Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Wie die große Schwester
Die Äthiopierin Genzebe Dibaba bricht in Monaco den Uraltweltrekord über 1500 Meter
(dpa/SID) - Nun hat auch die „Kleine“den ganz großen Coup gelandet: Mit ihrem sensationellen 1500-Meter-Weltrekord ist Genzebe Dibaba endgültig aus dem Schatten ihrer älteren Schwestern Tirunesh und Ejegayehu getreten. Ein Jubelsturm brach am Freitagabend im Stade Louis II. in Monte Carlo los, als die 24 Jahre alte Äthiopierin beim Diamond-League-Meeting im Ziel die Arme hochriss. Sie konnte es selbst nicht fassen: In 3:50,07 Minuten blieb Dibaba 39 Hundertstel unter der 22 Jahre alten Fabelzeit der Chinesin Qu Yunxia. Deren Weltrekord vom 11. September 1993 galt bei Experten als auf lange Sicht uneinnehmbare Bastion.
„Ich glaube, Tirunesh wird glücklich sein, ganz Äthiopien wird glücklich sein“, sagte Genzebe Dibaba nach ihrem Sturmlauf. „Ich bin die erste 1500-Meter-Weltrekordlerin aus Äthiopien – das ist erstaunlich.“An Selbstvertrauen mangelt es der Afrikanerin aber nicht. „Ich wusste von Anfang an, dass ich den Weltrekord brechen kann“, sagte sie, „und ich bin in der Lage, mich noch zu verbessern. Vielleicht unter 3:50.“
Die zweimalige Hallen-Weltmeisterin über 1500 (2012) und 3000 Meter (2014) ist nun die große Favoritin bei der WM Ende August in Peking. Dort will sie die 1500 und die 5000 Meter laufen. Ihr großes Talent hat Genzebe Dibaba mit mehreren Hallen-Weltrekorden längst bewiesen.
Neun Tage vor Monaco rannte sie in Barcelona schon Afrika-Rekord – die 3:54,11 waren aber noch weit weg vom Weltrekord. Nun steigerte sie sich in Monaco um vier Sekunden. In diesem Jahrtausend war bis dato keine Läuferin unter 3:55 geblieben. Mit der sechs Jahre älteren Tirunesh kann sich Genzebe aber (noch) nicht messen: Ihre Schwester war dreimal Olympiasiegerin und holte bei internationalen Meisterschaften Gold im Dutzend.
„Die Tempomacherin hat einen hervorragenden Job gemacht“, sagte Genzebe Dibaba. Die zweitplatzierte Sifan Hassan stellte in 3:56,05 Minuten einen holländischen Rekord auf, hinter ihr stürmte Shannon Rowbury (USA) in 3:56,29 zum NordamerikaRekord. Drei weitere Läuferinnen blieben unter vier Minuten.
Die Chinesin Qu Yunxia gehörte in den 1990er-Jahren zur Armee des berüchtigten Trainers Ma Junren, der einst das „Geheimnis“seiner schnellen Truppe verraten hatte: Schildkrötenblut. Doping stritt er stets ab. Dabei gehörten sechs seiner Schützlinge zu den 27 Athleten, die von den Chinesen vor den Spielen 2000 in Sydney aus dem Verkehr gezogen wurden. Dibaba lässt das kalt: „Ich lebe meine eigene Geschichte, kümmere mich nicht um andere und darum, unter welchen Bedingungen sie gelaufen sind. Ich kann nur sagen, dass ich sehr hart arbeite und Gott für diesen Sieg danke“, sagte sie. Und sie träume davon, auch die Rekorde über 800 und 5000 Meter zu brechen.