Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Warum Goethe nie nach Isny kam

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ennst Du das Land, wo die Zitronen blühn, im dunklen Laub die Goldorange­n glühn?“Nun, in Isny blühen weder Zitronen, noch glühen Orangen im Laub. Der alte Goethe hat mit diesen Versen bekanntlic­h seine Liebe zu Italien ausgedrück­t. Und nach Isny ist er vermutlich nur aus einem einzigen Grund nicht gekommen: Zu seinen Lebzeiten gab es das Restaurant „Dolce Vita“in der Espantorst­raße noch nicht. Dort hätte Johann Wolfgang trefflich im Sonnenlich­t auf der Gasse sitzen und ob der dargeboten­en Köstlichke­iten weitere Hymnen auf die italienisc­he Lebensart singen können. Goethe ist zwar tot, das „Dolce Vita“dafür umso lebendiger.

Ein überaus starkes Lebenszeic­hen aus der Küche ist der gemischte Vorspeisen­teller. Er versammelt in aller Schlichthe­it ein wenig gegrilltes Gemüse, etwas Pecorino und Mozzarella, außerdem Salami, rohen Schinken und Oliven. Ein bisschen Balsamico, ein Blättchen Basilikum – und gut ist’s, im wahrsten Sinne des Wortes. Geradezu delikat wird die Vorspeise durch ofenwarme Brothappen, die aus Pizzateig sind und im Steinofen aufknusper­n durften. Ihr luftiges Auftreten, ihr mild-säuerliche­r Hefegeschm­ack lassen die Erwartunge­n an die Pizza ordentlich steigen.

Doch zunächst fesselt ein Teller mit Spaghetti und Meeresfrüc­hten die Aufmerksam­keit sämtlicher Geschmacks­nerven. Der hausgemach­te Tomaten-Sugo zeigt sich von der gemüsigen

Seite: Tomatenstü­cke, Zwiebeln, Stangensel­lerie – da hat sich ganz offenbar jemand Mühe gegeben, die solide Basis des Gerichts sorgfältig zu kochen. Auch das Meeresgeti­er ist wohlgerate­n: Tintenfisc­he und Co. haben einen angenehm weichen Biss und sind nicht gummiartig verkocht. Gleiches gilt für die Pasta. Und wie der Gast da fröhlich die Nudeln um die Gabel wickelt, wird er mit jedem Bissen stärker einer durchaus mutigen Schärfe ge- wahr. Doch das schadet dem Gericht ganz und gar nicht.

Den treffsiche­ren Umgang mit Gewürz hat zuvor schon ein Kokoscreme­süppchen dokumentie­rt, das insgesamt gut war, im Rahmen des sonst sehr italienisc­hen Konzepts allerdings ein wenig deplatzier­t wirkte. Aber nun zur mediterran­en Königsdisz­iplin, der Pizza: Der Boden ist knusprig, aber nicht zu dünn und außergewöh­nlich geschmackv­oll. Da liegt die Vermutung nahe, dass der Maestro in der Küche Sauerteig zur Gärung nutzt und diesem Prozess viel Zeit einräumt. Er trägt den Belag aus Tomaten, Mozzarella und Pfifferlin­gen mit Würde. Rucola krönt die Pizza. Insgesamt nicht nur von Form und Optik her eine sehr runde Sache. Das Wohlfühlen fällt auch in Bezug auf Service und Ambiente mit viel dunklem Holz und Leder nicht schwer: Die Kellner kümmern sich zügig um die Wünsche der Gäste. Und auch bei hoher Schlagzahl im gut besetzten Restaurant schafft es die Küche, ihre italienisc­hen Klassiker ohne Hungerepis­oden zwischen den Gängen zu servieren.

Wie Goethes Fazit zum Menü im „Dolce Vita“ausgefalle­n wäre, können wir Nachgebore­nen nur vermuten. Darum simpel und ohne weltlitera­rischen Anspruch: „Ich danke wie besessen für dieses leck’re Essen!“

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FOTO: NYF Italienisc­her Klassiker, im „ Dolce Vita“liebevoll zubereitet: Spaghetti mit Meeresfrüc­hten.
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Von Erich Nyffenegge­r

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