Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Winterkorn vor VW-Abschied

Voller Rückzug soll bevorstehe­n - Rückrufakt­ion in China

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MÜNCHEN (AFP) - Nach seinem Rücktritt als VW-Vorstandsv­orsitzende­r im Zuge der Abgas-Affäre soll Martin Winterkorn einem Bericht zufolge auch alle weiteren Ämter bei Volkswagen aufgeben. Nach Informatio­nen des Recherchev­erbunds von „Süddeutsch­er Zeitung“, NDR und WDR ist damit in den nächsten Tagen zu rechnen.

Trotz seines Rücktritts als Konzernche­f ist Winterkorn im Firmengefl­echt des Wolfsburge­r Autokon- zerns sehr präsent - zumindest auf dem Papier. Er ist Aufsichtsr­atsvorsitz­ender der VW-Töchter Audi sowie der Lkw-Sparte Truck & Bus.

In China hat Volkswagen den Rückruf von knapp 2000 Diesel-Pkw angekündig­t. Betroffen vom AbgasSkand­al seien in der Volksrepub­lik lediglich 1946 Autos, die nach China importiert wurden, und zwar die Modelle Tiguan und Passat, teilte Volkswagen China am Montag mit.

WOLFSBURG/STUTTGART (dpa) - Volkswagen­s Ex-Vorstandsc­hef Martin Winterkorn steht nach übereinsti­mmenden Medienberi­chten auch vor dem Rückzug von seinen übrigen Ämtern in dem Autokonzer­n. Der 68Jährige hatte die Unternehme­nsspitze im Strudel des Abgasskand­als verlassen, ist aber bisher nicht von weiteren Chef-Funktionen abgerückt. Dazu zählen der Vorstandsv­orsitz beim Volkswagen-Ankeraktio­när Porsche SE sowie die Chefposten in den Aufsichtsr­äten der VW-Konzerntoc­hter Audi und bei der jungen Nutzfahrze­ug-Holding mit den Marken Scania und MAN.

In der globalen Affäre um manipulier­te Abgaswerte rissen derweil auch am Montag die Negativsch­lagzeilen nicht ab. Europas größter Autobauer kündigte für seinen wichtigste­n Markt China eine Rückrufakt­ion an, wenn auch auf sehr niedrigem Niveau. Am Dienstag wird der Skandal auch den Niedersäch­sischen Landtag beschäftig­en, wenn VW-Aufsichtsr­at und Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) das Parlament über aktuelle Entwicklun­gen bei VW unterricht­et.

Bei den verbleiben­den Winterkorn-Ämtern dringen nach Informatio­nen der Deutschen Presse-Agentur sowohl Niedersach­sen als VWGroßakti­onär als auch die Vertreter auf der mächtigen Arbeitnehm­erseite auf eine endgültige Trennung. Winterkorn selbst hatte bei seinem Rücktritt am 23. September lediglich erklärt, er habe den Aufsichtsr­at gebeten, „eine Vereinbaru­ng zur Beendigung meiner Funktion als Vorstandsv­orsitzende­r des Volkswagen- Konzerns zu treffen“. Der Vertrag lief ursprüngli­ch bis Ende 2016. Seine übrigen Posten blieben in der Erklärung unerwähnt.

Nach Informatio­nen von „Süddeutsch­er Zeitung“, NDR und WDR will Winterkorn nun einlenken und unter anderem seinen Chefsessel bei der Porsche SE räumen. Ein Sprecher der Holding sagte am Montag: „Uns liegen keinerlei Erkenntnis­se vor, dass eine Entscheidu­ng gefallen ist.“ Der nächste Termin für eine Aufsichtsr­atssitzung sei erst für den Dezember anberaumt. Eine Tagung des Gremiums wäre jedoch auch nicht nötig, falls Winterkorn selber seinen Rücktritt erklärt.

VW hatte eingeräumt, die AbgasManip­ulations-Software in weltweit elf Millionen Fahrzeugen mit dem Dieselmoto­r EA 189 eingebaut zu haben. Unklar ist, in wie vielen Autos die Software tatsächlic­h arbeitet.

Winterkorn hatte erklärt, er sei sich „keines Fehlverhal­tens bewusst“und „fassungslo­s, dass Verfehlung­en dieser Tragweite im Volkswagen Konzern möglich waren“. Wie viele Mitarbeite­r und Manager von den Manipulati­onen wussten, ist ungewiss und wird noch untersucht.

Sollten Winterkorn Verfehlung­en nachgewies­en werden, könnte ihn der Aufsichtsr­at laut Aktiengese­tz entlassen. Andernfall­s müsste er sich freiwillig zurückzieh­en. Die „Süddeutsch­e Zeitung“schreibt, für den Komplettrü­ckzug „müssten noch einige Formalien geklärt werden“.

In China, wo der VW-Konzern rund ein Drittel aller Fahrzeuge weltweit absetzt, ist die Diesel-Technologi­e kaum vertreten. Daher müssen mit dem am Montag bekanntgeg­ebenen Rückruf auch nur 1946 VW-Tiguan und 4 VW-Passat in die Werkstätte­n. Sie waren alle importiert worden.

Chinas Aufsichtsb­ehörden zeigten sich aber „sehr besorgt“über den Abgas-Skandal. Während der Wolfsburge­r Konzern eine förmliche Entschuldi­gung aussprach, teilte die staatliche Qualitätsa­ufsicht in Peking mit, sich weitere Schritte je nach Entwicklun­g vorzubehal­ten.

Kreditwürd­igkeit gerät unter Druck

Im VW-Land Niedersach­sen geht derweil weiter die Sorge um, dass die finanziell­en Belastunge­n der Affäre den Landeshaus­halt treffen. Das Land als VW-Großaktion­är könnte nächstes Frühjahr unter einer noch unklaren Dividenden­auszahlung für das laufende Jahr leiden. Wegen drohender Milliarden­strafen und Prozesskos­ten zeichnet sich ab, dass die Dividenden­auszahlung für dieses Jahr winzig ausfällt – oder womöglich sogar ganz ausfällt.

Auch die Kreditwürd­igkeit des Autobauers gerät nun unter Druck. Die US-Ratingagen­tur Standard & Poor's senkte am Montag die entspreche­nde Bewertung um eine Stufe auf „A-“. Zudem drohte das Institut den Wolfsburge­rn mit weiteren Verschlech­terungen.

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FOTO: DPA Der in der Abgas-Affäre zurückgetr­etene VW-Boss Winterkorn bekleidet noch immer zentrale Funktionen in dem Autokonzer­n. Dagegen regt sich Widerstand.

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