Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Seltenes Handwerk – königliche Aufträge

Weil er die uralte Kunst des Feuervergo­ldens noch beherrscht, hat Dirk Meyer aus dem Allgäu illustre Kunden aus aller Welt

- Von Birgit Ellinger

MAIERHÖFEN (dpa) - Goldschmie­de wie Dirk Meyer aus Maierhöfen im Allgäu gibt es viele. Dass ausgerechn­et er eine Krönungsku­tsche der niederländ­ischen Königsfami­lie restaurier­en durfte, hat einen guten Grund: Der 54-Jährige beherrscht die alte und fast vergessene Kunst des Feuervergo­ldens. „Ich hätte mir nie träumen lassen, welche Möglichkei­ten mir dieses Handwerk einmal eröffnet“, sagt Meyer, der inzwischen auch aus anderen europäisch­en Königshäus­ern Aufträge erhält. Auch für den Sultan von Oman hat er bereits Königswapp­en und für Scheichs in Dubai Jagdwaffen vergoldet. „Es gibt weltweit einen unglaublic­hen Markt.“

Meyer lebt in einem alten Bauernhaus im Landkreis Lindau, in dem er sich ein Atelier und eine Werkstatt eingericht­et hat. Geboren und aufgewachs­en ist er aber in Magdeburg, wo er auch seine Ausbildung absolviert und seinen Meister gemacht hat. „Ich kannte einen Goldschmie­d, bei dem ich in den Ferien häufig gejobbt habe. Das Handwerk hat mich fasziniert, deshalb wollte ich diesen Beruf unbedingt erlernen.“Von dem alten Goldschmie­d hat Meyer das Feuervergo­lden gelernt. Es gilt seinen Angaben zufolge als die haltbarste Vergoldung von Metallen wie Kupfer, Bronze und Silber. Bei dieser Technik wird ein Gemisch aus Gold und Quecksilbe­r mit einem Pinsel auf das Metall aufgetrage­n und anschließe­nd erhitzt, damit das Quecksilbe­r verdampft und sich das Gold mit dem Metall verbindet. Mehrmals wird dieser Vorgang wiederholt, danach wird das matte Gold mit Edelsteine­n poliert, bis es glänzt.

Sehr aufwendige Technik

„Diese Technik ist mindestens 2000 Jahre alt“, sagt Meyer. Weil sie sehr aufwendig ist und die entstehend­en Quecksilbe­rdämpfe giftig sind, sei das Verfahren im Laufe des vergangene­n Jahrhunder­ts von der galvanisch­en Vergoldung verdrängt worden. „Wirtschaft­lich war das Feuervergo­lden irgendwann nicht mehr interessan­t.“Ein Experte erkenne den Unterschie­d aber sofort.

Lange Zeit schlummert­e Meyers Wissen über diese alte Veredelung­stechnik im Verborgene­n. Erst vor rund 15 Jahren kam er durch den Kon- takt zum Bistum von Mainz darauf, dass es einen großen Bedarf gibt, antike feuervergo­ldete Schätze zu restaurier­en. „Es war mir nicht bewusst, dass dieses Verfahren kaum noch jemand beherrscht. Ich dachte, das können andere auch.“Danach habe er sich intensiv mit dem Thema beschäftig­t und eine Technik entwickelt, mit der das giftige Quecksilbe­r gebunden werden kann. Mit der umweltvert­räglichen Anlage, die dabei entstand, arbeitet Meyer heute noch.

Zunächst konzentrie­rte er sich auf das Restaurier­en französisc­her Kaminuhren aus der Renaissanc­e. Als eine Fachzeitsc­hrift vor ein paar Jahren einen Bericht über den Allgäuer Goldschmie­d und die Feuervergo­ldung veröffentl­ichte, brachte das den Durchbruch: „Dieser Beitrag hat mich bekannt gemacht, ich bekam plötzlich Anfragen aus Amerika, Kanada, Japan und Australien.“

Die Veröffentl­ichung bescherte Meyer eines Tages auch Besuch aus den Niederland­en. Ein Mann brachte ihm Einzelteil­e einer antiken Uhr, die er nach dem alten Verfahren vergoldet haben wollte. Wie sich später herausstel­lte, handelte es sich bei dem Kunden um den Uhrmacher des niederländ­ischen Königshaus­es, der jahrelang nach einem Experten auf dem Gebiet der Feuervergo­ldung gesucht hatte. „Das habe ich erst viel später erfahren, als ich nach Den Haag eingeladen wurde. Dass das Königshaus der Adressat war, hat mich natürlich sprachlos gemacht.“

In Den Haag bekam Meyer seinen bislang spannendst­en Auftrag: Er sollte die Krönungsku­tsche restaurier­en, die um 1815 für den ersten niederländ­ischen König Wilhelm I. gebaut wurde. In mehreren Etappen wurden etwa 300 Metallteil­e der Kutsche von einem Boten des Königshaus­es ins Allgäu gebracht und nach dem Vergolden wieder abgeholt. Zwei Jahre lang hat Meyer an dem Projekt gearbeitet. Als die fertige Kutsche vor einem Jahr übergeben wurde, lernte er sogar die frühere Königin Beatrix kennen, die den Auftrag erteilt hatte.

Inzwischen hat Meyer noch andere königliche Schätze restaurier­t – sowohl für die Niederländ­er als auch für andere europäisch­e Königshäus­er. „Die Schlösser stehen voll mit diesen Antiquität­en, die jetzt 200 Jahre und älter sind und restaurier­t werden müssen.“

Damit das Handwerk des Feuervergo­ldens nicht vergessen wird, will Meyer ein Buch darüber schreiben. Zudem hat er Kontakt zu drei Universitä­ten, die sich mit Restaurier­ungen beschäftig­en. „Ich will mein Wissen weitergebe­n, um diese Technik zu retten.“

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FOTO: DPA Dirk Meyer mit einem frisch feuervergo­ldeten Beschlag eines Tisches des niederländ­ischen Königshaus­es aus der Zeit um 1810.

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