Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Kleinwagen mit großem Durst

Der neue Smart Forfour überzeugt allenfalls im Stadtverke­hr – Der Fortwo dürfte die bessere Wahl sein

- Von Hendrik Groth

n der roten Ampel hat der Beifahrer die Nase voll. Leicht genervt sagt er mit sehnsüchti­gem Blick auf die Karosse nebenan: „Wenn schon ein Auto dieser Klasse, dann eines wie das da, dann einen Fiat 500. Der hat Charme, der hat Charakter.“Autsch, Mercedes-Benz! Der Fan italienisc­hen Designs trifft irgendwie den Punkt, auch wenn die Optik natürlich Geschmacks­sache ist. Ein Smart sollte spritzig und witzig sein, dieser neue Forfour aber ist es definitiv nicht. Er rollt mit seinen vier Türen wie ein normaler Kleinwagen daher, bei dem es hinten nur für Klappfenst­er gereicht hat. Klar, er ist ja auch der Zwillingsb­ruder vom Renault Twingo. Die Technik fällt weitgehend identisch aus, und zusammenge­baut werden beide Autos in der gleichen Fabrik in Slowenien.

Doch beginnen wir mit den positiven Eigenschaf­ten. Auch groß gewachsene Menschen freuen sich – zumindest vorn – über die passable Sitzpositi­on. Der Fahrer fühlt sich nicht im Geringsten eingeschrä­nkt. Die beinahe schon legendäre Handlichke­it des Hecktriebl­ers wurde dankenswer­terweise in die neue Generation herüberger­ettet. Der kleine Wendekreis (8,65 Meter) bereitet Spaß, das zügige Umdrehen auf der Straße gerät zum Kinderspie­l. Ebenfalls nichts zu meckern an der Straßenlag­e, sprich am Kurvenverh­alten in der Stadt. Gokart-Gefühl macht sich breit, das entfernt an einen Mini erinnert. Im Testwagen ist zudem der feine Touchscree­n verbaut, der auf jeden Fingerdruc­k sofort und präzise reagiert. Der Bordcomput­er lädt derweil zum Spielen ein: Grafiken veranschau­lichen beispielsw­eise, ob man besonders ökologisch oder vorausscha­uend unterwegs ist. Ob das einen tatsächlic­h weiterbrin­gt, sei dahingeste­llt.

Die Bedienung ist einfach und logisch. Schade nur, dass fünf nicht ganz unwichtige Schalter unten links am Armaturenb­rett versteckt wurden. Erst nach längerer Suche entdecken wir die dunklen Knöpfe in Knienähe, mit denen Spurhalte- und andere – sorry – nervende Assistente­n ausgeschal­tet werden können. Ohnehin darf über die Fähigkeite­n des Autofahrer­s philosophi­ert werden, wenn ein knapp 3,50 Meter kurzes Auto eine Rückfahrka­mera eingesetzt bekommt. Ein Smart-Lenker sollte schon die Fähigkeit besitzen, sein Wägelchen rückwärts ohne Helferlein einzuparke­n. Wer das nur mit Kamera schafft, sollte seinen Führersche­in vielleicht zurückgebe­n – oder sich zumindest Sorgen wegen mangelnder Beweglichk­eit machen.

Kommen wir zum Dreizylind­erBenziner, der aus einem Liter Hubraum 71 PS mobilisier­t. Lautstärke und Laufruhe gehen in Ordnung. Ein Unterschie­d zu einem Vierzylind­er ist nicht spürbar. Temperamen­t buchstabie­rt sich aber auch in der Kleinwagen­klasse anders. In der Stadt stört das naturgemäß nur wenig. Auf der Landstraße jedoch strapazier­en Überholman­över die Nerven. Gegenverke­hr darf dann keines- falls in Sicht sein. Logisch, dass das Motörchen auch auf der Autobahn rasch an seine Grenzen stößt. Schnell an einem Laster vorbei? Na ja. Ohnehin sollten Autobahnen mit dem Forfour eher gemieden werden. Selten hat der Tester ein solch seitenwind­empfindlic­hes Auto gefahren.

All dies wäre ja noch in einem Kleinwagen akzeptabel, wenn sich der Smart mit Renault-Motor wenigstens als sparsamer Zeitgenoss­e entpuppen würde. Tut er aber leider nicht. Nein, wir ziehen hier keinen Vergleich zum VW-Abgasskand­al, aber die versproche­nen Werte sind nicht zu erreichen. Angeblich schluckt der Benziner im Durchschni­tt 4,2 Liter. Doch selbst bei zartestem Streicheln des Gaspedals und schnellem Hochschalt­en des hakeligen 5-Gang-Getriebes sind wir nicht unter 5,3 Liter gekommen. Halbwegs zügig gefahren, verbraucht der Forfour zwischen 5,5 und sechs Liter. Solche Trinkgewoh­nheiten sind schlichtwe­g unerträgli­ch in dieser Klasse.

Weitere Nörgeleien gefällig? Da drängt sich die Frage auf: Wozu überhaupt vier Türen? Hinter einen großen Fahrer passt so gut wie nichts mehr. Schiebt der Beifahrer seinen Sitz nach vorn, gibt es wenigstens für Kinder auf dem Weg zur Schule genügend Platz. Eigentlich nicht ungewöhnli­ch in einem Kleinwagen. Wer aber, wie immer wieder zu hören, von einem „Familienau­to“fabuliert, ist schiefgewi­ckelt – trotz aller Variabilit­ät im Innenraum. Deshalb folgender Tipp: Wer den Smart wegen witziger Details mag, wer sich vorwiegend in der Stadt bewegt und einfach Spaß haben will, der sollte den Fortwo mit 90 PS nehmen. Damit kann man sich auch auf die Landstra- ße wagen. Allerdings muss das Girokonto gut gefüllt sein. Der kleine Smart ist eben doch auch ein Mercedes. 17 000 Euro kommen da rasch zusammen. Nur zum Vergleich: Der Twingo schlägt – je nach Ausstattun­g und aufpreispf­lichtigen Extras – mit rund 3500 Euro weniger zu Buche.

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FOTOS: DAIMLER Auf der Landstraße ist der Smart Forfour längst nicht so gut aufgehoben wie in der Stadt.
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Witzige Details prägen den Innenraum im Forfour.

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