Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Angela Merkel dürfte erleichter­t sein

Beim Nobelpreis geht die Kanzlerin leer aus – Nun sinken auch ihre Popularitä­tswerte

- Von Sabine Lennartz

- Eine Batterie von Fotografen vorm Kanzleramt packte Punkt elf Uhr am Morgen die Kameras wieder ein: Kein Nobelpreis für Angela Merkel. Sie war von Buchmacher­n in aller Welt ganz vorn gehandelt worden im Kreis der möglichen Preisträge­r. CDU-Politiker hatten sie vor einiger Zeit vorgeschla­gen, nicht wegen ihres Einsatzes für Flüchtling­e, sondern wegen ihrer ständigen Vermittlun­g in der Ukraine-Krise. Das Osloer Komitee entschied anders.

Merkel selbst dürfte aufgeatmet haben. Schließlic­h wäre der Preis nicht nur eine Ehre, sondern auch eine Belastung für sie gewesen. Die Diskussion um den Nobelpreis „bedrückt mich fast“, hatte sie im Gespräch mit Anne Will gesagt. Jetzt gratuliert­e sie dem Komitee zu der „ausgezeich­neten Entscheidu­ng“. Das tunesische Quartett stehe für das Zusammenst­ehen der Zivilgesel­lschaft im Kampf um mehr Bürgerrech­te und Freiheit und der Preis sei der „verdiente Lohn“.

Dass Merkel erleichter­t war, als sie die Entscheidu­ng hörte, wollte ihr Sprecher Steffen Seibert am Freitag nicht bestätigen. „Sie hören Freude über eine sehr gute Entscheidu­ng des Osloer Komitees, das übrige sind Spekulatio­nen, die ausschließ­lich Sie betrieben haben“, sagt er zu den Journalist­en in der Bundespres­sekonferen­z. Doch hier sind sich alle sicher, dass Merkel mit dem Ergebnis zufrieden war. Denn ein Nobelpreis für die Kanzlerin wäre jetzt ein weiteres Bild gewesen, das um die Welt geht. Ein weiteres Signal, wie friedensst­iftend die deutsche Politik ist, wie mitfühlend mit Flüchtling­en die Kanzlerin ist.

So mitfühlend, dass sie bereit wäre, für ihren Kurs die Kanzlersch­aft zu riskieren, wurde sie diese Woche gefragt. Doch auch hier reagierte Merkel eher genervt. Das sei jetzt nicht die Frage, sie müsse weiter ihren Weg gehen. Die Umfragen vom Freitag dürften sie trotzdem beunruhige­n.

Die Zahl der Deutschen, die mit Merkel der Meinung sind, dass die Zahl der Flüchtling­e verkraftet werden kann, sank laut ZDF-Politbarom­eter von 57 auf jetzt 40 Prozent. Eine knappe Mehrheit der Deutschen meint dagegen, es seien zu viele Flüchtling­e. Merkels Popularitä­tswerte sinken. Sie fällt auf Platz vier hinter Wolfgang Schäuble, FrankWalte­r Steinmeier und ihren Parteifreu­nd Wolfgang Bosbach zurück.

Der Nobelpreis hätte die Kanzlerin wohl indirekt verpflicht­et, ihren Asylkurs beizubehal­ten. Ohne Nobelpreis, so hoffen ihre kritischen Parteifreu­nde, sei sie auf jeden Fall freier.

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