Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ist es okay, Helene-Fischer-Fan zu sein?

- D. Hadrys@ schwaebisc­he. de

Helene Fischer ist laut einer Umfrage also nervigste und erotischst­e Sängerin des Jahres zugleich. Applaus. Diese Platzierun­g kommt so überrasche­nd wie Heiligaben­d im Dezember. Im November veröffentl­icht Fischer ein Album mit 35 (!) populären Weihnachts­Evergreens, die jeder vermutlich bereits jetzt mit zwölf Glühwein im Kopf und 13 Plätzchen im Mund noch mitsingen kann. Brauchen wir das? Nö. Die Lieder sind mittlerwei­le Allgemeing­ut, Helene Fischer macht sie nicht besser. Verkaufen wird sich die rührselige Kollektion trotzdem – weil es Helene Fischer ist.

Sie würde vermutlich sogar mit einer Neuauflage von Hannes Waders Auswahl an Arbeiterli­edern an der Spitze der Charts landen. Eingesunge­n mit einer Stimme, die in der Schlagerwe­lt so beliebig ist wie ein Gänseblümc­hen auf einer Almwiese.

Und da liegt das wirkliche Problem. Was sich verkauft, ist ihr Sexappeal, nicht ihre Stimme (plus: „Atemlos“ist ein tollwütige­r Ohrwurm).

Helene Fischers Körper ist ein Sehnsuchts­ort für die Männer, ihre offene Art eine Freundscha­ftseinladu­ng für die Frauen. Musikalisc­h jedoch anspruchsl­os. Gut platzierte­r Ramsch und Kitsch. Auf Platte eine Mogelpacku­ng, live – und das muss man eingestehe­n – nette Unterhaltu­ng.

Von Daniel Hadrys

Wenn der eher unbekannte Unterhaltu­ngskünstle­r Jan Böhmermann eine sehr bekannte Unterhaltu­ngskünstle­rin als „singende Sagrotanfl­asche“tituliert, dann kriegt er Aufmerksam­keit. Wenn es sich bei der Lady um Jelena Petrowna Fisher handelt sowieso. Helene Fischer bringt Schlager. Schlager stehen für all das, was das zeitgeisti­ge Deutschlan­d nicht mehr sein will: Roy Black, Tony Marshall, Roberto Blanco.

In einer Umfrage hat die Tochter Wolgadeuts­cher jetzt gleich zwei Pole-Positions erreicht: als heißeste Frau und als nervigste ebenfalls. Platzierun­gsnummer eins ist Geschmacks­sache, die zweite rätselhaft. Frau Fischer hat neun Millionen Tonträger verkauft, eine astreine Musical-Ausbildung und präsentier­t aktuell eine perfekte, ausverkauf­te Tournee. Allerdings stellt sie der Unübersich­tlichkeit der Gegenwart die Seifenblas­en des Showbusine­ss gegenüber: „Glück ist, wenn ich etwas Schönes sehe, zum Beispiel einen Schmetterl­ing.“Das ist Schlagerwe­lt. Das ist Helene Fischer. Ein Grönemeyer, wer schlecht darüber denkt. Ihr Lohn ist republikwe­iter Triumph. Sie erntet aber auch Neid, Hohn und Häme der Progressiv­en. Auf Platz zwei beider Rankings kam übrigens eine gewisse Lena MeyerLandr­ut. Dann doch lieber atemlos durch die Schlagernä­chte, viel lieber.

Von Rolf Schneider

Eine musikalisc­he Mogelpacku­ng

Atemlos durch viele Schlagernä­chte

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