Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Ob Erbe oder Unterhalt: Alle Kinder sind gleich
Was Eltern von Patchworkfamilien in finanzieller Hinsicht nach Trennungen beachten müssen und worauf sie ein Recht haben
(sz) - Etwa 36 Prozent aller in einem Jahr geschlossenen Ehen werden im Laufe der nächsten 25 Jahre geschieden. Das hat das Statistische Bundesamt 2013 ermittelt. Die durchschnittliche Dauer der im Jahr 2013 geschiedenen Ehen betrug 14 Jahre und acht Monate. Fast die Hälfte der geschiedenen Ehepaare hatte gemeinsame Kinder unter 18 Jahren. Insgesamt waren 2013 rund 136 000 minderjährige Kinder von der Scheidung ihrer Eltern betroffen.
In vielen Fällen werden die geschiedenen Ehepartner eine neue Partnerschaft eingehen und vielleicht sogar eine neue Familie gründen. Das nennt sich heutzutage nicht mehr Patchworkfamilie, sondern, politisch korrekt, „Fortsetzungsfamilie“. Das hat Konsequenzen für die Erstfamilie, was Unterhaltszahlungen angeht und auch das Erbe. Auch wenn die erste Ehe schon lange geschieden ist und man keinen Familienalltag mehr teilt – man bleibt miteinander verbunden, ob man will oder nicht. Lesen Sie nun was die Gründung einer Zweitfamilie für alle Beteiligten nach sich zieht.
Anmerkung: Bei folgenden Beispielen wird davon ausgegangen, dass die Ex-Frau die Kinder betreut und der Ex-Mann die Zweitfamilie gründet. Natürlich gibt es das Modell auch andersherum. Um es zu vereinfachen, haben wir den wesentlich häufigeren ersten Fall angenommen.
Unterhalt für Ehegatten
Die Reform des Unterhaltsrechts im Jahr 2008 hat einschneidende Neuerungen gebracht. Vor allem Frauen, die wegen der Kinder ihren Beruf aufgegeben oder nur noch eingeschränkt gearbeitet haben, gereicht die Reform zum Nachteil. Denn nach der Regelung sind geschiedene Partner, welche die Kinder betreuen – meist sind das die Frauen – verpflichtet, ab dem dritten Lebensjahr des jüngsten Kindes wieder voll arbeiten zu gehen und sich um ihren Lebensunterhalt eigenverantwortlich zu kümmern. Bis dahin erhalten sie einen sogenannten Betreuungsunterhalt.
Ausnahmen: Kann die geschiedene Ehefrau, die das gemeinsame Kind betreut, nachweisen, dass sie das Kind nicht den ganzen Tag betreuen lassen kann oder sie selbst neben einem Job auch anderen Verpflichtungen wie Haushalt etc. nachkommen muss, ist oft nur eine Halbtagsstelle zumutbar. Die Gerichte entscheiden hier im Einzelfall. Auch lange Ehen sind geschützt. Kann man anhand seines persönlichen Lebenslaufs nachweisen, dass man die Karriere der eigenen Kinder zugunsten zurückgestellt hat und dass es eine gemeinsame Lebensplanung gab, ist der Ex-Mann dazu verpflichtet, diese Gehaltslücke aufzustocken – bis zu fünf Jahre oder länger nach der Scheidung ist so ein Unterhalt möglich. Das Gesetz lässt weitere Ausnahmen zu: Auch die Möglichkeit, eine Arbeit zu finden, spielt eine Rolle. Findet die Geschiedene nachweislich, trotz intensiver Suche und Bewerbungen, keinen Job, hat sie Chancen, dass der Unterhaltsanspruch verlängert wird.
Rangfolge: An erster Stelle stehen minderjährige, unverheiratete Kinder und Kinder in der Ausbildung. Dabei spielt es keine Rolle, aus welcher Verbindung die Kinder hervorgegangen sind – ob aus erster oder zweiter Ehe oder einem eheähnlichen Verhältnis. Alle Kinder sind gleich und stehen auf Rang eins, wenn es um Unterhaltszahlungen geht.
Kinderbetreuender Elternteil: An zweiter Stelle der Unterhaltsberechtigten stehen Elternteile, die Kinder betreuen. Dazu gehört die geschiedene Ehefrau genauso wie die neue Partnerin, mit der der Ex-Mann wieder Kinder hat. Das heißt: Reicht das Geld des unterhaltspflichtigen Partners nicht für alle Unterhaltsberechtigten aus, kriegen zuerst die Kinder den vollen Unterhalt und dann erst die kinderbetreuenden Partnerinnen. Ist der Unterhalts- pflichtige knapp bei Kasse und fließt alles Geld bereits in den Unterhalt der Kinder, kann es passieren, dass aufgrund der Gründung einer Zweitfamilie die Ex-Partnerin aus der Erstfamilie Unterhaltskürzungen in Kauf nehmen muss oder sogar komplett leer ausgeht.
Wichtig: Sind aus erster Ehe keine Kinder hervorgegangen, der ExMann ist aber trotzdem aus bestimmten Gründen zu Unterhaltszahlungen verpflichtet, heiratet nun erneut und bekommt Kinder, so hat die kinderbetreuende neue Ehefrau Vorrang vor der geschiedenen kinderlosen Partnerin aus erster Ehe.
Lange Ehe: Die Ex-Frau, die keine Kinder betreut, kann sich ihren Unterhalt nur dann sichern, wenn sie eine lange andauernde Ehe mit ihrem Ex-Mann geführt hat. Es gibt keine Definition, wie lange eine lange Ehe gedauert haben muss. Die Gerichte entscheiden hier im Einzelfall. Die Tendenz geht aber dazu, Ehen, in denen Kinder erzogen wurden, als langjährig einzustufen.
Fazit: Die Ex-Frau steht nur dann mit der zweiten kindererziehenden Partnerin auf einer Rangstufe, was den Unterhalt angeht, wenn sie selbst Kinder aus dieser Verbindung erzieht oder eine lang andauernde Ehe vorweisen kann.
Unterhalt für Kinder
Kinder stehen in Fragen des Unterhalts an erster Stelle. Dabei gilt: Alle Kinder sind gleich. Egal ob sie aus einer Ehe, einem Seitensprung, einer eheähnlichen Gemeinschaft hervorgegangen sind, ob sie zuerst oder an dritter oder vierter Stelle geboren wurden. Die Kinder sollen aus der Art der Partnerschaft der Eltern keinen Nachteil ziehen.
Der Unterhalt wird nach Höhe des Nettoeinkommens des zahlungspflichtigen Elternteils berechnet. Zahlungspflichtig ist der Elternteil, bei dem das Kind nicht die meiste Zeit lebt. Um den Unterhalt zu berechnen, ziehen die Gerichte die sogenannte „Düsseldorfer Tabelle“heran. Sie hat keine Gesetzeskraft, son- dern stellt eine Richtlinie dar. Wichtig: Die Tabelle ist auf zwei Kinder ausgelegt. Hat der Unterhaltspflichtige mehr Kinder, beziehungsweise mehr Unterhaltsverpflichtungen zu leisten, so gilt der sogenannte Bedarfskontrollbetrag (siehe unten). Das Kindergeld wird halbiert auf den zu zahlenden Unterhalt angerechnet. Das Kindergeld beträgt für das 1. und 2. Kind 184 Euro.
Bei einer größeren Anzahl an Unterhaltsberechtigten können Zuschläge durch Einstufung in niedrigere Gruppen angemessen sein. Das heißt: Bezahlt der Ex-Mann schon seit Jahren Unterhalt für die Kinder aus erster Ehe und bekommt dann in einer weiteren Verbindung weitere Kinder, kann sich der Unterhalt für die Kinder aus erster Ehe schmälern, wenn er über nicht ausreichend Einkommen verfügt, um alle Bedürfnisse zu decken. Denn das verfügbare Einkommen wird dann auf alle Kinder gleichermaßen verteilt – wo mehr sind, bekommt also jeder Einzelne weniger.
Entscheidend ist dafür der sogenannte Bedarfskontrollbetrag. Dieser Betrag ist nicht zu verwechseln mit dem Eigenbedarf. Der Bedarfskontrollbetrag soll sicherstellen, dass es eine gerechte Einkommensverteilung zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den Unterhaltsberechtigten gibt. Dadurch soll vermieden werden, dass letztendlich der Unterhaltspflichtige finanziell schlechter gestellt ist als eine oder mehrere Unterhaltsberechtigte.
Sollte nach Abzug aller Unterhaltszahlungen der Bedarfskontrollbetrag – also das verbleibende Resteinkommen des Unterhaltspflichtigen – unterschritten werden, dann darf er in die nächstniedrigere Einkommensgruppe eingestuft werden. Diese Rückstufung kann so lange erfolgen, bis der Bedarfskontrollbetrag nicht mehr unterschritten wird.
Ein Mangelfall liegt dann vor, wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht ausreicht, um alle Unterhaltspflichten zu begleichen. Dann wird nach Abzug des Selbstbehalts das verbleibende Einkommen anteilig an die Unterhaltsberechtigten verteilt.
Erbrecht Ehegatten:
Mit der Scheidung erlischt das Erbrecht der geschiedenen Ehegatten. Auch gemeinschaftlich verfasste Testamente oder Ehegattenerbverträge werden mit der Scheidung ungültig. Heiratet der ExMann erneut, gehört die neue Gattin künftige zu den Erben.
Kinder: Auch nach einer Scheidung bleibt das Erbrecht der Kinder aus erster Ehe bestehen. Seit dem 1. April 1998 sind alle Kinder erbrechtlich gleichgestellt. Es ist egal, ob sie aus erster oder zweiter Ehe, aus einem eheähnlichen Verhältnis oder einem Seitensprung hervorgegangen sind. Sie haben den gleichen Erbanspruch gegenüber Vater und Mutter. Kommen nach einer Scheidung und durch die Gründung einer weiteren Familie neue Kinder hinzu, so gibt es mehr gesetzliche Erben und umso mehr pflichtteilsberechtigte Personen.
Kinder gelten als Erben erster Ordnung und haben einen gesetzlichen Anspruch auf eine Mindestbeteiligung am Erbe, den sogenannten Pflichtteil. Sind die Kinder noch minderjährig, können sie ihr Erbe noch nicht selbst verwalten. In der Regel übernimmt diese Aufgabe dann der überlebende – geschiedene – Elternteil.
So hat also dann doch möglicherweise die Ex-Frau legale Befugnis zur Verwaltung des Nachlasses. Um dies zu vermeiden, kann der Erblasser zu Lebzeiten durch Testament einer anderen Person die Vermögenssorge für das Kind übertragen.
Tipp: Stiefkinder sind nicht pflichtteilsberechtigt. Heiratet der Ex-Mann erneut und die neue Frau bringt zwei Kinder aus ihrer ersten Ehe in die Beziehung, gehen sie leer aus, wenn ihr Stiefvater stirbt.