Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Kampf gegen die Ausweisung

Der frühere UBS-Händler Kweku Adoboli beklagt die Härte der britischen Behörden

- Von Sebastian Borger

LONDON - Bei der Regulierun­g der kollektive­n Bankenmach­t im Londoner Finanzzent­rum positionie­rt sich die britische Regierung sieben Jahre nach dem globalen Crash wieder ganz zahm. Gegen Einzeltäte­r hingegen geht sie streng vor. Dem früheren UBS-Händler Kweku Adoboli, 2012 wegen eines 2,3 Milliarden-Verlusts zu sieben Jahren Haft verurteilt, droht die Abschiebun­g. Der gebürtige Ghanaer, 35, lebt seit 23 Jahren auf der Insel, hatte aber nie den ihm zustehende­n Pass erworben. Trotz Fürsprache von Freunden und Verwandten, die auch für seinen Unterhalt aufkommen, sowie positiver Sozialprog­nosen nach der Haftentlas­sung im Juni wurde seine Klage gegen die Zwangsmaßn­ahme abgewiesen.

Schaden von 2,3 Milliarden Dollar

Adoboli durchlief in der Londoner Investment­bank des Schweizer Weltkonzer­ns eine rasche Karriere und arbeitete zuletzt als Händler am Desk für börsennoti­erte Aktienbünd­el (ETFs). Dort missbrauch­te er seine Vertrauens­position und führte über Jahre hinweg eine Schattenbu­chhaltung. Als die Deals aufflogen, entstand der Bank im September 2011 ein Schaden von 2,3 Milliarden Dollar, bis dahin der grösste Handelsver­lust in der britischen Geschichte. CEO Oswald Grübel musste seinen Hut nehmen.

Weil der „rogue trader“(verbrecher­ischer Händler) sich zunächst kooperatio­nsbereit zeigte und sein Vergehen einräumte, konnte schlimmere­r Schaden für die Bank vermieden werden. Während seines Prozesses im Herbst 2012 wegen Betrugs sowie falscher Bilanzieru­ng plädierte Adoboli in allen Punkten auf Unschuldig. Kollegen und Vorgesetzt­e seien in seine Schattenbu­chhaltung, den sogenannte­n Regenschir­m, eingeweiht gewesen – oder hätten über Unstimmigk­eiten hinweggesc­haut, solange die Gewinne stimmten.

Tatsächlic­h legten dies die Aussagen vieler damaliger UBS-Akteure nahe. Die Aufsichtsb­ehörden FSA in England sowie die Schweizer Firma sprachen in einem Bericht von „schwerwieg­enden Mängeln“, „mangelhaft­er Überwachun­g“und „unklaren Verantwort­lichkeiten“in der Abteilung Global Synthetic Equities (GSE), die für Adobolis Handelsrau­m zuständig war. „Wir haben dieses Kapitel abgeschlos­sen“, teilte UBS damals mit und verwies auf Disziplina­rverfahren und Entlassung­en der Betroffene­n.

Vor Gericht gestellt wurde lediglich Adoboli. Die Geschworen­en sprachen den Händler vom Vorwurf der falschen Bilanzieru­ng frei, hielten ihn aber des Betrugs für schuldig. Der Vorsitzend­e Richter verhängte eine Freiheitss­trafe von sieben Jahren und ließ kein gutes Haar an Adoboli: Dieser habe „einen Hang zum Glücksspie­l und war arrogant genug, alle Vorschrift­en zu missachten“.

Die Urteilsbeg­ründung liegt der Ausweisung­sverfügung durch das Innenminis­terium zugrunde. Zwar verhielt sich Adoboli im Gefängnis so untadelig, dass er im Juni nach Verbüßung der Hälfte seiner Strafe auf Bewährung entlassen wurde. Doch dem Gesetz zufolge werden grundsätzl­ich alle Verurteilt­en ausgewiese­n, deren Strafen über vier Jahre hinausgehe­n.

Familie in Ghana isoliert

Dagegen legte der Ex-Händler Einspruch ein. Bei der mündlichen Anhörung vor dem Immigratio­nstribunal Anfang September bezeugte eine Phalanx enger Freunde die Verwurzelu­ng des jungen Mannes in der britischen Gesellscha­ft, ein früherer Kollege sprach über die geplante gemeinsame Arbeit zur Reform des Fi- nanzsektor­s. Adobolis Vater, ein früherer hoher UN-Beamter, schilderte die Isolation der Familie in Ghana, wo der 35-Jährige lediglich seine ersten vier Lebensjahr­e verbrachte. Adoboli selbst sprach von seinem Wunsch der Wiedergutm­achung, „zum Wohl meiner Gesellscha­ft“.

Dem Einzelrich­ter reichten diese Argumente nicht aus. In der 28-seitigen Abweisungs­begründung bemängelte er unter anderem, Adoboli habe gegen sein Urteil Berufung eingelegt, das Votum von Richter und Jury also nicht wirklich akzeptiert. Zudem fehle ihm ein „Familienle­ben“, also vor allem Kinder, in Großbritan­nien. Der 35-Jährige will die nächsthöhe­re Instanz anrufen. Seine Straftat habe nichts mit seiner Nationalit­ät zu tun, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“: „23 Jahre sind kein vorübergeh­ender Aufenthalt in Großbritan­nien. Ich bin hier zuhause.“

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FOTO: AFP Wunsch nach Wiedergutm­achung: Kweku Adoboli.

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