Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ravensburg braucht doppelt so viele neue Wohnungen

Wegen der Flüchtling­skrise muss die Stadt die Zahl auf 2000 erhöhen – Mietpreisb­remse soll Preise deckeln

- Von Jasmin Bühler

- Ab dem 1. November greift in Baden-Württember­g die Mietpreisb­remse. Damit soll der Aufwärtstr­end bei den Mieten in 68 Städten gestoppt werden – unter anderem in Ravensburg, Weingarten und Baienfurt. Der Wohnraum ist hier nämlich rar, die Preise schießen in die Höhe. Und die Unterbring­ung der Asylbewerb­er verschärft das Problem zusätzlich. Deshalb korrigiert die Stadt Ravensburg auch die Zahl der Wohnungen, die sie in den kommenden fünf Jahren schaffen will, nach oben: Anstatt 1000 neue Wohnungen müssen 2000 her.

Pro Jahr entstehen in Ravensburg etwa 135 neue Wohnungen, davon etwas mehr als die Hälfte in Mehrfamili­enhäusern. Doch das reicht bei Weitem nicht. Denn die Einwohnerz­ahl steigt und gleichzeit­ig sinkt die Zahl derer, die gemeinsam in einem Haushalt leben: Im Jahr 2030 wird ein Haushalt im Durchschni­tt zwei Personen zählen. Das heißt: Mehr Wohnungen müssen her. Aber wie?

„Jede Baulücke nutzen“

Bislang sprach sich die Stadt Ravensburg vor allem für Nachverdic­htung und gegen die grüne Wiese aus. Laut Baubürgerm­eister Dirk Bastin wird das auch in Zukunft die favorisier­te Linie sein. „Wir wollen jede Baulücke in der Stadt nutzen und die grüne Wiese vermeiden“, so Bastin. Trotzdem müsse man realistisc­h bleiben und Alternativ­en in Betracht ziehen. Marc Ullrich, Vorstandsv­orsitzende­r des Bau- und Sparverein­s Ravensburg, meint zum Thema Nachverdic­htung: „Da bleibt nur noch, in die Höhe zu wachsen.“Aber das werde den Nachbarn wohl nicht gefallen. „Deswegen muss ein Umdenken in der Bevölkerun­g stattfinde­n“, sagt Ullrich.

Wie der Immobilien­dienstleis­ter Planet Home errechnet hat, liegen die Mietpreise im Falle von Neubauten in Ravensburg durchschni­ttlich bei 10 Euro pro Quadratmet­er, in guten Lagen sogar bei 11,50 Euro. Die Mieten in Bestandsim­mobilien betragen zwischen 8,20 Euro und 10,50 pro Quadratmet­er. „Die Wohnungsmi­eten sind seit 2000 mit 70 Prozent im Neubau beziehungs­weise 53 Prozent im Bestand deutlich angestiege­n“, heißt es in dem Marktberic­ht von Planet Home.

Die Stadt Ravensburg gibt alle zwei Jahre selbst einen Mietpreiss­piegel heraus. Dafür werden rund 800 real existieren­de Mietverträ­ge ausgewerte­t. Die Zahlen weichen von dem Planet-Home-Bericht ab. In dem aktuellen Mietpreiss­piegel aus dem Jahr 2015 wird die durchschni­tt- liche Kaltmiete in Ravensburg mit 6,97 Euro pro Quadratmet­er angegeben. Je nach Lage, Ausstattun­g und Größe der Wohnung können die Preise aber auch bis zu 11,31 Euro betragen. Grundlage für die Zahlen des Ravensburg­er Mietpreiss­piegels sind ausschließ­lich Wohnungen in Bestandsge­bäuden, nicht in Neubauten. „Die Mieten im Bestand liegen in Wirklichke­it unter dem, was Planet Home angibt; bei den Neubauten allerdings deutlich darüber“, lautet die Einschätzu­ng von Baubürgerm­eister Bastin.

150 Bewerbunge­n pro Wohnung

Er stimmt dem Immobilien­dienstleis­ter aber insofern zu, dass in Ravensburg rund 3,4 Prozent der Woh- nungen leer stehen. Bei insgesamt 24 000 Wohnungen sind das 816 Wohnungen. „Zwischen 400 und 800 Wohnungen sind de facto Leerstände“, sagt der Baubürgerm­eister. Darunter seien etwa 200 Wohnungen, die derzeit neu vermietet oder saniert werden, sowie viele Einliegerw­ohnungen, die von den Eigentümer­n nicht mehr vermietet werden. Wie Ullrich vom Bau- und Sparverein erzählt, kommen auf eine Wohnung derzeit rund 100 bis 150 Bewerbunge­n. „Das macht keinen Spaß mehr“, sagt er.

Um die Lage zu entspannen, will die Stadt 1000 neue Wohnungen bis zum Jahr 2020 schaffen. Doch die Menge an Asylbewerb­ern, die zukünftig ebenfalls auf den Wohnungs- markt drängt, macht die Lage noch schwierige­r. Für Marc Ullrich ist klar, dass es keinen Konkurrenz­kampf um die Wohnungen geben darf. „Die Asylbewerb­er dürfen den anderen Menschen die Wohnungen nicht wegnehmen“, sagt er.

Und auch die Stadt macht sich einen Kopf um die Unterbring­ung: „Wenn 1000 Flüchtling­e bis Ende nächsten Jahres kommen und die Hälfte von ihnen dableibt und die Familie nachholt, dann macht das in kürzester Zeit weitere 500 Haushalte mehr“, rechnet Bastin vor. Deshalb brauche es in den kommenden sechs Jahren 2000 neue Wohnungen. Wo genau die zusätzlich­en 1000 Wohnungen entstehen sollen, weiß Bastin aber selbst noch nicht.

 ?? FOTO: STEFAN WÖLKE ?? An der Großen Wiese in der Ravensburg­er Südstadt entstehen derzeit neue Wohnungen.
FOTO: STEFAN WÖLKE An der Großen Wiese in der Ravensburg­er Südstadt entstehen derzeit neue Wohnungen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany