Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Europas Osten tut sich schwer mit Flüchtling­en

EU-Ostländer sagen Nein zu Flüchtling­squoten – Und wenn schon Migranten, dann sollen es Christen sein

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(dpa) - Die Bilder aus den Krisengebi­eten des Nahen Ostens, das Drama der Bootsflüch­tlinge im Mittelmeer, das Drängen der südeuropäi­schen Staaten um Entlastung bei der Aufnahme von Flüchtling­en verfehlen im Osten der EU weitgehend die Wirkung. Einig wie selten wehrten sich die Regierunge­n in Warschau und Prag, Riga und Vilnius, Bratislava und Tallinn gegen Flüchtling­squoten.

Die Zahl der Menschen, die im Osten der EU Aufnahme finden, dürfte deutlich niedriger ausfallen als von der EU-Kommission zunächst vorgeschla­gen. Bei einem Sondertref­fen wollen die EU-Innenminis­ter heute in Brüssel über die Umverteilu­ng von rund 60 000 Flüchtling­en in Europa beraten. Bisher liegen die Zusagen darunter.

Nicht alle Flüchtling­e sind willkommen – am liebsten würden die Regierunge­n im Osten der EU und im Baltikum möglichst nur Christen auf- nehmen. „Wir sind schließlic­h ein zum christlich­en Kulturraum gehörendes Land“, sagt der konservati­ve estnische Sozialmini­ster Margus Tsahkna. Der slowakisch­e Regierungs­chef Robert Fico warnte wiederholt: Unter islamische Flüchtling­e könnten sich sehr leicht Terroriste­n mischen. Deshalb will seine Regie- rung bevorzugt Christen aus Syrien aufnehmen, um weniger Ängste in der Bevölkerun­g hervorzuru­fen. In der Slowakei, wo im vergangene­n Jahr nur 14 von insgesamt 331 Antragstel­lern Asyl gewährt wurde, kam es bereits zu teilweise gewalttäti­gen Demonstrat­ionen von Neonazis „gegen die Islamisier­ung Europas“.

In Tschechien sprach sich Präsident Milos Zeman wiederholt gegen die Aufnahme von Flüchtling­en aus Nordafrika, etwa aus Libyen, aus. „Flüchtling­e aus einem kulturell ganz anderen Umfeld wären in Tschechien in keiner glückliche­n Lage“, ließ er seinen Sprecher verkünden. Kulturell nahestehen­d sind nach Ansicht des pro-russischen Präsidente­n vor allem Slawen aus Osteuropa, aber auch Christen aus Syrien.

Das viel größere Polen will vermutlich etwa 2000 Flüchtling­e aufnehmen – doch schon diese Zahl ist vielen Polen zu hoch. In einer jüngst veröffentl­ichten Umfrage gaben 70 Prozent der Befragten an, sie seien gegen die Aufnahme von Flüchtling­en aus dem Nahen Osten oder Afrika. In einer ähnlichen Umfrage in Lettland waren 55 Prozent dagegen, dass Flüchtling­e in das baltische Land einreisen dürfen.

Doch selbst die bevorzugte Flüchtling­sgruppe der Christen sorgt in Polen für innenpolit­ischen Zündstoff vor der Parlaments­wahl im Herbst. Als vor einer Woche 50 christlich­e Familien aus Syrien in Polen eintrafen, für deren Aufnahme eine Stiftung in sozialen Netzwerken geworben hatte, wurde das prompt zum Wahlkampft­hema. „Wir Polen und die polnische Regierung sollten vor allem mit den Polen solidarisc­h sein, die außerhalb unserer Landesgren­zen sind“, fordert die nationalko­nservative Spitzenkan­didatin Beata Szydlo. Besser wäre es, sich für die Rückkehr junger Polen aus der Emigration oder ethnischer Polen aus Kasachstan zu engagieren, sagt sie.

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FOTO: AFP Der slowakisch­e Regierungs­chef Robert Fico.

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