Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Bayerische „Notmaßnahmen“bleiben nebulös
Seehofer stellt Forderungen an Berlin – Freistaat sieht Grenze der Belastbarkeit in Flüchtlingskrise erreicht
- Groß war der Medienandrang am Freitag nach einer Sondersitzung der bayerischen Staatsregierung in München. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte im Vorfeld mit der Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze oder deren Weiterleitung in andere Bundesländer gedroht. Doch konkreter wurden die „Notmaßnahmen“nicht.
Diese „Notmaßnahmen“seien für den Fall gedacht, dass alle anderen Forderungen an die Adresse der Bundesregierung nicht auf fruchtbaren Boden fallen sollten, erläuterte Seehofer. Seine Forderungen umfassen Bekanntes: Berlin müsse sich in der EU für die Beachtung des Schutzes der EU-Außengrenzen und der Dublin-Verordnung einsetzen. Außer- dem müssten „umgehend“die gesetzlichen Grundlagen für die Einführung des „Landgrenzverfahrens“, besser bekannt als „Transitzonen“, geschaffen werden, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU).
Etwas versöhnlicher gab sich Seehofer, was die Weiterleitung von Asylbewerbern in andere Länder nach dem so genannten Königsteiner Schlüssel angeht. Das habe zuletzt etwas besser funktioniert. Sollten jedoch andere Länder wieder in das alte Schema des Abwehrens zurückfallen, müsse man an die „unmittelbare Weiterleitung aller neu eintreffenden Asylbewerber“denken.
Die bayerische CSU-Staatsregierung stellt sich vor, dass Asylbewerber in den für die Erstaufnahme zuständigen Mitgliedsstaat zurückzuüberstellen sind, wie es das Dublin- Abkommen vorsieht. „Falls der Bund auch hier nicht tätig werden sollte“, heißt es im Kommuniqué des Ministerrats, „behält sich der Freistaat vor, anlassbezogen eigene Maßnahmen zu ergreifen“. Wie diese Maßnahmen aussehen, wollte Seehofer nicht verraten: „Wir wissen schon, was wir tun werden. Aber es wäre nicht sehr klug, darüber zu reden“.
Keine Zeitvorgabe für Klage
Ebenfalls keine zeitliche Vorgabe gibt es für eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, die Bayern erheben will, wenn der Bund nicht „bald“wirksame Maßnahmen ergreift, um den weiteren Zuzug von Asylbewerbern zu begrenzen.
Im Streit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte Seehofer allerdings die Konfrontation nicht weiter treiben. „Wir arbeiten weiter vernünftig zusammen unter Aufrechterhaltung unterschiedlicher Standpunkte“, sagte er. An die Adresse Merkels gerichtet ist die Aufforderung der bayerischen Regierung, ein Signal zu setzen, dass „Deutschland die Grenzen der Belastbarkeit erreicht hat“.
Die bayerische Regierung beschloss ein Sonderprogramm „Zusammenhalt fördern, Integration stärken“im Umfang von 489 Millionen Euro. Damit sollen unter anderem 3772 zusätzliche Stellen bei Polizei, Behörden und Gerichtsbarkeit sowie im Schulsystem geschaffen werden. Bis 2019 sollen 28 000 staatliche oder staatlich geförderte Mietwohnungen neu entstehen.