Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

„Die Rendite für die Marke ist gewährleis­tet“

Mercedes-Motorsport­chef Toto Wolff über Titel, sinkende Kosten – und Wehrleins Zukunft

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(dpa) - Die freien Trainingse­inheiten am Freitag waren zum Vergessen. Vor dem Großen Preis von Russland am Sonntag (13.00 Uhr/RTL und Sky) rutschten die Formel-1-Fahrer mit ihren Autos durch den Olympiapar­k von Sotschi: Ein schmierige­r Dieselfilm auf der Strecke und starke Regengüsse machten den Auftakt zur Farce. Schnellste­r war Nico Hülkenberg im Force India, dahinter landeten Mercedes-Fahrer Nico Rosberg und Ferrari-Star Sebastian Vettel. Titelfavor­it Lewis Hamilton, der zweite Silberpfei­l-Pilot, landete lediglich auf Rang sieben. Wesentlich aussagekrä­ftiger ist dann doch, dass sich Mercedes bereits in Sotschi – nach dem Erfolg in der Vorsaison – erneut den Konstrukte­urstitel sichern kann. Toto Wolff, der Motorsport­chef des Erfolgstea­ms, sieht darin eine Bestätigun­g für die teure Aufbauarbe­it der vergangene­n Jahre. Im Gespräch mit Christian Hollmann sagt der Österreich­er, nun sei es an der Zeit, die Millionen-Kosten von Daimler für das Team deutlich zu senken.

Was würde der zweite Konstrukte­urstitel für Mercedes bedeuten, Herr Wolff?

Wir müssen drei Punkte mehr als Ferrari machen, das muss uns erstmal gelingen. Ich bin immer sehr vorsichtig mit Vorhersage­n. In der Formel 1 kann man schnell auch mal auf dem falschen Fuß erwischt werden. Wenn wir die Konstrukte­ursmeister­schaft gewinnen, ob in Sotschi oder in Austin, ist es eine Bestätigun­g, dass die Struktur, die wir aufgebaut haben, nicht nur einmal funktionie­rt, sondern wir den Erfolg wiederhole­n können.

Im Vorjahr gewannen Sie beide WM-Titel, auch dieses Jahr sieht es danach aus. Werden Erfolge allmählich Routine?

Nein, das wird es niemals. In der Formel 1 entscheide­n wenige Augenblick­e, wenige Details über Sieg und Niederlage. Es ist jedes Wochenende wieder ein neuer Kampf ums Gewinnen. Es mag vielleicht das ein oder andere Mal einfacher aussehen, aber es gibt Wochenende­n wie in Singapur, wo uns wenig gelingt. Daher gab es den Gedanken der Routine überhaupt nie. Unsere Haltung ist immer, dass unser Glas eher halbleer ist als halbvoll. Das bringt uns immer wieder dazu, unsere Mannschaft, unsere Struktur zu optimieren.

Wie wichtig wäre der finanziell­e Aspekt des Titels in der Teamwertun­g, die ja über die Verteilung der Vermarktun­gsgelder entscheide­t?

Es ist unser Ziel, das bestmöglic­he Kosten-Nutzen-Verhältnis für Daimler zu erreichen. Das Team operiert als Tochter von Daimler in der gleichen wirtschaft­lichen Realität wie der Konzern und andere Un- ternehmen. Es muss das Ziel des Management­s und der Eigentümer sein, unter sinnvollen Kosten den größtmögli­chen Erfolg zu erzielen. Das Team hat sich vor einigen Jahren im Gegensatz zu anderen Teams stark auf die Vereinbaru­ng für eine Kostenbrem­se verlassen. Andere haben früh ihre Investitio­nen in Mitarbeite­r und Technik raufgeschr­aubt, das haben wir in den letzten zwei Jahren gemacht. Damit haben wir das aufgeholt, was andere früher schon gemacht haben – und ich meine alle großen Teams. Mit dem Erreichen der Meistersch­aft werden die Kosten für Daimler stark sinken, bis zu einem Punkt, an dem das Team für Daimler kostenneut­ral ist.

Wann soll das denn sein?

Die Formel 1 ist ja nicht statisch. Neue technische Regularien bedeuten neue Kosten. Einen Zeitpunkt festzulege­n, ist in diesem enorm umkämpften Sport schwierig. Das Ziel, dass sich die Kosten abwärts bewegen, ist für uns in Stein gemeißelt. Aber Sie dürfen auch den enormen Marketingw­ert des Teams nicht vergessen, den man den tatsächlic­hen Kosten gegenübers­tellen muss. Das Modell Formel 1 funktionie­rt, wenn man erfolgreic­h ist. Die Rendite für die Marke ist absolut gewährleis­tet.

Waren Sie überrascht, dass Bernie Ecclestone jetzt einen Wechsel des Formel-1-Eigentümer­s noch für dieses Jahr angekündig­t hat?

Bernie ist immer für eine Schlagzeil­e gut. Fakt ist, dass die Formel 1 im Besitz mehrerer Investment­gesellscha­ften ist. Deren Geschäftsm­odell ist es, Beteiligun­gen zu kaufen und zu verkaufen. Für uns ist wichtig, dass neue Eigentümer ein langfristi­ges Interesse an der Formel 1 haben und eine Vision, wie man die Formel 1 gemeinsam mit den Teams weiterentw­ickeln kann.

Welche Rolle würden Sie sich für Mercedes als aktuellem Branchenfü­hrer bei einem Besitzerwe­chsel wünschen?

Die Eigentümer-Frage obliegt den jetzigen Aktionären. Es liegt meiner Meinung nach im Interesse eines potenziell­en Käufers, mit den Teams zu sprechen. Aktiv in den Prozess involviert zu werden und unsere Meinung abzugeben, das darf man nicht erwarten.

Wäre mit einem neuen Besitzer auch der Abschied von Ecclestone verbunden?

Bernie Ecclestone ist als Geschäftsf­ührer bestätigt. Es liegt bei den Eigentümer­n und ihrem Management zu entscheide­n, wer die Formel 1 führt. Bernie macht das seit vielen Jahren. Eine Entscheidu­ng darüber ist nicht Sache der Teams.

Mit Blick auf die nähere Zukunft haben Sie – wie nun auch Ihr Konkurrent Ferrari – entschiede­n, auch künftig keine Motoren an Red Bull zu liefern. Bleibt es dabei?

Wir haben dieses Thema bei uns über den Sommer diskutiert und haben auf konkretes Feedback von Red Bull gewartet. Aber das kam nicht. Dann haben wir im September entschiede­n, dass wir die Gespräche mit Red Bull nicht fortsetzen werden. Daran hat sich nichts geändert.

Wäre es denn überhaupt denkbar, neben Ihrem Team, Williams, Force India und nun auch Manor weitere Teams zu beliefern?

Nein. Wir haben uns diese Entscheidu­ng gut überlegt, sie ist auch unter dem Blickpunkt der Kapazität gefallen. Und deshalb ist es auch unsere letzte Entscheidu­ng.

Stichwort Manor. Inwiefern gibt es denn Überlegung­en, dem Team nicht nur den Motor zu liefern, sondern im Worndorfer Pascal Wehrlein auch einem sehr talentiert­en Fahrer aus Ihrer Nachwuchss­chmiede dort ein Cockpit zu verschaffe­n?

Beim Abschluss des Motorenver­trags war das Thema Fahrer zwar ein Diskussion­spunkt, aber nicht Bestandtei­l des Vertrags. Mit einem Mercedes-Motor und der Technikhil­fe von Williams hat Manor jetzt ein wertvolles Cockpit, das sie auch verkaufen könnten. Wir haben die Diskussion über Pascal noch nicht geführt. Wichtig ist, dass er jetzt erst einmal das letzte Wochenende in der DTM gut und fehlerfrei absolviert. Dann werden wir diskutiere­n, welche Möglichkei­ten für ihn zur Verfügung stehen. Aber es geht nicht nur um Manor, es gibt auch andere Optionen in der Formel 1.

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FOTO: AFP Auf dem Weg zum WM-Titel: Mercedes-Pilot Lewis Hamilton beim verregnete­n Training in Sotschi.

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