Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
„Aktien sind kein Teufelszeug“
Nachgefragt
RAVENSBURG - Niedrige Zinsen, Krise in Griechenland: Ein aufregendes Jahr geht zu Ende. Wie sollten sich Anleger verhalten? Darüber sprach Steffen Range mit Ulrich Stephan (Foto: oh), Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank.
Wie steht es um die Wirtschaft?
Die Stimmung ist schlechter als die Fundamentaldaten. Zwar sind diese nicht besonders gut, aber eine globale Rezession lässt sich daran auch nicht ablesen.
Welche Risiken sehen Sie derzeit?
Das Thema Griechenland ist noch nicht vom Tisch. Der griechische Premierminister Alexis Tsipras hat schon angekündigt, dass er das Hilfspaket nachverhandeln will. Das könnte auch Ansprüche anderer Länder auslösen. Gleichwohl, gerade am Beispiel Irland, Spanien und zum Teil auch Portugal kann man sehen, dass strukturelle Anpassungen positiv wirken.
Im Sommer sah die Lage in China bedrohlich aus. Wie bewerten Sie die Situation?
Kurzfristig sehe ich keine Gefahr. Die Daten aus dem verarbeitenden Gewerbe sind sicherlich nicht gut. Aber es ist anzunehmen, dass der Staat wieder mehr investiert. Selbst wenn die Wirtschaft langsamer zulegt, hat China immer noch rund sieben Prozent Wachstum. Bei einem Bruttoinlandsprodukt von 11,5 Billionen Euro bedeutet das, dass jedes Jahr sozusagen „ein Spanien“dazu kommt. Auf lange Sicht lautet die spannende Frage, ob China sich auf geordnetem Weg vom Exportland zu einer Volkswirtschaft wandelt, die stärker vom Binnenmarkt und dem Konsum bestimmt wird.
Kommen wir von der Weltwirtschaft zum schwäbischen Anleger: Wann steigen die Zinsen wieder?
Die Fed ist bei der Zinswende hinund hergerissen: Die gute Beschäftigung spricht für sie, die geringen Inflationserwartungen dagegen. Ich erwarte die ersten Zinserhöhungen erst im März und Juni 2016. Dagegen werden viele andere Notenbanken ihre expansive Geldpolitik durch niedrige Zinsen oder den Kauf von Anleihen fortführen oder sogar noch verstärken. Vor diesem Hintergrund werden die Zinssätze noch auf lange Zeit niedrig bleiben.
Viele Sparer in Deutschland sind betrübt, dass sichere Rentenpapiere und Staatsanleihen praktisch nichts mehr abwerfen ...
Für die Deutschen war es lange Zeit selbstverständlich, dass sie fünf oder sechs Prozent für ihre Bundesanleihen bekamen. Heute liegen die Renditen von 10-jährigen Bundesanleihen deutlich unter ein Prozent, weshalb Anleger über Alternativen nachdenken sollten.
Wie sollten sich sicherheitsbedürftige Anleger verhalten?
Auf die Diversifikation kommt es an. Es geht also darum, das Geld auf mehrere Töpfe zu verteilen. Darunter sollten neben Aktien auch Immobilien eine Rolle spielen. Auf der Anleiheseite sollte man Unternehmensanleihen guter Bonität und Staatsanleihen beimischen. Das ist auch in Form von Fonds möglich. Im jetzigen Umfeld bieten sich Multi-Asset-Fonds besonders an.
Warum sind Aktien so verpönt in Deutschland?
Ich sehe ein grundsätzliches Problem in unserer Einstellung zum Wirtschaftssystem. Marktwirtschaft und dem Unternehmertum werden in Teilen der Bevölkerung schlechte Eigenschaften zugeschrieben. Wenn der Papst sagt, Wirtschaft tötet, ist das nicht eben hilfreich. Ich wünsche mir eine breitere gesellschaftliche Diskussion. Aktien sind kein Teufelszeug, sie sind nichts anderes als eine Unternehmensbeteiligung. Für Privatanleger sind sie insofern ein wichtiges Instrument beim Vermögensaufbau.