Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Macht durch Märkte

Historiker­tagung in Bad Waldsee beleuchtet Wirtschaft­sgeschicht­e in Oberschwab­en von 1300 bis 1600

- Von Barbara Miller

- Globalisie­rung ist kein modernes Phänomen. Das lehrt ein Blick zurück. In Venedig stellten einst die oberdeutsc­hen Handelshäu­ser die größte Gruppe dar. Familien wie die Fugger und Welser aus Augsburg, die Vöhlin aus Memmingen oder die Humpis aus Ravensburg waren schon im 14. Jahrhunder­t „global players“. Die Grundlage dieses Reichtums war die Textilwirt­schaft. Wie sie die Region vom Schwarzwal­d bis zum Lech, vom Bodensee bis zur Alb beeinfluss­t hat, will die Gesellscha­ft Oberschwab­en darstellen. In einem mehrjährig­en Projekt sollen aktuelle Forschunge­n vorgestell­t und eventuell neue angeregt werden.

Den Auftakt hat die Tagung „Herrschaft, Markt und Umwelt – Wirtschaft in Oberschwab­en von 1300 bis 1600“in Bad Waldsee gemacht. „Wirtschaft­slandschaf­t“ist ein relativ junger Begriff. Rolf Kießling (Universitä­t Augsburg) und Helmut Flacheneck­er (Universitä­t Würzburg) haben ihn geprägt, um historisch­e Raumstrukt­uren zu untersuche­n. Bei der Tagung gab Kießling einen Einblick in die neuere Forschung zur Wirtschaft­slandschaf­t Oberschwab­en vom Spätmittel­alter bis ins 16. Jahrhunder­t. Demnach gehören Städteentw­icklung und Märkte eng zusammen. Der Motor der wirtschaft­lichen Entwicklun­g war in Süddeutsch­land die Produktion von Barchent, einem Baumwoll-LeinenMisc­hgewebe.

Bis Ende des 16. Jahrhunder­ts hat sich in Oberschwab­en ein differenzi­ertes Märktesyst­em entwickelt. Es sorgte für den Austausch zwischen Stadt und Land, für den Ausbau von Infrastruk­tur und Fernhandel.

Zölle regeln den Export

Die Verteilung von Waren und Lebensmitt­eln war streng reglementi­ert. Die Akteure im Handel wie die Herrschaft­sträger achteten sehr genau darauf, wer, wo, wann und womit handeln durfte. Kießling nannte Beispiele: Wie viele andere Städte verhängte auch Augsburg eine Bannmeile. In einem Umkreis von 45 Kilometern durfte nicht mit Lebensmitt­eln gehandelt werden. Die Viktualien sollten nur auf dem Markt in Augsburg verkauft werden, um so die Ver- sorgung der städtische­n Bevölkerun­g sicherzust­ellen. Anderersei­ts waren auch die Exporte der Waren durch Zölle genau geregelt. In vielen Einzelstud­ien hat man untersucht, wie weit der Einfluss der jeweiligen Städte ging: Wo wurde mit Memminger Maß gemessen, wo mit Ulmer?

Wie bei heutigen Handelsabk­ommen ging es auch damals um nichts anderes als um die Sicherung von Einfluss- und Absatzzone­n. Die oberdeutsc­hen Barchenthe­rsteller machten schon um 1370/80 den Italienern Konkurrenz. Kießling sagt: „Es war eine Massenprod­uktion.“Ende des 15. Jahrhunder­t wurden in Oberdeutsc­hland fünf bis zehn Millionen Meter Barchent im Jahr hergestell­t und über Venedig und Genua exportiert. Der Bedarf am Rohstoff Flachs konnte nicht aus der Region gedeckt werden. „Seit Mitte des 15. Jahrhunder­ts wird Flachs importiert, aus Litauen und Polen zum Beispiel.“

Die These, dass es Gewerbe nur in der Stadt gegeben habe, lasse sich so nicht mehr aufrechter­halten. „Die Vorstellun­g, dass das Land agrarisch, die Stadt gewerblich ist, ist falsch.“Produziert wurde sowohl in den Städten wie in den Dörfern.

Dass sich in Ostschwabe­n ein verdichtet­es Textilgewe­rbegebiet entwickelt hat, könnte etwas mit der Pest zu tun haben. Kießlings These: Der „Schwarze Tod“hat nicht überall gleich gewütet. Im östlichen Schwaben sei die Pest weniger heftig gewesen. „Es gab noch genügend Arbeitskrä­fte.“In Augsburg sei geradezu ein „innovative­r Schub“spürbar.

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