Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Angeklagte­r bestreitet Vorwürfe

Landgerich­t verhandelt sexuellen Missbrauch.

- Von Gunnar M. Flotow Oktober 19.

FRIEDRICHS­HAFEN - Weil er sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren an seiner kleinen Halbschwes­ter vergangen haben soll, muss sich ein Mann aus dem Bodenseekr­eis seit Montag vor dem Landgerich­t Ravensburg verantwort­en. Am ersten Verhandlun­gstag hat der inzwischen 25-jährige Mann alle Vorwürfe abgestritt­en.

Ein 17-Jähriger fragt: „Willst du wissen, was Sex ist?“Seine sechsjähri­ge Halbschwes­ter antwortet: „Ja.“Mit diesem Dialog soll am 15. Februar 2008 eine Serie von sexuellen Übergriffe­n begonnen haben, die seit Montag vor dem Landgerich­t verhandelt wird. Bis zum 9. März 2012 soll sich der junge Mann laut Anklagesch­rift 50 Mal an dem kleinen Mädchen vergangen haben. Über viele Jahre hat sie geschwiege­n, zur Polizei geht sie erst im August 2014.

Bei der Befragung durch das Gericht berichtete der Angeklagte zunächst von den Schwierigk­eiten in der Patchwork-Familie, vom gewalttäti­gen Stiefvater und den gesund- heitlichen Problemen der Mutter. Als die Tatvorwürf­e zur Sprache kamen, erklärte er nur: „Ich habe meiner Schwester niemals etwas angetan. Ob er eine Erklärung dafür habe, dass die Schwester gegen ihn solch massive Anschuldig­ungen erhebt? Dass ihre Vernehmung durch Spezialist­en der Kripo ein 30-seitiges Protokoll füllt? „Keine Ahnung.“Der 25-Jährige erklärte, er sei überzeugt, dass seine kleine Schwester, die er als „blauäugig“charakteri­sierte, von anderen Familienmi­tgliedern gegen ihn aufgehetzt worden sei. Und warum? „Weil sie mich fertig machen wollen.“

Auf die Frage, ob ihm innerhalb der Familie früher schon einmal Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe gemacht wurde, sagte der 25-Jährige, dass er sich daran nicht erinnern könne. Misstrauis­ch geworden durch diese schwammige Bemerkung, bohrten sowohl Richter als auch Staatsanwa­lt an dieser Stelle nach. Bei der intensiven Nachfrage stellte sich schließlic­h heraus, dass es einmal einen Vorfall gegeben hatte, als das Mädchen fünf Jahre alt gewesen war. Der Angeklagte selbst konnte – oder wollte – sich dazu nicht äußern. Er sei in jener Nacht im Jahr 2007 betrunken gewesen und habe einen totalen Filmriss. Offenbar hatte die Familie damals versucht, den Vorfall intern zu behandeln beziehungs­weise unter den Tisch zu kehren. Mit ihrer Einschätzu­ng zu den Angaben des Angeklagte­n hielten die Richter nicht hinterm Berg. „Es gibt in Ihrer Aussage viele Hin und Hers“, stellte der Beisitzer klar und empfahl dem 25-Jährigen relativ unverblümt, seine Verteidigu­ngsstrateg­ie zu überdenken. Denn wenn er dabei bleibe, die Taten zu bestreiten, müsse die kleine Schwester in den Zeugenstan­d geladen werden. „Und dann werden wir ins Detail gehen“, betonte der Beisitzer.

Obwohl er sich auf sein Zeugnisver­weigerungs­recht hätte berufen können, sagte am ersten Verhandlun­gstag der ältere Bruder des Angeklagte­n aus. Das Verhältnis beschrieb er als zerrüttet. „Es passt halt nicht miteinande­r“, ließ er wissen. Der Kontakt sei abgerissen, nachdem die aktuellen Missbrauch­svorwürfe aufgekomme­n waren.

„Es gibt in Ihrer Aussage viele Hin und Hers.“Der Richter zum Angeklagte­n

„Diskrete“Lösung gesucht

Er bestätigte, dass es schon 2007 einen Vorfall gegeben hatte. Die Mutter habe diese Sache aber im Sande verlaufen lassen. Von den neuen Anschuldig­ungen habe er vom Vater, dem sich seine Halbschwes­ter anvertraut hatte, erfahren. Als eine Psychologi­n nach Gesprächen mit dem Mädchen erklärt hatte, dass an den Vorwürfen etwas dran sein müsste, habe man das Thema „diskret“behandeln wollen. Er habe versucht, neutral zu bleiben. Keinesfall­s habe er Hass geschürt, sagte der Bruder. Die Verhandlun­g wird am

um 9.30 Uhr fortgesetz­t.

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