Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Mercedes macht den Konstrukteurstitel klar
Nach Hamiltons Sieg vor Vettel in Sotschi ist auch der Sieg in der Fahrerwertung zum Greifen nah
SOTSCHI (dpa) - Fastweltmeister Lewis Hamilton und sein neuer Verfolger Sebastian Vettel trieben Scherze mit den langbeinigen Streckenhostessen, Nico Rosberg konnte auch der vorzeitige Konstrukteurstitel nicht trösten. Nach seinem Sieg in Russland kann Mercedes-Star Hamilton schon in zwei Wochen in Austin seinen dritten Formel-1-Triumph perfekt machen. Weder Vettel, der im Ferrari am Sonntag Platz zwei belegte, noch der von einem kaputten Gaspedal am Silberpfeil gestoppte Rosberg dürften den Briten noch aufhalten können. „Es ist unglaublich, wie hart die Formel 1 manchmal ist“, klagte Rosberg, der die MercedesParty schwänzte. „Das braucht noch etwas, bis die Freude darüber bei mir kommt“, sagte er betrübt.
„Nico hat unglaubliches Pech gehabt“, befand Hamilton in einem der wenigen ernsten Momente nach seinem neunten Saisonsieg. Völlig losgelöst hatte der 30-Jährige zuvor Kremlchef Wladimir Putin umarmt. Als der neue WM-Zweite Vettel, der nun 66 Punkte hinter dem Spitzenreiter und sieben Zähler vor Rosberg liegt, eine gesamte Crew russischer Schönheiten mit zur Pressekonferenz brachte, konnte sich Hamilton kaum auf die Fragen konzentrieren.
Gewinnt der Doppelchampion auch in Texas und Vettel wird höchstens Dritter, ist die Fahrer-WM schon drei Rennen vor Saisonende entschieden. „In den letzten fünf Runden habe ich es nur noch genossen, diesen Moment festgehalten. Man weiß nie, wie oft man so etwas noch erleben kann“, schwärmte Hamilton über seinen zweiten Erfolg am Schwarzen Meer. Nach dem 42. Grand-Prix-Sieg seiner Karriere liegt er nun gemeinsam mit Vettel auf Rang drei hinter Michael Schumacher (91) und Alain Prost (51).
Auch Vettel war angesichts der erneuten Überlegenheit der Silberpfeile bestens gelaunt, weil er sich von Startplatz vier noch auf Rang zwei vorgearbeitet hatte. „Es war ein Klasserennen, ein Klassetag“, bilan- zierte der Hesse. Als Dritter kam Sergio Perez ins Ziel und ließ damit sein Force-India-Team den Ärger über das frühe Unfall-Aus des Rheinländers Nico Hülkenberg vergessen.
Die letzte Pointe des Rennens setzte Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen. Mit einem missglückten Manöver verdarb er Williams-Fahrer Valtteri Bottas Rang drei und wurde dafür nachträglich von Platz fünf auf acht zurückversetzt. Dadurch durfte sich Mercedes wie im Vorjahr bereits in Sotschi als Teamweltmeister feiern lassen. Einziges Problem: Als das Urteil der Streckenrichter kam, war die Teamführung schon abgereist, die vorbereiteten Weltmeister-Shirts waren schon verpackt. So improvisierte das Werksteam eilig in der Garage, ein wenig Schampus war ja noch von Hamiltons Sieg übrig.
So ging ein ereignisreicher Tag im Sotschi-Autodrom zu Ende, der den Zuschauern ein Spektakel geboten hatte. Der Unfall von Hülkenberg löste schon nach wenigen Metern eine Safety-Car-Phase aus, danach bemerkte der führende Rosberg plötzlich Probleme mit dem Gaspedal. Die Rückholfeder war gebrochen. Wenig später musste Rosberg aufgeben. „So gewinne ich nie den Titel, wenn einfache Dinge kaputtgehen“, klagte der gebürtige Wiesbadener.
Hamilton führte nun das Rennen an, und daran änderte auch die zweite Safety-Car-Phase des Tages nichts. Lotus-Fahrer Romain Grosjean war in der 13. Runde heftig in die Streckenbegrenzung gekracht. Der WMSpitzenreiter zog nach dem Neustart anscheinend mühelos davon. Dahinter arbeitete sich Vettel zunächst mit einem harten Manöver an Kollege Räikkönen vorbei, dann schnappte er sich auch Bottas. „Ich hatte dann etwas Hoffnung, dass ich den Lewis einholen kann, aber er hat wohl nicht das gezeigt, was er zeigen könnte“, erklärte Vettel. „Ich bin so dankbar für dieses Auto“, sagte Hamilton. „In den letzten Runden habe ich nur noch das Cockpit gestreichelt, dass alles heil bleibt.“