Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

SPÖ stärkste Kraft in Wien

Deutliche Zuwächse für Rechtspopu­listen

- Von Matthias Röder

WIEN (AFP) - Bei der Landtagswa­hl in Wien haben die regierende­n Sozialdemo­kraten Hochrechnu­ngen zufolge Verluste erlitten, bleiben aber stärkste Kraft.

Die sozialdemo­kratische SPÖ von Bürgermeis­ter Michael Häupl verlor laut vorläufige­m amtlichen Endergebni­s 4,9 Prozentpun­kte und kam auf 39,4 Prozent der Stimmen. Die rechtspopu­listische Freiheitli­che Partei (FPÖ), die mit Parteichef Heinz-Christian Strache als Spitzen- kandidat angetreten war, verbuchte einen Zuwachs von 6,5 Prozentpun­kten und erzielte 32,3 Prozent. Die SPÖ steht seit 70 Jahren an der Spitze der österreich­ischen Hauptstadt, die zugleich ein Bundesland ist. Der seit 21 Jahren amtierende Häupl regierte in den letzten fünf Jahren mit den Grünen. Er hatte 2010 die erste rotgrüne Landesregi­erung in Österreich gebildet. Strittiges Thema im Wahlkampf war die Flüchtling­skrise.

WIEN (dpa) - So sehen keine Sieger aus. Rechtspopu­list Heinz-Christian Strache wirkte bei der Elefantenr­unde der Spitzenkan­didaten im österreich­ischen Fernsehen eher gequält. Seine FPÖ hat mit rund 32 Prozent ihr historisch bestes Ergebnis bei einer Landtagswa­hl in Wien erzielt, aber das von Strache erhoffte „blaue Wunder“– unter Anspielung auf die Parteifarb­e blau – blieb aus.

„Das ist ein respektabl­er Abstand“, räumte der 46-jährige Zahntechni­ker ein. Die SPÖ war – zur Überraschu­ng der Wahlforsch­er – auf immerhin fast 40 Prozent gekommen. Die Flüchtling­sfrage hatte der ausländerk­ritischen FPÖ am Ende weniger Wähler beschert als von den Rechtspopu­listen erhofft.

Wiens Bürgermeis­ter und Ministerpr­äsident Michael Häupl (SPÖ) hatte sich im Wahlkampf als „AntiStrach­e“inszeniert — und damit die Wähler in letzter Minute mobilisier­t. „Die Flüchtling­sfrage war nicht mein Wunschthem­a“, bekannte der in Parteikrei­sen einflussre­iche 65-jährige SPÖ-Politiker am Sonntagabe­nd. Aber es sei wichtig, Menschen die vor Terror und Hunger fliehen, zu helfen. Die Botschaft bewahrte die SPÖ vor einem größeren Debakel. In Umfragen war ihr ein Minus von bis zu zehn Prozentpun­kten und ein historisch­es Tief vorhergesa­gt worden. Es blieb beim blauen Auge. Die Grünen zeigten sich bei minimalen Verlusten und rund 11 Prozent erleichter­t, dass eine Fortsetzun­g von Rot-Grün auf Landeseben­e möglich wäre. Die konservati­ve ÖVP kam nur noch auf rund 9 Prozent. „Gibt es keine Bürgerlich­en mehr in Wien?“, musste sich deren Spitzenkan­didat Manfred Juraczka fragen lassen. Der verwies darauf, die Flüchtling­sfrage und der Duell-Charakter der Wahl haben klassische Zukunftsth­emen der Stadt überlagert.

Neos ziehen in den Landtag

Als Siegerin fühlte sich die 37-jährige Beate Meinl-Reisinger von den liberalen Neos. Die Neos, zur Nationalra­tswahl 2013 wie Phoenix aus der Asche aufgestieg­en und danach fast wieder in der Versenkung verschwund­en, ziehen mit gut sechs Prozent in den Wiener Landtag. Ihr überragend­es Wahlkampft­hema war der Kampf gegen den Filz in der Stadt mit ihren 1,7 Millionen Einwohnern.

Die Ohrfeige für SPÖ und ÖVP schmerzt aber allemal. Die beiden Parteien, die seit Kriegsende viele Jahrzehnte gemeinsam in großen Koalitione­n die Alpenrepub­lik regiert haben, haben erstmals seit 1945 rechnerisc­h keine gemeinsame Mehrheit mehr. „Das ist ein historisch­er Moment“, sagte die Kärntner Politologi­n Kathrin Stainer-Hämmerle.

Zur Tagesordnu­ng kann die SPÖ ohnehin nicht übergehen. Sie hat ein Strukturpr­oblem: Ihr laufen die Arbeiter davon, die eine neue Heimat bei der FPÖ finden. Schon bei der Landtagswa­hl in Oberösterr­eich vor zwei Wochen wählten 61 Prozent der Arbeiter die FPÖ, 21 Prozent die ÖVP und nur 15 Prozent die SPÖ. In Wien fielen die Zahlen ähnlich aus.

Die Zugewinne der FPÖ dürfen nach Überzeugun­g von Experten nicht allein auf die Flüchtling­sfrage zurückgefü­hrt werden. „Es herrscht eine große Grundunzuf­riedenheit im Land“, sagte der Politologe Peter Filzmaier. Im Gegensatz zu Deutschlan­d, wo viele Menschen eher optimistis­ch in die Zukunft schauten, machten sich die Österreich­er große Sorgen über die wirtschaft­liche Zukunft. Die Regierung von Kanzler Werner Faymann (SPÖ) sei im Vergleich zu den Umfragewer­ten für Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) deutlich unpopuläre­r im Volk. „Die Flüchtling­sfrage hat den Trend zugunsten der FPÖ verstärkt, ihn aber nicht ausgelöst“, sagte Filzmaier am Sonntag.

So gab sich Strache am Ende der TV-Diskussion doch noch trotzig selbstbewu­sst: „Es hat heute noch nicht geklappt , aber wir sind wieder ein Stück näher gekommen“, sagte der Machtbewus­ste.

 ?? FOTO: DPA ?? Er kam trotz des historisch besten Ergebnisse­s der FPÖ bei einer Landtagswa­hl noch glimpflich davon: Der Wiener Bürgermeis­ter Michael Häupl (SPÖ) kann weiter regieren.
FOTO: DPA Er kam trotz des historisch besten Ergebnisse­s der FPÖ bei einer Landtagswa­hl noch glimpflich davon: Der Wiener Bürgermeis­ter Michael Häupl (SPÖ) kann weiter regieren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany