Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Kampf gegen die Ausweisung
Der frühere UBS-Händler Kweku Adoboli beklagt die Härte der britischen Behörden
LONDON - Bei der Regulierung der kollektiven Bankenmacht im Londoner Finanzzentrum positioniert sich die britische Regierung sieben Jahre nach dem globalen Crash wieder ganz zahm. Gegen Einzeltäter hingegen geht sie streng vor. Dem früheren UBS-Händler Kweku Adoboli, 2012 wegen eines 2,3 Milliarden-Verlusts zu sieben Jahren Haft verurteilt, droht die Abschiebung. Der gebürtige Ghanaer, 35, lebt seit 23 Jahren auf der Insel, hatte aber nie den ihm zustehenden Pass erworben. Trotz Fürsprache von Freunden und Verwandten, die auch für seinen Unterhalt aufkommen, sowie positiver Sozialprognosen nach der Haftentlassung im Juni wurde seine Klage gegen die Zwangsmaßnahme abgewiesen.
Schaden von 2,3 Milliarden Dollar
Adoboli durchlief in der Londoner Investmentbank des Schweizer Weltkonzerns eine rasche Karriere und arbeitete zuletzt als Händler am Desk für börsennotierte Aktienbündel (ETFs). Dort missbrauchte er seine Vertrauensposition und führte über Jahre hinweg eine Schattenbuchhaltung. Als die Deals aufflogen, entstand der Bank im September 2011 ein Schaden von 2,3 Milliarden Dollar, bis dahin der grösste Handelsverlust in der britischen Geschichte. CEO Oswald Grübel musste seinen Hut nehmen.
Weil der „rogue trader“(verbrecherischer Händler) sich zunächst kooperationsbereit zeigte und sein Vergehen einräumte, konnte schlimmerer Schaden für die Bank vermieden werden. Während seines Prozesses im Herbst 2012 wegen Betrugs sowie falscher Bilanzierung plädierte Adoboli in allen Punkten auf Unschuldig. Kollegen und Vorgesetzte seien in seine Schattenbuchhaltung, den sogenannten Regenschirm, eingeweiht gewesen – oder hätten über Unstimmigkeiten hinweggeschaut, solange die Gewinne stimmten.
Tatsächlich legten dies die Aussagen vieler damaliger UBS-Akteure nahe. Die Aufsichtsbehörden FSA in England sowie die Schweizer Firma sprachen in einem Bericht von „schwerwiegenden Mängeln“, „mangelhafter Überwachung“und „unklaren Verantwortlichkeiten“in der Abteilung Global Synthetic Equities (GSE), die für Adobolis Handelsraum zuständig war. „Wir haben dieses Kapitel abgeschlossen“, teilte UBS damals mit und verwies auf Disziplinarverfahren und Entlassungen der Betroffenen.
Vor Gericht gestellt wurde lediglich Adoboli. Die Geschworenen sprachen den Händler vom Vorwurf der falschen Bilanzierung frei, hielten ihn aber des Betrugs für schuldig. Der Vorsitzende Richter verhängte eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und ließ kein gutes Haar an Adoboli: Dieser habe „einen Hang zum Glücksspiel und war arrogant genug, alle Vorschriften zu missachten“.
Die Urteilsbegründung liegt der Ausweisungsverfügung durch das Innenministerium zugrunde. Zwar verhielt sich Adoboli im Gefängnis so untadelig, dass er im Juni nach Verbüßung der Hälfte seiner Strafe auf Bewährung entlassen wurde. Doch dem Gesetz zufolge werden grundsätzlich alle Verurteilten ausgewiesen, deren Strafen über vier Jahre hinausgehen.
Familie in Ghana isoliert
Dagegen legte der Ex-Händler Einspruch ein. Bei der mündlichen Anhörung vor dem Immigrationstribunal Anfang September bezeugte eine Phalanx enger Freunde die Verwurzelung des jungen Mannes in der britischen Gesellschaft, ein früherer Kollege sprach über die geplante gemeinsame Arbeit zur Reform des Fi- nanzsektors. Adobolis Vater, ein früherer hoher UN-Beamter, schilderte die Isolation der Familie in Ghana, wo der 35-Jährige lediglich seine ersten vier Lebensjahre verbrachte. Adoboli selbst sprach von seinem Wunsch der Wiedergutmachung, „zum Wohl meiner Gesellschaft“.
Dem Einzelrichter reichten diese Argumente nicht aus. In der 28-seitigen Abweisungsbegründung bemängelte er unter anderem, Adoboli habe gegen sein Urteil Berufung eingelegt, das Votum von Richter und Jury also nicht wirklich akzeptiert. Zudem fehle ihm ein „Familienleben“, also vor allem Kinder, in Großbritannien. Der 35-Jährige will die nächsthöhere Instanz anrufen. Seine Straftat habe nichts mit seiner Nationalität zu tun, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“: „23 Jahre sind kein vorübergehender Aufenthalt in Großbritannien. Ich bin hier zuhause.“