Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)
Der deutsche Traum von Dominic Otiang’a
Junger Kenianer schreibt in Stuttgart über Immigration
NAIROBI - Deutsche Botschaft in Kenia, Visastelle. „Sortieren Sie Ihre Unterlagen! Ich bin nicht dazu da, das für Sie zu ordnen, während Sie nur dasitzen und mich anschauen,“schnaubt die Angestellte hinter der Glasscheibe. Dies sind Beobachtungen des jungen kenianischen Schriftstellers Dominic Otiang’a aus seinem Buch „Der deutsche Traum.“Zwar steht „Roman“auf dem Buchdeckel, doch der Mix aus seinen Erfahrungen und denen anderer Immigranten sind der Realität unbequem nah.
Der in Stuttgart lebende Otiang’a gehört zu den jüngsten publizierten Autoren seiner Heimat. Seinen ersten Roman veröffentlichte der 28Jährige mit 19 Jahren. Ein Schriftsteller-Stipendium der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart nutzte er, um seinen zweiten Roman „Der deutsche Traum“fertigzustellen. Darin erzählt er die Geschichte eines Studenten aus einer afrikanischen Mittelklasse-Familie, der in Deutschland nach Bildung und Erfolg sucht und dessen moralische Werte dort auf die Probe gestellt werden.
„Ohne meine Erfahrung als Immigrant würde ich jetzt Kriminalromane schreiben“, erzählt er bei einem Heimatbesuch in Kenias Hauptstadt Nairobi. „Mein Vorbild war Sidney Sheldon. Doch so hatte ich das Gefühl, ich habe viel mehr zu sagen. Ja, ich schreibe, um zu unterhalten, aber verbunden mit einem Appell für soziale Gerechtigkeit. Meine Themen sind Immigration und Integration.“
Otiang’a lernte Deutsch in Freiburg und absolvierte gleichzeitig ein Freiwilliges Soziales Jahr bei der Caritas. Später begann er ein Studium. Bevor er nach Deutschland kam, hatte sich das jüngste von neun Geschwistern mit dem deutschen Aus- länderrecht vertraut gemacht. „Als mein Visum nicht verlängert wurde, rieten mir andere Ausländer, eine Deutsche zu heiraten oder Asyl zu beantragen. Das wollte ich nicht. Ich hatte Pläne für meine Zukunft.“
In „Der deutsche Traum“beschreibt Dominic Otiang’a, wie die Hoffnungen vieler Ausländer, die nach Deutschland kommen, an Gesetzen und täglichem Existenzkampf zerbrechen. Er hält seinen deutschen Lesern den Spiegel vor.
Würde ist nicht verhandelbar
„Bücher wie dieses erlauben mir, mein Heimatland mit den Augen und dem Empfinden eines Fremden wahrzunehmen“, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier und lud den jungen Kenianer auf eine Delegationsreise nach Afrika ein. „Wenn nötig, würde ich meinen Stolz hinunterschlucken“, lässt dieser seine Hauptfigur Jamba aus Kenia philosophieren, „aber meine Würde als Mitglied der menschlichen Spezies war nicht verhandelbar.“
Der Autor hat sich in Deutschland integriert: „Der Arbeitsalltag ist strukturierter, das gefällt mir. Ebenso die Pünktlichkeit: Selbst wenn ich zu Hause in Kenia bin, mag ich es nicht, zu spät zu kommen.“Doch er hat auch Kritik. „Die Deutschen wollen nicht wahrhaben, dass die Gesellschaft segregiert ist. Pegida ist der Beweis, dass es ein ernstes Problem in Deutschland gibt.“
Otiang’a lebt heute seinen deutschen Traum und arbeitet als Autor. Sein Studium will er 2016 beenden.