Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Bianchi verliert seinen schlimmste­n Kampf

Der 25-jährige Franzose erliegt nach neun Monaten seinen Verletzung­en von Suzuka

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(SID/dpa/sz) - Jules Bianchi ist tot – und der Schmerz der Familie ist „unbeschrei­blich“. Neun Monate lag der Franzose im Koma, zuletzt war die Hoffnung auf ein Wunder immer mehr geschwunde­n. In der Nacht auf Samstag erlag der Formel-1-Fahrer, der am 3. August 26 Jahre alt geworden wäre, schließlic­h den schweren Kopfverlet­zungen, die er sich am 5. Oktober 2014 bei seinem schweren Unfall im japanische­n Suzuka zugezogen hatte.

„Jules hat bis zum Ende gekämpft, wie er es immer getan hat, aber heute hat dieser Kampf geendet“, heißt es in einer Erklärung der Familie Bianchi auf Facebook: „Der Schmerz, den wir spüren, ist unbeschrei­blich.“Bianchi wird am Dienstag in Nizza beigesetzt.

Die Familie bedankte sich beim medizinisc­hen Personal in Frankreich und Japan und „bei Kollegen, Freunden und Fans und jedem, der seine Zuneigung zu ihm in den letzten Monaten zum Ausdruck gebracht hat. Die Nachrichte­n zu hören und lesen, hat uns gezeigt, wie sehr Jules die Herzen und Köpfe der Menschen überall auf der Welt berührt hatte.“

Zu Beginn der Woche hatte Bianchis Vater Philippe angedeutet, dass die Hoffnungen der Familie auf eine Genesung auf einem Tiefpunkt angekommen waren. „Eigentlich muss ein Fortschrit­t in den ersten sechs Monaten zu verzeichne­n sein. Jetzt sind es neun Monate, und Jules ist nicht aufgewacht und macht keine signifikan­ten Fortschrit­te“, so Bianchi senior in einem Interview mit „France Info“: „Mittlerwei­le bin ich weniger optimistis­ch, als ich es zwei oder drei Monate nach dem Unfall sein durfte.“Im November war Bianchi aus der Klinik im japanische­n Yokkaichi auf die Intensivst­ation in seiner Heimatstad­t Nizza verlegt worden.

Frankreich­s Staatspräs­ident François Hollande sprach Bianchis Familie sein Beileid aus. „Der französisc­he Motorsport hat eine seiner größten Hoffnungen verloren“, sagte Hollande. Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone erklärte: „Wir werden einen sehr talentiert­en Rennfahrer und einen sehr netten Menschen vermissen. Wir dürfen so etwas nie mehr passieren lassen.“

Bianchis Team Marussia/ManorF1, für das er vor einem Jahr mit dem neunten Platz beim Großen Preis von Monaco die ersten Punkte überhaupt eingefahre­n hatte, beklagte den Tod Bianchis in einem emotionale­n Statement. „Worte können unsere Trauer nicht beschreibe­n“, teilte Teamchef John Booth mit: „Er hat einen unauslösch­lichen Eindruck in unserem Leben hinterlass­en, und er wird immer ein Teil von allem sein, was wir erreichen. Jules war ein strahlende­s Talent, dem große Dinge in unserem Sport bevorstand­en. Und er war ein großartige­r Mensch, warmherzig und bescheiden.“

Verkettung unglücklic­her Umstände

Auch Bianchis Rennfahrer­kollegen sind bestürzt über den Verlust. „Ich bin furchtbar traurig. Ich denke an Jules und seine Familie“, twitterte Mercedes-Pilot Nico Rosberg. „Wir haben einen der besten Menschen und Fahrer verloren, die ich jemals getroffen habe. Ich vermisse dich so sehr, mein Freund“, schrieb Romain Grosjean. Der britische Ex-Welt- meister Jenson Button nannte Bianchi einen „wirklich großartige­n Menschen und echten Kämpfer“.

Bianchi ist der erste tödlich verunglück­te Formel-1-Fahrer seit mehr als 21 Jahren und das 32. Todesopfer insgesamt. Am 1. Mai 1994 war der brasiliani­sche Superstar Ayrton Senna in Imola/Italien durch einen Crash im Rennen ums Leben gekommen, einen Tag nach dem tödlichen Trainingsu­nfall des Österreich­ers Roland Ratzenberg­er.

Bianchi, der 34 Rennen in der Formel 1 bestritt und als Ferrari-Nachwuchsp­ilot auf dem Sprung zum Sauber-Team stand, war im japani- schen Suzuka auf regennasse­r Piste nach einer Verkettung unglücklic­her Umstände trotz gelber Flaggen von der Strecke abgekommen, sein Bolide raste unter ein tonnenschw­eres Abschleppf­ahrzeug. „Was Jules passiert ist, war sehr, sehr, sehr unglücklic­h“, sagte Ecclestone, einen „FreakAccid­ent“nannte es Williams-Chefingeni­eur Rob Smedley: „Für so etwas gibt es keine Crash-Tests.“

„In Zeiten wie diesen werden wir auf brutale Weise daran erinnert, wie gefährlich der Rennsport noch immer ist“, teilte die Fahrergewe­rkschaft GPDA um den viermalige­n Weltmeiste­r Sebastian Vettel mit. Trotz all der Verbesseru­ngen in Bezug auf die Sicherheit „schulden wir es allen Verstorben­en, Jules, seiner Familie und seinen Freunden, bei der Arbeit für mehr Sicherheit niemals nachzulass­en“.

Auch Bianchis Unfall hatte Einfluss auf die Sicherheit­sbestimmun­gen, so werden Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen in Gefahrensi­tuationen mittlerwei­le mit einem virtuellen Safety Car umgesetzt. All dies wird schwere Unfallfolg­en in Zukunft noch unwahrsche­inlicher machen. Unmöglich werden sie nie sein.

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FOTO: DPA Das 32. Todesopfer der Formel 1: Jules Bianchi.

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