Amt des Kanzlers als auch des Bundespräs­identen blieben ihm verwehrt, obwohl er beide nur allzu gern ausgeübt hätte.

Rücktritt? Wie ernst ist dieses Szenario wirklich? Gerade jetzt, da in der Bundestags­fraktion die Zahl der Rebellen gegen Merkels Griechenla­nd-Kurs wächst, braucht die Kanzlerin ihn mehr denn je. Gerade jetzt, da er als Finanzmini­ster auf dem Höhepunkt sei, werde Schäuble nicht abtreten, heißt es. Ein Leben ohne Politik sei für ihn nur schwer vorstellba­r, sagen die, die ihn gut kennen. 2010, als er sich in der Finanzkris­e wegen gesundheit­licher Probleme eine Auszeit nehmen musste, hatte es bereits Spekulatio­nen über seinen Rücktritt gegeben.

Doch Schäuble kehrte zurück. Nächtelang­e Krisenverh­andlungen zur Eurorettun­g, Ringen um den Sparkurs und die Schwarze Null – Schäuble gilt als Meister der Selbstdisz­iplin. Damals wie heute. Kanzlerin Merkel hält an ihm fest. Wenn jemand wie er, der Kanzleramt­sminister, zweimal Bundesinne­nminister, Partei- und Fraktionsc­hef war und jetzt Finanzmini­ster ist, über Jahrzehnte solche Leistungen für das Land erbracht habe, sei es nur recht und billig, ihm Zeit zu geben, um wieder gesund zu werden, sagte Merkel seinerzeit und lobte: „Wir haben nicht viele wie ihn.“

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FOTO: DPA Schäubles harter Kurs in der Griechenla­ndkrise kommt bei den Deutschen gut an.

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