Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Abschied von altem Glanz
Gewinneinbruch der vergangenen Jahre zwingt Energieriesen RWE zur Radikalkur
(dpa) - Die RWE-Gewinne aus den Kohle- und Gaskraftwerken – wichtiger Ertragsbringer für den ganzen Konzern – rauschen immer mehr in den Keller und nähern sich bis 2017/2018 der Nulllinie. „Unabhängig von Länder- und Spartengrenzen: Es geht ums Überleben“, sagte Kraftwerkschef Matthias Hartung auf einer Pressekonferenz des Konzerns.
Der zweitgrößte deutsche Energiekonzern verdient unter dem Strich kaum noch Geld und muss dringend seine Struktur straffen, um sich fit für die Zukunft zu machen. Dazu arbeitet RWE-Chef Peter Terium an letzten Details einer Radikalkur, die er bei einer Aufsichtsratssitzung am 10. August vorstellen will: RWE will Teilgesellschaften bündeln und ihre Zahl deutlich reduzieren, heißt es aus Konzernkreisen.
Dabei geht es nicht um Personalabbau – den hat RWE mit dem Abbau von rund 11 000 Stellen vorerst hinter sich – sondern vor allem um schnellere Entscheidungswege. „Das wäre eine Revolution für RWE – und die ist lange überfällig“, sagen kritische Beobachter wie Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Rund 100 Teilgesellschaften und Gremien, sogenannte Legaleinheiten, oft mit Führungsstäben, eigenen Vorständen und allein zehn Aufsichtsräten in Deutschland existieren bei RWE bisher nebeneinander. Alle tagen, beschließen, protokollieren – ein gewaltiger Bürokratieaufwand.
Energiewende verschlafen
Dass RWE die Energiewende verpasst hat, wie dem Konzern immer wieder vorgeworfen wird, und beim Anteil der Erneuerbaren weit hinter den Konkurrenten Eon und EnBW liegt, ist für Kritiker auch ein Strukturproblem. „Unter zwei oder drei Teilnehmern stimmen Sie sich schneller ab als unter zehn“, heißt es.
Mit dem Firmenumbau soll die Zahl der Einheiten um etwa ein Drittel schrumpfen, schätzen Insider. Die RWE AG als Holding des Gesamtunternehmens soll gestärkt werden. Erneuerbare Energien, Vertrieb und Netzgeschäft – diese von Terium als verbleibende Wachstumsbereiche herausgestellte Sparten könnten nach den Erwartungen von Fachleuten organisatorisch näher an die Firmenzentrale heranrücken. Damit reagiert RWE auch auf die noch deutlich radikaleren Strukturveränderungen beim großen Konkurrenten Eon (siehe Kasten).
Doch dagegen stemmen sich die Kommunen, die mit insgesamt 24 Prozent an RWE beteiligt sind. Dass zum Beispiel der wichtige RWE-Standort Dortmund nicht zu kurz kommt, darüber wacht schon Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD), der mit im Aufsichtsrat sitzt. RWE hatte nach der Fusion mit VEW in Dortmund im Jahr 2000 garantiert, Tausende Jobs in der Stadt zu belassen.
„Die Branche wird zunehmend dezentral – warum setzt Terium da auf eine zentrale Struktur“, sagt der Geschäftsführer des Verbandes der kommunalen Aktionäre, Ernst Gerlach. „Ist RWE damit noch nah genug an den Kunden?“Gerlach erwartet Antworten vom Management. Die Gewerkschaftsseite im Aufsichtsrat trägt dem Vernehmen nach Teriums Pläne aber grundsätzlich mit.