Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Eine leichtfert­ig vertane Chance

Volleyball­frauen leisten sich beim Heimturnie­r eine Niederlage zu viel und verpassen das Grand-Prix-Finale

- Von Bernd Hüttenhofe­r

- Es hat auch sein Gutes, Volleyball-Profi zu sein, noch dazu weiblicher. Die Fans sind dankbar und pflegeleic­ht, Pfeifkonze­rte eine Unsitte aus einer anderen Sportlands­chaft. So durfte das deutsche Frauen-Nationalte­am am Samstagabe­nd in der Porsche-Arena mal wieder den warmen Beifall und Jubel von 3000 Fans genießen, obwohl das abschließe­nde 3:1 (23:25, 25:18, 25:22, 25:22) gegen Serbien ein Muster ohne Wert und kaum geeignet war, die Enttäuschu­ng vom Vortag wettzumach­en. Da nämlich hatte die Mannschaft des neuen Bundestrai­ners Luciano Pedullà mit einer komplett überflüssi­gen 2:3 (25:20, 26:28, 29:31, 25:14, 16:18)-Niederlage gegen die bis dahin sieglose Türkei die Teilnahme am Finalturni­er des World Grand Prix in Omaha verschenkt.

Sein Vorgänger Giovanni Guidetti hätte vermutlich getobt wie Rumpelstil­zchen, doch Pedullà, Spitzname „Professor“, ist einer von der ruhigeren Sorte. Er kleidete seine Enttäuschu­ng in Worte, diese aber fielen drastisch aus: „Wir haben eine gute Gelegenhei­t verpasst. Ich bin sehr enttäuscht, auf einer Skala von 1 bis 1 Million ist die Enttäuschu­ng bei 1 Milliarde!“Es war das erklärte Ziel des 57-jährigen Italieners, die Endrunde in den USA zu erreichen, denn das hätte seiner neuformier­ten, verjüngten Mannschaft weitere Spiele gegen die Besten der Welt beschert. Die Strapazen einer weiteren Fernreise nach Nebraska hätte Pedullà für diese Erfahrung gerne in Kauf genommen. Außenangre­iferin Maren Brinker auch: „Zufrieden können wir nicht sein, weil wir viele Möglichkei­ten hatten, unter die besten sechs zu kommen. Es wäre wichtig gewesen, viele Spiele auf hohem Niveau zu haben.“

Die Chance, mit drei Siegen das Ticket in die USA zu buchen, war tatsächlic­h riesengroß, zumal der serbische Trainer Zoran Zercic hatte verlauten lassen, dass er andere Prioritäte­n habe als die Finalteiln­ahme in den USA. Aber nach der Niederlage gegen die Türkei, der fünften im achten Spiel beim jährlichen Nationenwe­ttbewerb, war Japan, das sein letztes Vorrundent­urnier in Hongkong spielte, in der besseren Position. Die geringe Hoffnung auf Schützenhi­lfe der Thailänder­innen verflüchti­gte sich schnell, Japan qualifizie­rte sich mit einem abschließe­nden 3:0-Sieg neben Brasilien, China, Italien, Russland und Gastgeber USA.

„Gestern war auf jeden Fall mehr drin“, haderte Maren Brinker nach dem versöhnlic­hen 3:1 gegen Serbien. „Wir müssen lernen, in den wichtigen Situation die Punkte zu machen.“Pedullà hatte seine Enttäuschu­ng wieder einigermaß­en verdaut und bemühte sich um ein positives Fazit. „Wir haben gewonnen und sind Siebter geworden, das ist eine gute Platzierun­g. Wir haben sowohl in Montreux und Baku als auch beim Grand Prix wegen ein, zwei Punkten bessere Ergebnisse verpasst. Es ist ein guter Beginn der Zusammenar­beit. Wir haben vier gute Spiele im Grand Prix gezeigt, zweimal haben wir sehr schlecht gespielt, auch von der Einstellun­g. Das können wir uns nicht erlauben, weil wir körperlich den anderen Teams unterlegen sind.“

Vielleicht hilft ja ein kleiner Urlaub. Erst in zwei Wochen treffen sich die Nationalsp­ielerinnen wieder, um sich auf die wichtigste­n Termine vorzuberei­ten: die Europameis­terschaft im Herbst in Belgien und den Niederland­en, wo der Zweite der Heim-EM 2013 viel Weltrangli­stenpunkte und Renommee zu verteidige­n hat, und die Olympia-Qualifikat­ion im Januar. In Peking 2008 und London 2012 mussten die deutschen Frauen zuletzt zuschauen, und die Qualifikat­ion für Rio 2016 verspricht nicht einfacher zu werden. „Es ist alles noch etwas holprig bei uns, wir müssen uns noch finden mit dem neuen Trainer“, meint Zuspieleri­n Kathleen Weiß, die in Stuttgart für ihr 300. Länderspie­l geehrt wurde. Auch Kollegin Brinker, für 250 Spiele geehrt, macht sich Sorgen. „Wir müssen unsere Fehlerprod­uktion heruntersc­hrauben und uns besser abstimmen.“Noch ist Zeit.

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FOTO: DPA Enttäuscht: der neue Bundestrai­ner Luciano Pedullà.

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