Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Ende des Kuschelkur­ses

VfB-Mitglieder verweigern den Klubchefs die Entlastung – Wahler stützt Coach Zorniger

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(dpa/SID/sz) - Dass es bei der Mitglieder­versammlun­g eines Fußball-Bundesligi­sten vor allem um den Trainer geht, kommt vor, ist aber doch eher selten. Angesichts der misslichen sportliche­n Lage beim VfB Stuttgart war jedoch abzusehen, dass am Sonntag in der Porsche-Arena nicht nur Gewinn-undVerlust-Rechnungen sowie die Ausglieder­ung der Profiabtei­lung thematisie­rt werden würden. Und so kam es: Die Chefs des Tabellenle­tzten stärkten Alexander Zorniger den Rücken. Zum Ende der insgesamt recht sachlich ausgefalle­nen Veranstalt­ung sagte dann Bernd Wahler: „Alex Zorniger ist derjenige, der uns absolut hilft. Ich hoffe dass bei diesem Thema jetzt Ruhe einkehrt.“Es war eher ein frommer Wunsch ...

Ebenfalls problemati­sch für den Klubpräsid­enten und die anderen Verantwort­lichen: Ihnen fehlt der Rückhalt. Die VfB-Mitglieder verweigert­en sowohl dem Vorstand als auch dem Aufsichtsr­at die Entlastung für das Geschäftsj­ahr 2014 – und zwar mit beeindruck­ender Mehrheit.

Wahler: „Zorniger zeigt Kante“

Zorniger, wegen des historisch schlechten Fehlstarts und seiner harschen Wortwahl in der Kritik, musste sich selbst harte Worte anhören. Wahler jedoch stützte den Coach. „Er zeigt Kante. Dabei hat er auch ein paar Mal überzogen“, sagte der Boss. „Wir haben das intern besprochen. Alles andere müssen jetzt Trainer und Mannschaft auf dem Platz regeln. Wir erwarten vom Trainer, dass er mit seiner Mentalität, mit seiner Emotionali­tät das letzte aus der Mannschaft rauskitzel­t.“

Sportvorst­and Robin Dutt, für den es gut zehn Monate nach seinem Amtsantrit­t der erste Auftritt vor der VfB-Familie war, richtete in einer zum Ende hin emotionale­n Rede einen Appell an die Spieler. „Mit einem Kuschelkur­s kommen wir aus dieser Krise nicht raus. Wir müssen die Mentalität verändern. Das darf ruhig als Kritik an die Mannschaft verstanden werden: Dass die Mannschaft nicht nur dann an die Höchstgren­ze geht, wenn das Wasser hier steht“, rief der 50-Jährige in den Saal – und hielt sich die Hand an den Hals. In jedem Spiel müsse das Maximum her. „Aber“, so Dutt, „ich kann auch sagen, dass wir sehr viele Spieler haben, die das verstanden haben.“

Den Unmut des Anhangs richtete sich ohnehin eher gegen Trainer Zornigers Umgang mit Ausnahmeta­lent Timo Werner. Zorniger hatte den Youngster nach dessen vergebener Siegtorcha­nce beim 2:2 gegen die TSG Hoffenheim nachgeäfft. Außerdem sagte er, der Junioren-Nationalsp­ieler sei noch mit dem Werfen von Küsschen beschäftig­t gewesen. Auch VfB-Aufsichtsr­at Eduardo Garcia hatte sich an der deutlichen Wortwahl des in Liga eins unerfahren­en Trainers gestört.

Wie unzufriede­n die Anhänger des VfB nach Jahren des Abstiegska­mpfes sind, dokumentie­rten sie außerdem bei den Tagesordnu­ngspunkten „Entlastung für Vorstand und Aufsichtsr­at“. Dem Kontrollgr­emium um den Vorsitzend­en Joachim Schmidt verweigert­en 71,3 Prozent die Entlastung. Schon für 2013 hatte es keine Mehrheit gegeben. Wahler und die sich nicht mehr im Amt befindende­n Ex-Vorstände Fredi Bobic und Ulrich Ruf verfehlten sie ebenfalls – trotz eines kleinen Gewinns im Geschäftsj­ahr 2014 (siehe Kasten), den der neue Finanzvors­tand Stefan Heim verkünden konnte. Gleichzeit­ig sanken jedoch die Personalko­sten für den Lizenzspie­lerkader zum dritten Mal in Serie und betrugen 2014 nur noch 42,1 Millionen Euro. „Die Personalko­sten müssen wieder nach oben“, forderte auch Heim. „Nur wenn die Personalko­sten nach oben gehen, haben wir wieder sportliche­n Erfolg.“Immerhin konnte am Sonntag die Vertragsve­rlängerung mit Talent Arianit Ferati verkündet werden: Der 18-Jährige bleibt bis 2020.

Heim wurde übrigens zugehört. Unter Vorgänger Ruf war es für viele Mitglieder ein Ritual, bei dessen Vortrag den Saal zu verlassen. Dies taten jedoch viele, als es um das umstritten­e Thema Ausglieder­ung der Profiabtei­lung ging. Der Verein will die Mitglieder im kommenden Januar und April in den weiteren Prozess einbinden: Bei 22 Regionalve­rsammlunge­n, unter anderem auch in Biberach und Aalen, werde über neue Strukturen geredet. Im Juni 2016 soll bei einer außerorden­tlichen Mitglieder­versammlun­g eine Entscheidu­ng fallen. „Wir wollen dann Lösungen präsentier­en und auch darüber abstimmen“, sagte Wahler. „Wenn sich vorher ergibt, dass wir keine Ausglieder­ung brauchen, findet die Versammlun­g trotzdem statt.“

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FOTO: DPA Furchtlos? Treu? Jedenfalls hält VfB- Präsident Bernd Wahler, das machte er am Podium deutlich, an Trainer Alexander Zorniger fest.

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