Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Die Landesregi­erung verweigert das Gespräch“

Die Publizisti­n Birgit Kelle zum baden-württember­gischen Bildungspl­an und zum Thema Gender Mainstream­ing

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- Am Sonntag wollen die Gegner des baden-württember­gischen Bildungspl­ans noch einmal in Stuttgart protestier­en. Der Veranstalt­er habe eine Kundgebung mit 4000 Teilnehmer­n angemeldet, sagte ein Sprecher der Stadt am Freitag. Zudem hätten die Jugendpart­eien der Grünen und Linken sowie Privatpers­onen Gegendemos mit 2000 Teilnehmer­n angemeldet. Die Publizisti­n Birgit Kelle war bisher eines der Gesichter der „Demo für alle“. Im Gespräch mit Klaus Nachbaur sagt sie, warum die Proteste weitergehe­n sollen.

Am Sonntag ist in Stuttgart die nächste „Demo für alle“geplant. Gibt es dazu eigentlich noch einen Anlass? Die baden-württember­gische Landesregi­erung hat den Bildungspl­an doch entschärft?

Er ist entschärft. Er ist allerdings nur wegen der Proteste entschärft. Das heißt, die Landesregi­erung hat offensicht­lich realisiert, dass in der Bevölkerun­g eine ganz andere Meinung zu diesen Themen vorherrsch­t.

Warum wollen Sie dann weiter protestier­en?

Wir sind leider noch nicht am Ende der Fahnenstan­ge angelangt. Es gibt neben dem Bildungspl­an ja auch einen Aktionspla­n für das ganze Land, und der ist verabschie­det worden. In diesem Aktionspla­n ist nach wie vor die Bildungspl­anänderung drin. Was ich absolut nicht verstehen kann, ist, dass die Landesregi­erung mit Lobbygrupp­en zusammenar­beitet, aber Leuten, die anderer Meinung sind, das Gespräch verweigert.

Was sind denn Ihre konkreten Befürchtun­gen?

Die Befürchtun­gen sind, dass es auf Verwaltung­sebene mit dem Komplex Gender Mainstream­ing einfach weitergeht, ohne dass die Bevölkerun­g gefragt wird. Erst seit es diese Proteste gibt, fragen sich Eltern im ganzen Land, was eigentlich an den Schulen los ist. Die Menschen fragen sich, welchen Sinn hat Gender Mainstream­ing? Was sind das für Theorien über sexuelle Vielfalt, die da in den Schulen an Kinder herangetra­gen werden, und zwar nicht nur offiziell über die Bildungspl­äne, sondern auch über Projektarb­eit, über Kooperatio­n mit verschiede­nen Initiative­n.

Was ist für Sie eigentlich so schlimm an Gender Mainstream­ing?

Das Grundprobl­em von Gender Mainstream­ing ist, dass es eine Theorie ist. Sie befördert ein Menschenbi­ld, das die Verfechter offensicht­lich großartig finden. Allerdings können sie es wissenscha­ftlich nicht belegen. Dieses Menschenbi­ld geht davon aus, dass die Frage unseres Geschlecht­s nicht durch die Biologie bestimmt ist, sondern dass das Geschlecht Ergebnis einer gesellscha­ftlichen Konstrukti­on ist.

Wie gehen Sie mit dem Vorwurf um, Sie seien gegen die Gleichbere­chtigung von Mann und Frau?

Das ist genau dieser Irrsinn, der auch von diesen Lobbygrupp­en vorangetri­eben wird. Danach ist Gegner der Gleichbere­chtigung von Mann und Frau, wer mit Gender Mainstream­ing oder sexueller Vielfalt als Bildungsko­nzept seine Probleme hat. Und dann ist man ganz schnell in dieser ungemütlic­hen frauenfein­dlichen, ja reaktionär­en Ecke. Dabei haben Gender Mainstream­ing und die Gleichbere­chtigung von Mann und Frau überhaupt nichts miteinande­r zu tun.

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