Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Seekult beflügelt buntes Publikum

Festival in der Caserne – Zwischen Lagerfeuer und Raumstatio­n

- Von Anna Mauder

FRIEDRICHS­HAFEN - Fast schon Tradition ist das Seekult-Festival, das dieses Jahr bereits zum fünften Mal im Kulturhaus Caserne stattgefan­den hat. Mit dem originelle­n Thema „fliegen und verwurzeln“wurde ein ebenso abgehobene­s wie bodenständ­iges Programm geboten, das am Freitag und Samstag ein bunt gemischtes Publikum beflügelte.

Der Fallenbrun­nen 17 habe ein enormes kulturelle­s Potential, sagte Bürgermeis­ter Andreas Köster bei der Begrüßung. Das merke man schon, wenn man in das Programmhe­ft schaue und plötzlich neue Räume auftauchte­n: Das klimpernde Glashaus, das Fotostudio und die Dachkammer waren ebenso Orte des Geschehens wie das Refugium oder das Casino.

Zehn Monate lang haben hochengagi­erte Studenten der Zeppelin University mit spürbarer Leidenscha­ft das erlesene Programm aus Musik, Performanc­e, Kunst und Theater organisier­t. Ihr Thema „fliegen und verwurzeln“ist in besonderer Weise mit der Stadt Friedrichs­hafen verbunden, die mit Raumfahrt und Landwirtsc­haft schließlic­h beide Aspekte in sich vereint. An den beiden Veranstalt­ungstagen boten sich aber noch viele weitere Bedeutungs­ebenen. Die Künstler und Künstlerin­nen ertasteten den Dialog zwischen Lebensträu­men und Realität, Reiselust und Heimatverb­undenheit oder Innovation und Tradition. Der Zuschauer durfte beides: Sich von der Musik wegtragen lassen und gleichzeit­ig immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkomm­en.

Premiere feierte das Theaterstü­ck „Experiment Adoleszenz“nach dem Konzept von Frauke Fichtner und Anna Stab – ein Stück über das Erwachsenw­erden, bei dem der Zuschauer von Anfang an Teil der Handlung ist. Ein junges Mädchen wird durch verschiede­ne Schlüsself­iguren mit einer pessimisti­schen Welthaltun­g konfrontie­rt, die ihre eigenen Wünsche für das Leben wie Seifenblas­en zerplatzen lässt.

40 Kleidungss­tücke in Türkis

Das Zusammensp­iel vom Fliegen und Verwurzeln im wahrsten Sinne des Wortes zeigte die Künstlerin Kirsten Helfrich. Sie nahm den Baum vom Grab ihrer Mutter mit auf die Reise zu ihren neuen Wohnorten. Die Dokumentat­ion dieses Unterfange­ns wurde im konfusen Ambiente der Dachkammer ausgestell­t. Ganz anders verwurzelt sich Pascale Ruppel in ihrer Performanc­e „Reise in Türkis“. Über 40 Kleidungss­tücke in der Farbe Türkis anzuziehen, ist notwendig, damit die Künstlerin mit einem guten Gefühl die Bühne verlassen kann.

Auch beim diesjährig­en Poetry Slam durften viele Autorinnen und Autoren der Region ihre persönlich­e Wahrnehmun­g des Themas formuliere­n. Gewonnen hat Alex Simm mit seinem Text über eine fleischfre­ssende Pflanze, die sich entschließ­t, vegan zu leben.

Aber das war noch längst nicht alles, was das Festival zu bieten hatte. Der Performanc­ekünstler André Mulzer inszeniert­e sich zusammen mit Musiker Carl-John Hoffmann als „P.O.R.S.C.H.E. – eure favorite schwedisch­e Hipsterban­d aus Berlin“. Bei der „Schnippeld­isko“wurden zahllose Kürbisse geschnippe­lt, gekocht und gegessen, um der Essensvers­chwendung entgegenzu­wirken. Bands wie die Kytes oder Famous Naked Gipsy Circus ließen das Casino aus allen Nähten platzen und so wurde bis spät in die Nacht ausgelasse­n getanzt.

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FOTOS: ANNA MAUDER Performanc­ekünstler André Mulzer im „Fotostudio“
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Sorgt für den guten Ton: „Jamhed“.

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