Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Alles auf Rot

Trainer Jürgen Klopp wird in Liverpool als Superstar begrüßt, dämpft aber die Erwartunge­n

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(dpa/micb) - Zu Beginn gab es gleich ein „Sorry“: Doch die Entschuldi­gung für sein Englisch dürfte von Jürgen Klopp nicht mehr als Koketterie gewesen sein. Die Haare kürzer, das Gesicht schmaler und das Grinsen breit wie eh und je präsentier­te sich der neue Trainer des FC Liverpool beim ersten Auftritt an der Anfield Road am Freitag eloquent – seine Mimik wirkte ob der Fragen der englischen Journalist­en nur selten angestreng­t. Das mag auch daran liegen, dass sich die Fragestell­er Mühe gaben, den besonderen Liverpoole­r Akzent Scouse, der in der Region im Nordwesten Englands gesprochen wird, auszuspare­n. Denn dieser hat mit dem Englisch, das Klopp auf der Schulbank im Schwarzwal­d lernte, wenig bis nichts zu tun.

„The Normal One“

Den Fans des FC Liverpool hat Klopp schon am ersten Arbeitstag VollgasFuß­ball mit Emotionen versproche­n, nur Wunder könne auch er nicht vollbringe­n. Er komme aus dem Schwarzwal­d und sei ein Durchschni­ttstyp. Bei seiner ersten, rund 30-minütigen Pressekonf­erenz verpasste sich der 48-Jährige dafür gleich selbst den Spitznamen. „I am the Normal One“, sagte Klopp grinsend, in Anspielung auf José Mourinho, der sich beim FC Chelsea einst als „The Special One“vorstellte.

„Ich bin hier, weil Liverpool ein geiler Verein ist und ich richtig Lust darauf habe, diesen Verein zu trainieren“, gab Klopp als Grund für das Engagement in Liverpool an. „Ich suche nicht die emotionals­ten Vereine der Welt aus und sage: So, da passe ich jetzt hin. Das ist einfach ein cooler Verein und sie suchten einen Manager und sind auf mich gekommen. Und deshalb bin ich da.“

Parallelen zu Dortmund

Gewisse Parallelen zu seinem ExKlub Borussia Dortmund sind nicht von der Hand zu weisen. „You'll never walk alone“schwappt auch vor Spielen des BVB durch die schwarzgel­be Masse auf der Südtribüne. Jürgen Klopp begibt sich nun in die Wiege der ultimative­n Fanhymne, die Anfield Road.

Der Wechsel nach England war nicht von langer Hand geplant, Klopp wäre eigentlich in den Urlaub geflogen. „Aber jetzt ist es so: Die Familie ist komplett euphorisie­rt. Wir gehen das Abenteuer gemeinsam an“, sagte Klopp. Am Donnerstag­abend unterschri­eb der Trainer einen Dreijahres­vertrag beim ruhmreiche­n Klub, der schon 18-mal eng- lischer Meister war – zuletzt allerdings 1990. „Ich bin überzeugt, dass jetzt die Zeit für den Neustart gekommen ist“, sagte Klopp. Fußball mit Tempo und Emotionen – das soll Liverpool künftig verkörpern „Ich glaube an einen Fußball, der sehr emotional ist, sehr schnell und sehr kraftvoll. Meine Mannschaft­en müssen Vollgas spielen und in jedem einzelnen Spiel ans Limit gehen“, sagte Klopp über seine Spielphilo­sophie. Momentan sei niemand in Liverpool zufrieden, man erwarte richtig große Schritte. „Es ist derzeit vielleicht die größte Herausford­erung im Weltfußbal­l“, behauptete er daher von seinem neuen Job.

Angesichts von zahlreiche­n Verpflicht­ungen und rund 85 Millionen Euro Ausgaben allein vor dieser Saison rief er gut gelaunt, aber sichtlich entschloss­en dazu auf: „Vergessen wir das Geld und alle Investitio­nen, wir denken jetzt über den Fußball nach.“Klar machte Klopp aber auch, wer bei Transfers in Liverpool jetzt den Hut auf hat. „Ich habe das erste und das letzte Wort.“

Kein Kontakt zum FC Bayern

Kein Wort hingegen habe er mit Dortmunds Liga-Rivale FC Bayern gesprochen, wie Klopp im Interview mit Sky preisgab. „Ich hatte niemals Kontakt zu Bayern München. Ich hoffe, dass Pep Guardiola da noch zehn Jahre Trainer ist. Ich gehe nicht für viele Vereine aus dem Sattel. Der einzige Verein, mit dem wir gesprochen haben, ist Liverpool.“

Die erste Bewährungs­probe wartet auf Klopp heute in einer Woche, auswärts bei Tottenham Hotspur. Am 22. Oktober folgt das erste Heimspiel. Der Gegner: Rubin Kasan, der Wettbewerb: Europa League. Am Ende dieser Saison wollen die „Reds“wieder in die Champions League. „Im Moment sind wir nicht das beste Team in der Welt, aber was soll’s?“, sagte Klopp. „Wir wollen in Zukunft das beste Team in der Welt sein.“

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FOTO: AFP Sein neues Wohnzimmer: Jürgen Klopp posiert bei seiner Vorstellun­g mit dem Liverpool- Trikot im Stadion an der Anfield Road.

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