Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Flüchtlinge kommen trotz Brandanschlag
Asylbewerberunterkunft wird wie geplant fertig – Ermittlungen sind schwierig
- Im Gewerbegebiet Neuhaus ist wieder der Alltag eingekehrt. Nach dem Brandanschlag auf die künftige Flüchtlingsunterkunft in der Benzstraße in der Nacht vom 28. auf den 29. September herrschte tagelang Ausnahmezustand. Die Polizei beschlagnahmte Teile des Gebäudes, sicherte Spuren, befragte Nachbarn und Beschäftigte der umliegenden Betriebe. Bisher leider ohne konkretes Ergebnis, wie der Sprecher des Konstanzer Polizeipräsidiums, Markus Sauter, gestern auf Anfrage sagte.
Sein Ziel, die Unterbringung von Asylbewerbern in der ehemaligen Fabrikhalle zu verzögern oder gar unmöglich zu machen, hat der Täter nicht erreicht. „Wir gehen davon aus, dass die Unterkunft wie geplant Anfang bis Mitte November bezugsfertig ist“, sagte der Pressesprecher des Landratsamtes, Robert Schwarz. Die Arbeiten an der beschädigten Fassade könnten parallel zum Innenausbau erfolgen. Bei dem ursprünglich auf 20 000 Euro geschätzten Schaden werde es wohl nicht bleiben. Bis zu 50 000 Euro werde die Beseitigung der Brandschäden kosten. Vorgesehen ist die Unterkunft für rund 50 Personen, es könnten aber auch 70 werden, sagte Schwarz.
Die Ermittlungen der Polizei gestalten sich offenbar schwierig. Bis auf zwei Hinweise eher allgemeiner Natur, die nach einem Zeugenaufruf eingegangen sind, habe sich nichts weiteres ergeben, sagte Polizeisprecher Sauter. Sicher sei bis jetzt nur: Das Feuer wurde nach Mitternacht gelegt. Also wenige Stunden nach Ende einer Bürgerversammlung, auf der es unter anderem um das Thema Unterbringung von Flüchtlingen ging. Ein Zusammenhang liegt nahe, ist aber nicht erwiesen.
Zu der Art von Brandbeschleuniger, die der oder die Täter verwendeten, äußert sich die Polizei nicht. Zeugen gibt es offenbar auch keine. Weder Mitarbeiter des Paketdienstes ups, der auf der anderen Straßenseite seinen Sitz hat, noch die der anderen Betriebe oder Zeitungsausträger, die befragt wurden, hätten Verdächtiges bemerkt. Den Brand selbst entdeckte gegen 4.50 Uhr ein Mitar- beiter der Firma Beger, Behälter- und Apparatebau, die neben der Unterkunft ihren Standort hat. Kurz vor 5 Uhr rückte die Feuerwehr an, die den Brand rasch löschte.
Es war der erste Anschlag auf eine Asylunterkunft im Bodenseekreis. Dass es ausgerechnet Oberteuringen traf, halten Ortskundige für einen Zufall. Eine rechte Szene, der man es auch zutrauen würde, ein solches Fanal zu setzen, ist im Ort nicht bekannt.
Es liegt daher nahe, den Brandstifter bei jener Gruppe von Tatverdächtigen zu vermuten, die Bundesinnenminister Thomas de Maizière gestern gegenüber Zeitungen der Funker-Mediengruppe so einordnete: Zwei Drittel der Tatverdächtigen aller 490 Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte in diesem Jahr seien „Bürger aus der Region, die sich bisher nichts zuschulden kommen ließen“. Eine besorgniserregende Tendenz, zeigt sie doch, welch kriminelle Energie Fremdenangst freisetzen kann.
Deutliche Worte findet Bürgermeister Karl-Heinz Beck, wenn er von einem Verbrechen spricht, das Entsetzen ausgelöst habe und Abscheu verdiene. Dass in Oberteuringen Fremdenfeindlichkeit keinen Platz hat, zeigte die Mahnwache auf dem Martinsplatz, an der sich am vergangenen Samstag rund 200 Menschen beteiligten. Mancher hätte sich eine stärkere Beteiligung gewünscht. Im Leitartikel des aktuellen Teuringer Amtsblatts macht der Bürgermeister deutlich, dass alle gesellschaftlich relevanten Kräfte im Dorf an einem Strang ziehen: Gemeinderäte, Parteien, Kirchen, Vereine, Organisationen.
Der Schultes dankt ausdrücklich allen, die „anpacken, spenden und mithelfen“, die große Herausforderung der Unterbringung und Integration von Flüchtlingen zu bewältigen. In Oberteuringen wie auch in anderen Kommunen sind das nicht wenige, wie Helferkreise mit Hunderten von Ehrenamtlichen zeigen.