Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Ein Hotelier erfüllt sich seinen Traum
Florian Werner eröffnet am Arlberg ein Kulturareal – Konzertsaal schwimmt wie ein Schiff im Hochmoor
- Er gilt als Wiege des alpinen Skilaufs und ist bis heute legendär für seine Wintersportmöglichkeiten: der Arlberg. Mehr als eine Million Touristen pro Jahr verzeichnet die Region zwischen den mondänen Bergdörfern St. Christoph, St. Anton, Zürs und Lech. Jetzt kommt mit der Kunsthalle „Arlberg 1800“eine neue Attraktion hinzu. Der Tiroler Architekt Jürgen Kitzmüller hat in St. Christoph auf 1800 Metern Höhe ein zurückhaltendes Gebäude mit Wellendach entworfen, das großteils unter der Erde liegt. Initiator des ambitionierten Projekts ist der Hotelier und Gastronom Florian Werner.
Noch ist das Haus eine riesengroße Baustelle. Doch die Zeit drängt, denn das neue Kulturareal „Arlberg 1800“muss in sechs Wochen fertig sein. Die offizielle Eröffnung ist am 21. November. Das ist sportlich, aber Architekt Jürgen Kitzmüller lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Schließlich ist der Konzertsaal schon seit Anfang dieser Woche in Betrieb. Auch die gigantische technische Anlage im zweiten Untergeschoss läuft inzwischen rund.
Kitzmüller, der in Lech lebt und in Absam bei Innsbruck sein Büro hat, ist ein Freund des Hoteliers Florian Werner und dessen Hausarchitekt. Sein Schwerpunkt sind Bergstationen, Hotels, Restaurants. Die Kunsthalle in St. Christoph ist sein erstes Projekt dieser Art. Werner wiederum betreibt erfolgreich in der dritten Generation das Arlberg Resort, ein Fünf-Sterne-Komplex, der inklusive des neuen Kulturzentrums nun sechs Häuser umfasst. Sprich, dem Unternehmer gehört in dem Dorf mit 30 Einwohnern der halbe Ort.
Dach in Form einer Welle
Das neue Kulturzentrum steht in St. Christoph am Ortsrand auf dem einstigen Busparkplatz. Kitzmüller hat das Dach des Gebäudes in Form einer flachen Welle angelegt und knüpft damit an Renzo Pianos PaulKlee-Zentrum in Bern an. Hier steigt die Welle jedoch direkt aus dem Boden nach oben und schwappt gegen den bereits bestehenden Altbau des Arlberg Hospiz Hotels. Somit schafft der 45-jährige Architekt elegant den Übergang zur Sonnenterrasse des Hauses. Lamellen an der Fassade nehmen diese Wellenbewegung auf und leiten über auf das verglaste Foyer mit anschließender Tiefgarage. Die Räumlichkeiten selbst liegen tief unter der Erde mitten im Moor.
Herzstück des Neubaus mit einer Fläche von 1500 Quadratmetern sind im ersten Untergeschoss Kunsthalle und Konzertsaal. Drumherum gruppieren sich ein Empfangsbereich, ein Kabinett, Atelier- und Studioräume sowie eine Bar. Schon oben im Foyer kann der Besucher in die beiden unterirdischen Haupträume blicken: Rechter Hand ist die Ausstellungshalle zu sehen. Der lang gestreckte Saal aus Beton weckt mit seiner Höhe von acht Metern und dem gerundetem Glasfenster gen Osten Assoziationen an eine Kathedrale.
Linker Hand öffnet sich zwischen den Pfeilern, die an Klaviertasten erinnern, der in Eichenholz verkleidete Musiksaal. Er schwimmt wie ein Schiff im Hochmoor. „Der Raum besteht aus einer Stahlkonstruktion, die man im Schiffsbau verwendet, und ist schwingend gelagert“, erklärt der Architekt. Seine mit Eichenlatten auf schwarzem Grund strukturierten Wände sind wie die Gipsdecke aus akustischen Gründen wellenförmig angelegt und stellen damit die Ver- bindung zur Dachkonstruktion her. Die bewegte Hülle verstärkt den Klang bis er von der schwarzen Rückwand unterhalb der Balustrade absorbiert wird, damit kein Schall entsteht. In dem Kammermusiksaal mit dem Steinway-Flügel finden 190 Personen Platz. Insgesamt wirkt das neue Gebäude mit seinen gedeckten Farben zurückhaltend. Die Räume sind nicht überdekoriert, so dass die Kunst zur Geltung kommt.
Kosten von 26 Millionen Euro
Finanziert wird das Projekt durch den Verkauf von 17 Luxussuiten in zwei Landhäusern, die neben dem Kulturzentrum hochgezogen und durch einen Gang im Untergeschoss mit dem Hotel-Komplex verbunden werden. Die Gesamtkosten liegen bei 26 Millionen Euro, davon fällt die Hälfte auf die Kunsthalle. Summen, bei denen so mancher Einheimische am Arlberg nur den Kopf schüttelt.
Für Initiator Florian Werner geht dagegen ein Traum in Erfüllung. „Angefangen hat alles vor zehn Jah- ren mit eigenen malerischen Erfahrungen.“Nach Meisterkursen bei Hermann Nitsch schuf der Autodidakt sogenannte geschüttete Bilder, die heute in der Hoteltiefgarage hängen. 2008 eröffnete Werner dann in den Räumlichkeiten des Arlberg Hospiz Hotels eine Art Galerie. Gleichzeitig rief er ein Artist-in-Residence-Programm für Nachwuchskünstler ins Leben. Daran wird sich auch künftig nichts ändern. Neu sind dagegen Meisterkurse und Workshops zur Förderung junger Musiker.
Bei aller Leidenschaft für die Schönen Künste hat der 49-jährige Gastronom die Geschäfte im Blick. So erhofft sich Werner von dem neuen Kunstareal „eine verlängerte Saison“, damit in der schneefreien Jahreszeit mehr Gäste kommen.