Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Schweizer Rechtspartei liegt weit vorne
Am Sonntag wählen die Eidgenossen ein neues Parlament – Flüchtlinge als Wahlkampfthema
ST. MARGRETHEN - In der Schweiz ist ein weiterer politischer Rechtsruck absehbar. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) könnte bei den Parlamentswahlen am 18. Oktober laut Umfragen bis zu 30 Prozent der Stimmen bekommen. Dies würde ihre Stellung als stärkste Partei der Eidgenossenschaft festigen. Sie deckt dort das nationalkonservative und rechtspopulistische Spektrum ab. Einmal mehr geht die SVP mit Ausländerangst und Anti-Europa-Polemik auf Stimmenfang.
„Nichts bekommt die EU gebacken: Weder den Flüchtlingsansturm noch Griechenland.“Bei Michael Winterlin kommt die Weltsicht der SVP gut. Er gibt sie bereitwillig wieder. Der Eidgenosse aus dem St. Galler Rheintal tut dies, während er im Kaffee rührt. Dazu hat es ihn in ein Einkaufszentrum des Grenzortes St. Margrethen verschlagen. Als die Schweiz noch nicht so teuer war wie heutzutage, fand sich dort sogar Kundschaft vom bayerischen Bodenseeufer ein. Doch selbst Einheimische gehen jetzt lieber in die benachbarte Eurozone. Weshalb Winterlin mit seinem Kaffee ziemlich alleine dasitzt. Ein deutliches Krisenzeichen. Die Schuld haben für ihn „die Anderen“, also Nicht-Schweizer.
Wo Winterlin am 18. Oktober sein Kreuz machen wird, hält der Mann für selbstverständlich: „Nur die SVP schützt uns.“Genau dies wollen deren Vertreter den Eidgenossen auch einimpfen. In der Migranten-Politik hat dies in den vergangenen Jahren schon ein Stück weit funktioniert.
Gegen Zuwanderung
Bereits seit einigen Wahlen macht die SVP gezielt Stimmung gegen Zuwanderung. 2007 kam es zu einem über die Schweizer Grenzen hinweg beachteten Skandal. Die SVP hatte nämlich auf einem Wahlplakat weiße Schäfchen gezeigt, die ein schwarzes Schaf über die Grenze kicken.
Solche dumpfe Propaganda stößt auch zahlreichen Eidgenossen auf – in den Ballungszentren Zürich sowie Basel und in der eher liberalen Welschschweiz sowieso. Aber in eher ländlich geprägten Gebieten der Deutsch-Schweiz wie dem St. Galler Rheintal ist die Richtung klar: Abschieben und Abschotten. Dort kommt auch bei vielen Einheimischen gut an, wenn SVP-Chef Toni Brunner zum Widerstand gegen neue Asylbewerber-Quartiere aufruft. Parteien der bürgerlichen Mitte haben längst auf diese Art der Politik reagiert – und zwar im SVP-Sinn. Das Abgrenzen zu Migranten gilt als hof- fähig. Die Folge: Kein anderes mitteloder westeuropäisches Land ist dabei, so restriktive Fremdenregelungen einzuführen wie die Schweiz – via Volksabstimmung, zuletzt 2014.
Da sich die Umsetzung des im vergangenen Jahr manifestierten Volkeswillen in neue Gesetze aber noch bis 2017 hinziehen wird, hat die SVP einen weiteren Angriffspunkt bekommen. Sie versucht die politische Konkurrenz als unschweizerisch zu verunglimpfen. Selbst der Justizministerin und Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga von den Sozialdemokraten gelingt nur eine hinhaltende Verteidigung. Sie muss sich ständig rechtfertigen, weshalb sie in der Flüchtlingspolitik mit der EU kooperiert.
Für die Schweizer Rechten ist der Brüsseler Club sowieso nur ein Teufelsinstrument, um die Eidgenossen unter die Knute volksferner Bürokraten zu führen. Auch hier verfängt die Propaganda: Die EU ist in der Schweiz gegenwärtig so unpopulär wie schon lang nicht mehr. Die SVP hat zwar nicht die Macht im Lande, aber offenbar die Fähigkeit, den politischen Diskurs zu bestimmen. „Alle haben Angst vor uns“, frohlockt die Alt-SVP-Größe Christoph Blocher.